Baukunst in Baden
  Schloß Presteneck
 

Im Dorf Stein am Kocher — das gleichsam an der Spitze einer langen nordbadischen Landzunge, die lustig weit ins Württembergische hineingreift — findet man wie zur Betonung solch extraordinärer Lage eines der schönsten erhaltenen Renaissance-Schlösser Badens. Jener schöne Landstrich aber entbreitet sich zwischen Mosbach und Heilbronn, reicht vom Städtchen Neudenau (Wanderungen Band ‘2’) über die Jagst hinweg bis an den Fluss Kocher. So sollte denn Baden durch die napoleonischen Umwälzungen des frühen 19. Jahrhunderts auch noch von diesem wie schon die Jagst genuin württembergischen Gewässer kosten!
Fast zweihundert Jahre später, 1970, erwarb das Land Baden-Württemberg das jämmerlich daniederliegende Gebäu  — und sanierte schließlich 1976-81 gar vorbildlich. In den späten 1990ern zogen alsdann wie beim Schloss Lohrbach, der schönsten badischen Renaissance-Wasserburg überhaupt (Wanderungen Band ‘2’), bürgerliche Wohnungen in die über Jahrhunderte herrschaftlichen Räume ein.
Insgesamt beeindruckt Schloss Presteneck zumeist durch seine Kompaktheit und Geschlossenheit, die Einheitlichkeit der Stilmerkmale. Was aber die anmutige Ansicht dieses dreiflügeligen Schlosses vollendet, verdankt sich dem breiten Wassergraben, der denn die historischen Verhältnisse gar trefflich anklingen lässt. Das Bild gediegener Renaissance, verbundenen mit der Wehrhaftigkeit moderat befensterter Außenwände und des gemauerten Wassergrabens, ergreift. Zur weiteren Bereicherung tritt ein Rundturm an der Nordostecke des Schlosses in die Höhe und führt ein kleines Torgebäude, wiederum in der Ansehnlichkeit feiner Renaissance, auf den äußeren Burghof.
Auf eben diesem stehend hat man sogleich die schönste der vier Schloßseiten vor Augen. Eberhard von Gemmingen, aus der in der Umgegend seinerzeit reich begüterten freiherrlichen Familie, führte die zweistöckige Anlage 1579-83 aus. Man gewahrt hier die Vorderseite. Obgleich das dreiflügelige „Hufeisen" in diese Richtung geöffnet, verwehrt eine hohe Verbindungsmauer wehrhaft den Einblick. Die Wand wurde in Flucht der beiden Schmalseiten der nach vorne tretenden Ost- und Westflügel errichtet, so dass insgesamt der Eindruck eines sauberen Rechteckes (30x18 m) vorherrscht. Solcher abweisenden Geschlossenheit haucht denn die Renaissance vor allem in Gestalt zweier geschweifter Giebel (für die beiden Flügelschmalseiten) nicht geringe Schönheit ein. Plastische Gesimse unterteilen die Giebel, deren Schwünge am obersten Punkt durch große Steinmuscheln abgeschlossen. Des weiteren zeigen munter gestreute Öffnungen, gleich ob alt oder neu (für die Wohnungsnutzung), die stiltypisch profilierten Rahmungen jener bedeutenden Kunstepoche. Gleichsam das i-Tüpfelchen dieser Ansicht: das rundbogige Tor mit dem Schmuckstück eines großen und prächtigen Familienwappens — zu erreichen durch eine den Wassergraben überspannende Steinbrücke.

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Während von den Bauten der Vorburg nur noch weniges übrig, gefällt dessen Torbau noch überaus. Er fügt sich in wiederum gediegener Renaissance ganz vorzüglich zum eigentlichen Schlossbau. Ein großer Torbogen führt hindurch, und zumeist erfreut wiederum die Giebelansicht. Auf der Süd- und Nordseite des giebelständigen Baus kamen wie in zuvor beschriebener Weise die Giebel in sanfte Schwingungen. Auch fehlen die bekrönenden Steinmuscheln nicht; wurde wegen geringerer Höhe lediglich eine Gesimsunterteilung weniger untergebracht. Ohne von direktem Verfall bedroht zu sein, harrt der Torbau dennoch einer notwendigen Sanierung. Bei der Schlossinstandsetzung sparte man das kleine Gebäu aus, was umso trauriger, als auch solche Torbauten echte Rarität geworden.
     Und nach dem Vermerk, dass sich von einem Vorgängerbau, einem unbefestigten Rittergut, dessen Ursprünge bis ins 13. Jahrhundert zurückreichen mögen, nichts mehr ausmachen lässt, verbleibt denn nur noch der Weg über die Steinbrücke und der Blick in den (hoffentlich unverschlossenen) inneren Burghof. Hier wiederholt sich indessen das anspruchsvolle Bild der Außenansichten. Den freundlich hellen, gelb-gräulichen Wänden wurden auch hier feine Renaissance-Rahmungen für die Öffnungen “eingedrückt”. Aus gelbem Sandstein verfertigt, fügen sie sich in aller Beschaulichkeit ein. Mit besonderer Sorgfalt hat man den Hofgrund teils mit Splitt, teil vegetabilisch bedacht — gleich einem Willkommensgruß für den fremden Eindringling. Wie am Außenbau hat man auch im Hofe an einem Rundturm nicht wenig belebende Freude. Er tritt als Treppenturm aus der Nordwestecke in die Höhe. Kontrastreich zum übrigen Bruchstein führte er sein oberstes Stockwerk aus feingliedrigem Fachwerk aus — ein Bild, das durch die geschwungene Dachhaube nurmehr weiter verschönert.

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Ein übermütiger Patriot wollte wohl darauf pochen, dass dies reiche badische Land selbst in seinen geringsten Zipfeln noch verschwenderisch mit seiner Baukunst. Alleine dessen Schmunzeln würde dann verraten, dass hier die Übertreibung denn doch zu weit gegangen.



Quellen
1) die Bauwerke selbst - Stilmerkmale; Ort und Landschaft
2) Dr. Emil Lacroix und Dr. Heinrich Niester "Kunstwanderungen in Baden", Chr. Belser Verlag Stuttgart, Ausgabe 1959
3) Website
neuenstadt.de (Stein ist Ortsteil von Neuenstadt am Kocher)
4) Website
burgeninventar.de
5) Informationstafel vor Ort

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