Baukunst in Baden
  Abschnitt 4
 


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Lebendigkeit - Monotonie

...Das zweite, und hier findet man sich im Bunde wiederum mit den badischen Vorzeigestädten, man verweigerte dem Modernismus die Altstadt. Der Modernismus, die Historie verwerfend (keineswegs nur das abscheuliche Nazi-Regime, sondern in Bausch in Bogen das Gesamtbild) überrumpelte ab den 1950ern so manche gutgläubige Bürgerschaft, das historische Stadtbild und ihre Bewahrer zur Zielscheibe ihres Spottes verurteilend. In Gengenbach aber stand die gesamte Altstadt ab 1955 unter Denkmalschutz. Ewiggestrig und unverbesserlich aus Sicht der Modernisten. Uns aber und unseren vom modernistischen Gebaue gepeinigten, ja vielmehr zu Tode gelangweilten Augen ein unschätzbarer Gewinn.
Und so zieht alles für den schönen Sonntagnachmittag nicht in die Wohnsilo-Viertel oder Industriezusammenballungen, mit welchen uns die modernistischen Planer ab den 1950er Jahren zu beglücken trachten, sondern an Orte, die uns selbst widerzuspiegeln scheinen, in Altstädte wie die Gengenbachs. Aus Sicht der heutigen, gerne mal wieder Hochhaus-züngelnden Modernistenschaft: unbelehrbar wie ehedem.
Wir aber bleiben Mensch und fassen hier in Worte, was für gewöhnlich zwar in aller Klarheit verspürt wird, dem Laien auszusprechen aber, erst recht ob der modernistischen "Luftteufelspielchen", denn doch eher schwer fällt. Wählen wir zu diesem Behufe die trefflichen Worte des Modernismus-Kritikers Brent Brolin: "Der visuelle Facettenreichtum traditioneller Bauten bedeutete, dass sich dem Betrachter, je näher er herantrat, Schritt für Schritt einzelne Schichten des Ornaments in ständig kleiner werdendem Maßstab erschlossen. Da sich fortwährend neues darbot, blieb das Auge beschäftigt und interessiert. Die ornamentlose Kahlheit moderner Architektur bereitet dem Auge selten lohnende Reize. Die modernen Bauten sind meist schon aus der Entfernung mit einem Blick zu erfassen ... Die Masse der einförmigen Kuben, langgestreckt oder hochaufragend, und der glatten, kahlen, mit ihrer starren Abfolge alternierender Wand- und Fensterbänder, beliebig ausdehnbaren Wandflächen, ausdruckslos und ohne Individualität. Hat man einige von ihnen gesehen, hat man sie alle gesehen. Nichts reizt dazu Näherzutreten, genauer Hinzuschauen, und so schauen die meisten auch nicht mehr hin."[1]
Und nun meine Wenigkeit: jene Aussage gilt, haben die Fassaden ihren modischen Glanz erst verloren (die geringen Halbwertszeiten überraschen immer wieder), für jedes(!) modernistische Gebäude. Wo sind denn die einst gefeierten Glanztaten der 50er, 60er, 70er, 80er, 90er Jahre? Niemand gewinnt ihnen noch Interesse ab. (aus Beitrag "Gengenbach")


[1] Brolin, Brent C. "Das Versagen der modernen Architektur", Ullstein Sachbuch 1976, S. 37         
          
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Der Modernismus ist zeitgemäß!

...Der historischen Bauten sind nur noch wenige in Hilsbach und werden von den Bauten des 20. Jahrhunderts, gleich ob von rücksichtslosem oder hilflos angepasstem Modernismus zahlenmäßig weit in den Schatten gestellt. Der Stil unserer Tage kann hier nunmehr seit 50 Jahren nach Belieben schalten und walten. Suche man sich doch die Stile aus: Romanik, Gotik, Renaissance, Barock oder Klassizismus und durchaus noch Romantizismus oder Historismus. Welcher Stil auch immer mit gleicher Anzahl Bauwerke, er würde für eine Sehenswürdigkeit nach der anderen gesorgt haben.
Und der Modernismus? Nicht für eine einzige! Oder welches Beispiel wollte man ernsthaft anführen? Das ist die offenkundige Scheidemarke, die man einfachst begreifen kann. Der Modernismus hat als Baustil nicht im Ansatze geleistet, was allen anderen Stilen billigste Selbstverständlichkeit. Er hat offen und vor aller Welt den Wert der Kunst geleugnet. Er stampfte einen obskuren Kanon aus dem Boden, plappernd von Funktionalität und zeitgemäßen Eindruck, als wären sie eigene Erfindung, schlimmer noch, als seien sie alleine maßgebend für das Gelingen unserer gebauten Umwelt. Und eines musste auf jeden Fall außen vor bleiben: die gewachsenen Gestaltungsspielregeln, die über Jahrhunderte, nein Jahrtausende maßgebend. Lassen wir Wilhelm von Humboldt sprechen: "Die Erweiterung unseres Daseins und unseres Wissens [falls sie interessiert!?] ist historisch nur möglich durch die Betrachtung des früheres Daseins." Der Modernismus musste einfach scheitern.
Aber darüber gelangt er tatsächlich zum zeitgemäßen Ausdruck. Die Religion als gesellschaftliche Wertevermittlerin abgeschafft, der Vernunftbegriff (spätestens) seit Kant von Philosophengeneration zu Philosophengeneration weiter ausgehöhlt, der Mensch als sinnerfülltes Wesen demnächst Auslaufmodell, ein (genetisch optimierter) Automat, programmiert nur noch auf Einlösung physischer Bedürfnisse - jene Entgeistung (Marx, du Fuchs, du gewinnst ja doch noch!), sie findet ihre 1:1-Entsprechung in einem Gebaue, das jeden höheren Wert von sich geworfen hat, die Kunst gleich einem Joch abschüttelte.
Der Mensch wie seine Gebäude stehen "nackt" da, Sinn-los. Die Ratlosigkeit, die sich dem einen oder anderem darüber doch noch entbreitet, vielleicht einer Kultur letzte Hoffnung. (aus Beitrag "Hilsbach")


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