Baukunst in Baden
  Binau
 


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Das Dorf Binau liegt auf einer Landzunge im Neckartal zwischen Mosbach und Eberbach, von drei Seiten flussumflossen gleichsam auf einer Halbinsel, markant genug. Das 20.Jahrhundert indessen hat die Idylle des Altortes (fast) vollends getilgt. Relativ große Erweiterungen haben sich an Altbinau "geschmiegt", Siedlungsbilder im typischen Allerwelts-Charme der neuen Zeit. Wie denn auch der Ortskern durch die üblichen gesichtslosen Neubauten oder durch zerstörende Sanierungen (fast) alle Ansehnlichkeit verlieren musste. Das zweimalige "fast" kann das auf bauliche Schönheit bedachte Auge aber zur Teilnahme auffordern: es überrascht ein großer barocker Schlossbau, der obendrein mit einer benachbarten barockisierten Kirche ein ansehnliches Ensemble zeichnet.
     Binau ward nachweislich erstmals im Jahre 769 urkundlich genannt. Zunächst wusste das berühmte Kloster Lorsch (Südhessen) um mannigfaltigen Besitz. Ab dem Hochmittelalter aber kamen die Ritter und mit denselben die typischen mittelalterlichen "Wechselfälle des Lebens". Von der kaum zwei Kilometer entfernten Burg Dauchstein aus (Wanderungen Band ‘1’) wachten ab dem frühen 12. Jahrhundert über Binau und den "einträglichen" Neckar: Lehensträger der Hohenstaufen, die Ritter von Dauchstein, die Freiherren von Helmstadt (ab circa 1350), die Ritter Rüdt von Collenberg (ab circa 1450). Letztere erbauten auch in Binau selbst eine Burganlage. Die binauer Halbinsel nebst Burg Dauchstein, ein insgesamt sehr kleines Gebiet, verblieb noch bis in frühe 19. Jahrhundert, als Baden zum Großherzogtum aufstieg, in reichsritterschaftlicher Unabhängigkeit.
     Die spätmittelalterliche Burg in Binau war zu diesem Zeitpunkt schon wieder verschwunden, namentlich abgetragen nämlich für den heute noch zu sichtenden Barockbau. Jener nahm schon ab 1717 seinen ersten Anlauf, wie die Hofeinfahrt per Jahreszahl zu erkennen gibt. Das eigentliche Schloss aber folgte erst ab 1742. Mag der bekannte Kurpfälzer Architekt Johann Jakob Rischer tatsächlich zumindest den Entwurf geliefert haben; LaCroix/Niester benennen ihn jedenfalls. Rischer zählte zu den wichtigsten barocken Baumeistern der seinerzeit einflussreichen Kurpfalz, sah sich mit zahlreichen lukrativen Aufgaben in Heidelberg, zeichnete auch die Verantwortung für die Schlösser in Adelsheim (Wanderungen Band ‘1’) und in Bödigheim (Band ‘2’).

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Heutigentags aber beeindruckt im Grunde nur noch das große, gestreckte Volumen, zu beiden Seiten mit zahlreichen barock-typisch gerahmten Fenstern. Mögen im Detail noch die Hofeinfahrt und das Portal (1784 bezeichnet) gefallen. Wie im Falle des Dorfes die modernen Zeiten reichlich verwässert haben, so auch die Ansicht des Schlosses nicht wenig. Man stutzt vor allem über die zum Neckar in der Sonne bleckende Gartenseite: zwei Hauptgeschosse stehen gleichsam burgartig abweisend über einem hohen Sockel; eine unangenehme, große Betontreppe macht mittig den Blickfang (sic!); vollends kunstlos schieben sich mehrere Schleppgauben aus dem langen Walmdach; und endlich hat sich eine Straße zwischen Schloss und Schlosspark gelegt. Zweifellos bot dieser Prospekt einst deutlich mehr Schönheit und Harmonie; man darf zumindest spekulieren, dass das Sockelgeschoss sich über Fenster und Türen ganz unmittelbar auf den Schlossgarten öffnete. Denkt man sich dann freilich das Beton-Ungetüm weg, die große ruhige Dachfläche allenfalls von zierlichen Gauben belebt; denkt man sich die Fassade mit mehr Kontrast zwischen Verputz und den Fenstergewänden, das Dach mit schwarzem Schiefer und nicht schreiend rot gedeckt; ja denkt man sich auch den Schlossgarten, sorgsam angelegt, in den barocktypischen geometrischen Formen — so entsteht gleichsam ein neues, ein deutlich wertvolleres Schlossbild vor dem geistigen Auge; ein Schloss, das mit seinen beachtlichen 19 Öffnungsachsen ein Bild gediegenen barocken Ebenmaßes.
     Im gegenwärtigen Zustand nimmt man alleine die durch Höhe und Länge überlieferte Monumentalität, die Verbindung mit dem nicht kleinen Schlossgarten für ansehnlich. Sehr hilfreich tritt überdies auf der linken Seite der Campanile der historischen Ortskirche in die Ansicht; ja selbst ein größeres Fachwerkhaus, eines der wenigen "Überlebenden" Altbinaus, darf hier noch befruchten.
     Das kleine Gotteshaus stammt aus dem 14. Jahrhundert, erfuhr aber eine starke Barockisierung. Das 18. Jahrhundert modernisierte also nicht wenig auch in Binau: aus der mittelalterlichen Burg ward ein barockes Schloss und aus der gotischen eine weitgehend barocke Kirche. Zurückhaltend das Kirchenschiff, durchaus auffällig aber der quadratische, nicht allzu hohe Campanile: vor allem durch die noch ans Mittelalter erinnernde Eckquaderung, deren rote Farbe schön zum weißen Verputz kontrastiert, und freilich durch die große Dachhaube, die sich barocktypisch schweift, dabei mit ihrem schwarzen Schiefer in abgestimmter Farbverbindung mit dem Turmkorpus. Verschiedene Fensterformate, munter gestapelt, beleben obendrein. Im Inneren des Gotteshauses, namentlich im erhaltenen Turmgewölbe fand man spätgotische Fresken, auf die Mitte des 14. Jahrhunderts deutend.
     Obgleich die Schlossansicht nicht wenig gelitten hat, so schenkt dennoch vor allem der Neckarprospekt durch seine auffällige, monumentale Wirkung dem so burgen- und schlossreichen Neckartal einen weiteren markanten Beitrag — überdies unter den eindeutig vorherrschenden mittelalterlichen eine der wenigen barocken Zugaben.


Quellen
1) die Bauwerke selbst - Stilmerkmale; Ort und Landschaft
2) Dr. Emil Lacroix und Dr. Heinrich Niester  "Kunstwanderungen in Baden", Chr. Belser Verlag Stuttgart, Ausgabe 1959
3) Homepage  
www.binau.de 
4) Website  
www.burgeninventar.de
5) Informationstafel vor Ort (Burg Dauchstein)

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