Baukunst in Baden
  Eberbach Rathaus (08)
 

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Altes Rathaus der Stadt Eberbach (Rhein-Neckar-Kreis)   /   Johann Thierry   /   1824

Das formal beeindruckendste der kleinen klassizistischen Rathäuser! Dem Architekten Johann Thierry gelingt hier sein Meisterstück, er entwirft dem Gebäude ein beachtliches monumentales Auftreten mit wuchtigen, beinahe brachialen Zügen. Thierry verleiht dem tatsächlich nur geringen Gebäudevolumen Ausdrucksstärke mit stark bildhaften Zügen, die sich seines Lehrmeisters Weinbrenner durchaus ebenbürtig erweist. Thierry begeht nicht den geringsten Fehler, vom Sockel über das Hauptgeschoss bis hin zum Dach erscheint jeder Eingriff der kraftvollen Idee dienstbar gemacht.
     Beginnen wir unten. Welch' lasthungrige Pfeiler tragen hier das Gebäude! In ihrer geradezu archaischen Proportion (kein klassizistischer Feinsinn) erinnern sie beinahe an frühägyptische Baukunst. Auf großen würfelförmigen Basen stehend geben ihre Abstände den Durchgang in die offene Vorhalle frei. Ihnen folgt ein ungewöhnlich breites Fassadenband, das sich an den Pfeilern verkröpft und in den Pfeiler-Zwischenräumen von starken Pilastern mit typischen Weinbrenner-Kapitellen (dorisch) getragen wird. Letztere veredeln zusätzlich die massigen Pfeiler; deren ungeheurer Kraftstrom wird nun vermittels Rundbögen in das Hauptgeschoss geführt. Die Bögen selbst wurden, wie der obere Abschluss des Fassadenbandes, in Kontrast zur kraftvollen Gesamtgestalt fein profiliert und entsprechend der Pfeilereinteilung durch drei Thermenfenster geadelt.
     Das Hauptgeschoss, von den Rechtecksäulen durch das Fassadenband optisch getrennt, erscheint als eigener Baukörper und, durch die Rundbögen in seiner Höhe deutlich geschmälert, in merkwürdig flacher Proportion. Thierry bündelt die Fenster (schlicht in die Gebäudemasse geschnittene Öffnungen — typisch für Thierry) zur Mitte, gipfelnd in der auf den repräsentativen Balkon (einfache Scheibe über ausladenden Hakenkonsolen) hinausführenden Tür, welche sich schließlich mit Balkenverdachung auf Rollwerk-Konsolen schmückt. Bedenkt man noch die Klappläden, so notiert man eine Gedrängtheit von beinahe barocker Natur, die im wunderbarsten Kontrast zu den großen unberührten Fassadenflächen und der Massivität der Gebäudeecken steht. Die Fenster wurden weit von den Gebäudeecken abgerückt, um den Eindruck der Körperhaftigkeit des Piano Nobile nur mehr zu verstärken. 


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Ein spannungsvoll geformter Baukörper vor allem durch genannte Rundbögen und den mit ihm verschmolzenen, durch Auffaltung des Daches entstandenen auffälligen Dreiecksgiebel, der die Würde des Rathauses unterstreicht und mit dem schlitzartigen Segmentbogen-Fenster seinerseits Akzentuierung erfährt.
     Dennoch bedeutet er noch nicht den formalen Abschluss des Gebäudes, welchen nämlich der aus der Mitte des unüblich flach geneigten Zeltdaches aufschießende Dachreiter leistet. Als letzter Akzent setzt er ob der drängenden Spannung des unter ihm liegenden Baukörpers, den für die Gesamterscheinung "lebensnotwendigen" gestalterischen Abschluss.
     Tatsächlich wurden alle formbildenden Ideen zu Ende gedacht, zum imposanten figuralen Rathaus (heute Museum) der Stadt Eberbach am Neckar. Ungeachtet der schon angesprochenen geringen Größe beherrscht es unangefochten den ansehnlichen Marktplatz der alten Stauferstadt.
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Quellen
1) das Bauwerk selbst - Stilmerkmale und Wirkungen; Betrachtung des Gebäudes vor Ort
2) Dr. Emil Lacroix und Dr. Heinrich Niester "Kunstwanderungen in Baden", Chr. Belser Verlag Stuttgart, Ausgabe 1959
3) Website  
www.eberbach.de

4) Ausstellung im Schloss Bruchsal, 21.03.-07.09.2003 "Kirchengut in Fürstenhand. 1803: Säkularisation in Baden und Württemberg. Revolution von oben."; hier wurden auch mehrere Weinbrennerstil-Bauten, obgleich nicht unmittelbar zur Thematik sich fügend, präsentiert; Thierry als Baumeister des Eberbacher Rathauses aufgeführt

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