Baukunst in Baden
  Müllheim Schule (44)
 


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Schulbau in Müllheim (Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald)   /   um 1830

In Müllheim, einer Stadt südlich Freiburg findet sich einer der ungewöhnlichsten Bauten im Weinbrenner-Stil. Ein Gebäu halb Brücke, halb Haus — dergleichen wird man in Baden, ja in ganz Deutschland nur selten ansichtig. Ein kleines Juwel des Weinbrenner-Klassizismus also, der ursprüngliche Schulbau. Einige Worte zuvor noch zum Städtchen Müllheim: der Ort erlebte im ersten Drittel einen deutlichen Aufschwung, was eine Vielzahl von Neubauten bedeutete, welche denn zeitgemäß in klassizistischer Formensprache ausgeführt. Einiges davon blieb bis heute erhalten und so zeigt der historische Kern Müllheims ein nur selten zu gewahrendes klassizistisches Flair. Das meiste davon gibt sich typischerweise zurückhaltend und nüchtern, erfreut sich deshalb umso mehr der "Farbtupfer" unseres Schulbaus und des "Tempels" (gleichfalls Sammlung '2').
     Das effektvollste des Schulbaus ist bereits eingeführt: ein Fundament, das gleich einer Brücke den ankommenden Bachlauf überspannt. Das ungewöhnliche dieser Maßnahme, überdies noch trefflich anzusehen, vermag schon dergestalt viel, dass man anschließend schon alles falsch hätte machen müssen, um den glänzenden Start noch zu verderben. Das jedoch ward glücklicherweise vermieden, vielmehr zur Brückenkonstruktion auch noch ein Gebäudevolumen von reizvoller würfelartiger Proportion gewonnen.
     So erzeigt sich der Schulbau auch ohne seine Korbbogen-Brücke ohne weiteres ansehnlich. Dieses nun liegt neben der Gebäudeproportion an zwei weiteren Entwurfszügen. Zum einen gefallen die kraftvoll formulierten Dreiecksgiebel, die jeweils in Richtung Bach orientiert. Dreiecksgiebel ohne allen Schnörkel, streng klassizistisch — oder besser streng Weinbrenner. Der üppig dimensionierte Horizontalgeison überführt überdies die gesamte Dachkonstruktion in den glücklichen Ausdruck eines eigenen Baukörpers, welcher der würfelartigen unteren Partie schlüssig aufgesetzt.
     Der zweite gelungene Entwurfszug kreiert unserem "Würfel" eine umlaufende Pilasterreihung. Ein strikter Rhythmus, die folgerichtige Einleitung für die strengen Dreiecksgiebel. So hat man denn an dieser Stelle dem Gebäude nach dem einführenden Esprit des Brückenschwungs eine vor allem strenge Wirkung zu konstatieren. Das will ohne weiteres angehen, war in den Tagen des Weinbrenner-Stils ohnehin das naheliegendste Entwurfsprinzip. Umso dankbarer aber ist man dem Brückenschlag.

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Die Pilaster sind eines eingehenderen Blickes wert. Zunächst fällt die kolossale Ordnung auf: die Pilaster springen ohne Basis (typisch Weinbrenner-Stil) aus dem Sockel und streben dann ohne sich um Geschosseinteilungen zu kümmern unter das den Dachbaukörper einleitende Gebälk. Da nimmt es natürlich nicht wunder, dass zur Strenge sogleich die Wirkung vertikaler Dynamik tritt, durch die enge Reihung der Tragglieder überdies ein kraftvoller Ausdruck begründet wird.
     Beide Fassadenentwürfe reüssieren. Eine fast unerbittliche Konsequenz zeigen die Brückenseiten: fünf Pilaster, so eng geführt, dass die Fenster der beiden Geschosse mit "Mühe" hineingezwängt. Freilich ist das kein harmonischer, gar feinsinniger Ausdruck; aber wer solchen im Weinbrenner-Stil sucht hat denselben missverstanden oder (noch) nicht ausreichend studiert. Monumentalität, Wucht, Kraft — das war das architektonische Ansinnen (nicht nur) badischer Baukunst der ersten drei Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts.
     Die beiden anderen Ansichten bringen je drei gekoppelte Pilaster, also je zwei Abstände für Öffnungen. Die Eingangsseite nutzt diese um zwei Öffnungen rundbogig und tief einzuschneiden; ein Eingreifen in die "Würfelmasse", welche von nicht geringem Effekt.
     Endlich verbleibt der Blick auf die Kapitelle der Pilaster. Sie alleine nämlich "schlagen aus der Art", sind klein, ja fast möchte man sagen "ängstlich" geformt. Praktisch keine Ausladung und nicht einmal ein klar erkennbare Ordnung. Kraftvoll-dorisch hätte man sich da gewünscht, hätte Weinbrenner gefordert. Eine Träne im Knopfloch. Mehr nicht, denn das extraordinäre dieses Bauwerkes lenkt den Betrachter von dieser Inkonsequenz auf lange Zeit ab.
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Quellen
1) das Bauwerk selbst - Stilmerkmale und Wirkungen; Betrachtung des Gebäudes vor Ort; Erbauungszeit abgeschätzt
2) örtliche Informationstafel

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