Baukunst in Baden
  Abschnitt 2
 


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Wiederaufbau nach Zweitem Weltkrieg

...Die Stadt musste also wieder aufgebaut werden, zeitgemäß, modernistisch. Die Architektenschaft legte die entsprechenden Pläne vor, Pläne, die ein für alle mal aufräumen würden mit dem "Mief von 1000 Jahren". Was der barocke Strahlenkranz Markgraf Karl Wilhelms oder die klassizistischen Bauwerke Weinbrenners mit den Nazis zu tun hatten? Das blieb das Geheimnis jener tönenden, alles besser wissenden Generation der Wiederaufbau-Architekten. Das Schloss jedenfalls sollte weg, viel schicker wären ein paar Hochhäuser; und die Baublöcke der Stadt - um Himmels Willen - hinfort, Zeilenbauten statt dessen. Karlsruhe hätte aufgehört zu existieren, wäre versumpft zu einer Vorstadt-Siedlung.
Das aber war den meisten Entscheidungsträgern (oder den wichtigsten unter ihnen, darunter dem Bürgermeister) dann doch zu blöde. Die bedeutsamsten Gebäude immerhin wurden, zumindest dem Äußeren nach (dem für die Stadtgestalt ja Entscheidenden) mühevoll wiedererrichtet, darunter Schloss und Weinbrenner-Bauten; außerdem blieb der Stadtgrundriss weitgehend erhalten, hier und da zwar angefressen von modernistischen Ideen (man steht offenen Mundes vor diesen Geistlosigkeiten, bereit Munchs "Schrei" endlich auszustoßen), aber bis heute gut nachvollziehbar.
Wer bis dato sich verwunderte über das Ungestüm des gründerzeitlichen Stadtwachstums, der musste beim modernistischen völlig aus dem Häuschen geraten. Wie eine Welle schwappten die Industrie- und Wohnviertel ins Umland - eine Zeiterscheinung, häufig genug emphatisch gefeiert; außerdem notwendig, denn die Stadt wächst nunmehr an die 300.000 Einwohner-Grenze. Ästhetischen Grundsätzen folgte nichts davon - wohl funktionalen und zeitgemäßen, und außerdem war's gut für den Weltfrieden (oder was immer durch die Nacht bringt).


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...Das Hoftheater war ein Nachfolgebau Weinbrenners, welcher Raub eines fürchterlichen Brandes. Sehe man in ihm eines der Meisterwerke Hübsches, nach Schinkels Berliner Schauspielhaus und der Dresdner Semperoper das schönste Theater Deutschlands! In den frühen 1950er Jahren sah man's leider noch nicht so. Das Gebäude zeigte zwar Bombenschäden, hätte aber ohne weiteres wiederhergestellt werden können (Schloss und Markplatz waren stärker mitgenommen), alleine das schmuckvolle, prächtige Gebäude besaß nicht genug Fürsprache, ward schließlich abgerissen.
Heute sind hier die Glas-Naturstein-Kisten des Bundesverfassungsgerichts übereinander gemurmelt - und es liegt bestimmt nicht an der beherbergten Institution, dass einem darüber beinahe das Herz zerspringt. Ein Barbarenvolk muss uns überfallen haben, jeden Kunstsinn unterjochend - ja, eine funktionalistische Barbarei, die schlicht nicht im Stande eine das Auge erfreuende Ästhetik zu entwerfen. Alles ist glatt und blank, wie es scheint alleine darauf bedacht, die Blicke des Betrachters möglichst schnell und ungebremst "vorbeirutschen" zu lassen. Aber auch hier: wie ergreifend zeitgemäß! Lassen wir Goethe sprechen: "Die höchste Aufgabe einer jeden Kunst ist, durch den Schein die Täuschung einer höheren Wirklichkeit zu geben."[1] Der Mensch des 20. Jahrhunderts aber, das Säugetier als Zufallsprodukt der Evolution - es besitzt ja gar keine höhere Wirklichkeit mehr, warum also eine solche abbilden? Vielleicht aber gibt es dieser Tage nichts moderneres als entschieden unzeitgemäß zu sein. (aus Beitrag "Karlsruhe")


[1] Goethe "Gesammelte Werke Band 6 - Wahrheit und Dichtung", Bertelsmann 1954, S. 407
           
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Modernistische "Sanierung"

...Man findet im ehemaligen Altstadtbereich zahlreiche Partien, welche mehr oder weniger komplett im Stil unserer Zeit - Flair und urbane Qualität sagt diesen keiner nach. Am traurigsten vielleicht die Geschichte des sogenannten Dörfles, einem Quartier aus den Anfangstagen Karlsruhes, bewohnt von Arbeitern niederer Schicht, ärmlich wohl, keineswegs aber armselig, vielmehr, wie alte Bilder beweisen, erstaunlich heimelig. Das Quartier hatte den Bombenkrieg relativ gut überstanden. Saniert, wie Beispiele aus anderen Städten nahe legen, wäre es heute dank des kleinen Gebäudemaßstabs, der Lebendigkeit und natürlich trotz allem vorhandener, wiewohl moderater Fassadenausschmückung das urigste Viertel, eine echte Sehenswürdigkeit.
Die Sanierung kam auch, jedoch nur in Gestalt durch die Lüfte schwingender Abrissbirnen. Das Viertel wurde dem Erdboden gleich gemacht. Anschließend für Unsummen und seinerzeit gerne als Vorzeigeprojekt präsentiert der Charme der Wohnsilos implementiert. Heutigentags, die Fassaden des Modernismus können grundsätzlich und im Gegensatz zu den historischen, wie auch im Gegensatz zu allem Lebendigen (denke man sich einen Baum, besser noch das Antlitz des Menschen) nicht würdevoll altern. Ihr zunächst gerne gefeierter modischer Glanz besitzt eine verblüffend niedrige Halbwertszeit - hernach werden diese Bauten einfach unansehnlich wie liegengelassenes Obst.
Den peniblen standardisierten Fassaden jedenfalls tut nichts mehr weh als hundsgewöhnlicher Staub, der sich nirgendwo besser manifestiert als auf jenen glatten Flächen - und weil hier nicht das mindeste Ästhetische den Blick auf sich ziehen kann, erfasst das Auge umso leichter die dann immer irritierenden Schmutzflächen. Sei auch dies nochmals ausdrücklich vermerkt, im Absprechen der kunstgewirkten Ästhetik wird keinesfalls verunglimpft - die modernistischen Planer selbst lassen die Schönheit nämlich ganz offen außen vor, bestehen nie auf mehr als den funktionalen und noch lustiger den "zeitgemäßen" Ausdruck. Aber "zeitgemäß", was bedeutet dieses als Auszeichnung verwendete Adjektiv überhaupt? Auch die Leibeigenschaft oder der Judenhass waren einst erschreckend zeitgemäß; darin aber würde kein Mensch etwas Positives sehen - "zeitgemäß", das ist durchaus entlarvend, aber niemals a priori wertvoll. Entsprechend besitzt diese Einschätzung immer nur vorschützenden Charakter und entsprechend sieht das Dörfle heute aus (nunmehr kann man durchaus das Wort "armselig" benutzen). (aus Beitrag "Karlsruhe")


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