Baukunst in Baden
  Boxberg
 


In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts fertigte der berühmte Matthäus Merian auch einen Kupferstich der Stadt Boxberg, welche in Nordostbaden zwischen Mosbach und Tauberbischofsheim gelegen (Stich siehe Seite 3). Im sogenannten "Schüpfer Grund", vom Umpfertal eine Anhöhe erklimmend, lag das Städtchen malerisch genug. Merian fand die Häuser nach vorne reinlich gefasst von der hohen Stadtmauer, mehrere stattliche Bauten und, den Prospekt vollendend, ein große Burganlage auf der Spitze jener Anhöhe. Im stets begleitenden Text wies er auf die besondere Not hin, die das verkehrsgünstig gelegene Boxberg im 30jährigen Krieg zu dulden hatte. Und wahrlich, bei der selbst für diesen großen Krieg ungewöhnlich hohen Zahl von sechsmaligem Besitzerwechsel mag man sich die Nöte vergegenwärtigen.
     "Stehaufmännchen-Qualitäten" hatte zuvor schon die Veste bewiesen. Ihre Ursprünge reichen vielleicht gar bis ins 10. Jahrhundert; berühmt aber wurde das sogar als "festeste Haus in Franken" bezeichnete Bollwerk vor allem durch die berüchtigt räuberischen Ritter von Rosenberg. 1381 waren sie in den Besitz gelangt (noch käuflich), alsbald aber brachten sie die gesamte Region gegen sich auf. Strafexpeditionen ruinierten die Burg 1470 und 1523. Zweimal bauten die halsstarrigen Rosenberger wieder auf. Dann aber war man pleite, zu weiteren Raubzügen nicht mehr fähig. Der letzte Wiederaufbau nutzte eigentlich nur noch der Kurpfalz, welche, vorher schon im Besitzstand ganz Boxbergs, 1561 wiederum käuflich erwarb. Stadt und Veste waren Hauptort einer nicht kleinen bohnenförmigen Landbesitzung, die denn immerhin das letzte größere östliche Territorium der Kurpfalz. Auch war dieselbe nur circa 25 Kilometer von der kurpfälzischen Hauptlandmasse entfernt. Später aber verpfändete man für rund fünf Jahrzehnte zunächst an das Hochstift Würzburg, dann an die Johanniter (1691-1740).
     Als aber Merian den trefflichen Stich fertigte, war die Stadt direkt im Besitz der Kurpfalz (wenn auch vielleicht gerade von feindlicher Macht besetzt). Mag man in jener Zeit die historisch schönste Stadtansicht Boxbergs vor Augen gehabt haben. Dieses Bildnis, obgleich es in dieser Anmut keineswegs unbeschädigt bleiben konnte, war es vor allem, das auch den Autor anlockte. Keine der von Merian “verewigten” Städte steht heute noch in der Schönheit des ausgehenden Mittelalters, aus mannigfaltigen Gründen. Nichtsdestotrotz, was einmal in solch anmutigen Ehren, das hat fast immer Bedeutendes auch bis ins 21. Jahrhundert gerettet, und/oder die oft genug zerstörte mittelalterliche Schönheit gegen barocke und spätere Vorzüge eingetauscht. 
     Manchmal aber will das heutige Bild von vergangener Blüte überhaupt nichts mehr wissen. Und solches gilt denn leider auch für Boxberg. Da rieb sich unsereins tief verwundert die Augen, als er bis auf allerkümmerlichste Überreste selbst vom "festesten Haus in Franken" nichts mehr gewahrte! Der SCHLOSSBERG, einst trefflich geziert von der großen Veste, er steht heute leer, in Diensten alleine der Vegetation. Von den wacker wiedererrichtenden Rosenbergern verlassen, stand es auf Merians Stich noch in guter Ordnung. Im 18./19. Jahrhundert aber ließ man es schlicht verfallen, bis endlich das immer noch stattliche Gemäuer 1854 als billiger Steinbruch verkauft ward!


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Und irgendwie symbolisiert dieser einstige Ruhm Boxbergs sogleich die gesamte Stadt. Obwohl sie keineswegs wie das Bollwerk fast spurlos verschwinden musste. Aber Vernachlässigung hat denn auch sie gezeichnet; eine Vernachlässigung, die wohl immer wieder neu errichtete, die aber für das frühe 21. Jahrhundert ein Stadtbild zeichnet, das wie der konturloseste Schatten der Merianschen Erbaulichkeit. Und man will hier noch nicht einmal den wie allerorts zerstörenden oder verwässernden Modernismus als Hauptverantwortlichen ausmachen. Gerade an der Hauptstraße stehen immer noch zahlreiche historische Bauwerke. Alleine dieselben entstanden bereits gesichtslos im von der Baukunst mehr und mehr abfallenden 19. Jahrhundert — oder wurden ihrer ästhetischen Wirkungen gründlich beraubt. Man bemerkt noch einiges Potential und verwundert sich über das Desinteresse an der Ansehnlichkeit, wie zuvor über das so sorgfältige Abtragen des Schlosses. 
     Ein und der selbe Geist hat hier auf zweierlei Weise gewirkt! Es ist gleichsam als hätte er den Merianschen Stich als eine Streichvorlage benutzt: was er verschwinden lassen konnte, das ließ er verschwinden; und wo denn Menschen noch Unterkünfte benötigten, da verstümmelte er durchaus so gezielt wie möglich. Mag als bestes Beispiel das ALTE RATHAUS (heute Heimatmuseum) gelten. Errichtet 1610, sah es auch Merian, ja überstand das Gebäu bis heute. Dem stattlichen hohen Renaissance-Bau hat man gerade ob seines hohen Steinfassadenanteils nicht geringe bauhistorische Bedeutung einzuräumen. Alleine weil man das Fachwerk des Giebels verkleidete (19. Jahrhundert?), dessen Schönheit also versteckte, will zur Bedeutung nicht auch die wirkliche Ansehnlichkeit hinzutreten. So kann man tatsächlich achtlos genug an dem Gebäu vorbeigehen, wie auch an manch ganz ähnlich gelagertem Fall der Hauptstraße. Mit sichtbarem Fachwerk aber könnte man das alte Rathaus gar für ein Vorzeigebeispiel badisch-fränkischer Renaissance nehmen. Was irre machen möchte: auf der versteckten Rückseite (Rathausgasse) liegt das feine fränkische Fachwerk offen!
     Die lange Hauptstraße (Kurpfalzstraße), die ohnehin alleine erwähnenswert, zeigt mit der KATHOLISCHEN KIRCHE ST. AQUILINUS und dem KURPFÄLZISCHEN AMTSHAUS zurückhaltenden, aber ansehnlichen Barockstil. Würden nun diese von der gerade gezeichneten Chance zur Verschönerung bereichert werden, man fände durchaus echtes Gefallen an diesem Stadtraum. Im gegenwärtigen Zustand aber findet man alleine Gelegenheit zu seltener Betroffenheit.
     Zuvor hatte der Autor ausgerechnet das gleichfalls "zerschlagene" Königshofen (Wanderungen Band '2') studiert. Da wollte denn die Trübnis schon überhand nehmen! Und welch majestätisch-erhabene Rettung ward ihm da der romanische "Frankendom" (Wanderungen Band '1') im Boxberger Ortsteil Wölchingen!


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Quellen
1) die Bauwerke selbst, Stilmerkmale und Jahreszahlen
2) Kupferstich und Stadtbeschreibung Matthäus Merians aus "Topographia Palatinus Rheni"
3) Dr. Emil Lacroix und Dr. Heinrich Niester  "Kunstwanderungen in Baden", Chr. Belser Verlag Stuttgart, Ausgabe 1959
4) Homepage der Stadt Boxberg
5) private Website  
www.boxberg-privat.de
6) Website  www.burgeninventar.de

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