Baukunst in Baden
  BAD Stadtpalais (12)
 



ein Bild
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Stadtpalais in Baden-Baden (Lichtentaler Allee)   /   um 1825

Feiner Klassizismus, gleichermaßen in Vergangenheit wie Zukunft weisend.
     Der Chronologie Ehre erweisend beginnt unsere Betrachtung in der Vergangenheit. Der auf den ersten Blick eindeutige Klassizismus tritt uns überraschenderweise als Verkleidungsstil entgegen — es sind die Pilaster, die durch ihr geringes Heraustreten aus der Fassade weniger einen konstruktiven (tragenden), vielmehr einen verkleidenden Charakter besitzen. Dieser Effekt wird für die Gebäudeecke auf die Spitze getrieben, die entgegen klassizistischem Credo nicht etwa von einem Eckpilaster sondern von gerundeter Wand eingenommen ist. Solcher Umgang erinnert mehr an den Barock-Stil, ebenso wie die Platzierung der obersten Fensterreihe direkt unter dem wiederum nur knapp vor die Fassade tretenden Gebälk.
     Freilich kann man dem Stadtpalais nicht wirklich barocke Wirkung unterstellen — die typische Drängung und Fülle von Fassadenelementen fehlt, statt dessen karge Detailausformung im Sinne Weinbrenners. Primär dem Barock-Stil zuzuschreibende Formideen bereichern den klassizistischen Stil — mehr nicht.
     Die Zukunft. Wiederum weisen gleich mehrere Ansätze in diese Richtung: der körperhafte Ausdruck und die Dynamik von Über-Eck-Balkon sowie der weiten "Schwünge" des Sockelgeschosses. Die Wirkung der Pilaster bedeutet schon Erstaunliches, geben sie doch durch ihren "nur" verkleidenden Charakter den Blick frei auf den eigentlichen Baukörper, der durch die gerundete Ecke enorm an Markanz gewinnt.
     Der (ebenso) gerundete Über-Eck-Balkon als gewiss auffälligstes Detail des Gebäudes wurde in den 1920ern gar zu einer Inkunabel der Moderne — auf kräftigen Haken-Konsolen und von einem filigranen Eisengeländer begleitet stellt er eine beträchtliche und zusammen mit den Pilastern die notwendige Aufwertung dar, die aus einem Bürgerhaus das repräsentative Stadtpalais formt. Auch die weitgespannten "Schwünge" des Sockelgeschosses erzielen eine reizvolle dynamische Wirkung. Zusammen mit der runden Ecke und den horizontalen Details: Gesimsband zwischen Sockel und Piano Nobile, Gebälk und weit ausladendem Dachrand (mit fein gezeichneter Unterseite) erhält das Stadthaus als Ganzes eine in ihrer klaren Ausformung für das 19. Jahrhundert sehr ungewöhnliche Dynamik. Mehr noch, als Vertreter der Gebäude mit Über-Eck-Wirkung erscheint es ohnehin in modernen Sinne konzipiert — die Fassade läuft fast ungebrochen über-Eck, statt wie in historischem Sinne die einzelnen Fassaden rechtwinklig aneinander stoßen zu lassen.
     Die vertikalen Pilaster bedeuten im übrigen eine wohltuend beruhigende Gegentendenz zur horizontalen Dynamik. Auch die verbleibenden Details verdienen Lob: die sorgfältig gearbeiteten Öffnungsrahmungen des Piano Nobile kennt man in direkter Übernahme von Friedrich Weinbrenner und können so als die ansehnlichste klassizistische Ausformung in badischen Gefilden gelten. Ganz im Gegensatz zum Meister stehen die Kapitelle der Pilaster ihre an die toskanische Ordnung erinnernde Ausformung steht in zurückhaltender Proportion und widerstrebt weinbrennerscher Wucht. Die wie üblich fehlende Basis der Pilaster steht dagegen wieder im Sinne des Lehrmeister — dadurch erscheinen die Pilaster in ihrer Wirkung dynamischer, gleichsam unvermittelt aus dem Sockelgeschoss aufstrebend.
     Endlich kann das Abrücken der zu den Gebäudeseiten abschließenden Pilaster gefallen — sie prallen nicht übergangslos auf die Nachbargebäude, sondern bilden optisch wohltuende Fugen aus.
     Das Stadtpalais darf sich in der Villa Hamilton (Sammlung '1', Nummer 11) ausgezeichneter klassizistischer Nachbarschaft erfreuen — zusammen bilden die beiden Gebäude ein beachtliches Ensemble.


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