Baukunst in Baden
  Teil II
 


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Die Zeit der letzten barocken Stil- und Spielart, des lustvollen Rokoko, ging unweigerlich zu Ende. Dessen die Sinne betäubendes Spiel, das Flimmern aus unendlichen Schnörkeln, Verkröpfungen der Gesimse, sich x-fach zurückstufender Pilaster, der Flut die gesamte Fassade überspülender Ornamente, welches schließlich aller Statik zu spotten schien, indem die Gebäude selbst in Fluss gerieten, alles in Rundung, alles in Wölbung bringend, die Natur zum Vorbild das Ornament und schließlich die Baukörper selbst lebensprall ins Organische übersetzend, hatte Europa in eine lustvolle geradezu rauschartige Begeisterung versetzt. Niemand wollte etwas wissen von ablesbaren Baukörpern oder leeren Flächen oder graphischem Fassadenschmuck - jeder Baukörper wurde verschleiert, gleichsam in einen Mantel aus Ornamenten gehüllt; Flächen konnten nie genug Dekor aufweisen, jeder noch so kleine Fassadenabschnitt fand liebevolle und geistreiche Ausfüllung; gerade Linien galten als verpönt, schlicht langweilig und so wurde jedes Bauteil früher oder später von der Idee der natürlichen, der lebensvollen Rundung ergriffen, aus der Härte und Künstlichkeit der Geraden die Weichheit der Rundung, der Natur selbst.
     Von Region zu Region hatte man sich entsprechend der finanziellen Möglichkeiten an verschiedensten Ausbildungsstufen ergötzt. In Karlsruhe beispielsweise ging es durchaus noch diszipliniert, beinahe zurückhaltend, geradlinig und ohne großen Pomp vonstatten, begründet in den Verhältnissen der Markgrafschaft, die in Rücksichtnahme auf die wenig begüterte Bevölkerung nicht einmal in der Hauptstadt selbst zu großen Sprüngen ansetzten wollte.
     Jedoch galt für Europa insgesamt, dass das freudvolle barocke Formenspiel der Oberflächen gegen Ende des 18. Jahrhunderts endgültig ermüdete. Die Fassadenbühne war des verschleiernden Spiels der barocken Stilarten endgültig satt - mochte auch das eine oder andere Land den unvermeidlichen Nachzügler stellen.
     Immerhin brach eine neue Zeit an. Die Aufklärung befleißigte sich raumgreifender Schritte und in dessen Folge sah sich der alte Absolutismus in so mancher Parallele zum untergehenden Rokoko. Wie dem auch sei, ein Mann namens Napoleon schaffte schließlich Fakten. Er unterjochte Europa, schuf beinahe nach Belieben neue Staaten, gerne auch auf den Trümmern des untergegangenen Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Der Zeitgeist nannte sich Vernunft und war bald auf Seiten Napoleons, dann auf Seiten der letztendlichen Sieger. Die Zeitenwende ins 19. Jahrhundert hatte ganz unweigerlich als neue Epoche zu gelten.

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Für Architekten zumindest ist dies herrlichste Zeit. Meist vor allem mit den schönen Künsten beschäftigt und eher vage mit Politik, bilden ihnen epochale Umschwünge dennoch die vorzügliche Gelegenheit eigene, welche zumindest bei den besseren des Genres immer auch neue Formvor-stellungen beinhalten, als unabwendbar verquickt mit der neuen Zeit auszugeben, und etwaige Opposition süffisant mit diesem in der Tat kaum schlagbaren Verweis aus dem Felde zu räumen. Dass sich beispielsweise in Berlin der Palladianische Klassizismus evolutionär und keineswegs revolutionär aus dem Barockstil entwickelt hatte und in Schinkel letzten Endes "nur" Vollendung fand, tat dieser Ansicht nicht den mindesten Abbruch. Mancherorts trat der neue Stil zwar durchaus revolutionär auf, jedoch nur weil er sich zuvor in anderem der Entwicklung der Architektur dienlicherem geistigen Klima (neben Berlin natürlich und vor allem Paris) in fein abgestimmten und verträglichen Schritten zu dem erbaute, was man heute gemeinhin Klassizismus nennt. 
     Der Klassizismus, oder wie man tatsächlich dachte (der Klassizismus ist ein Stilbegriff des 20. Jahrhunderts): die endgültig wahrheitsgetreue Anwendung des architektonischen Kanons der Antike war zusammen mit ein wenig Gotik bald konkurrenzlos Ausdruck der neuen Zeit. Der Barockstil besaß überhaupt keine Wahl mehr, er musste einfach verschwinden - auf der Bühne der Architektur war man nicht minder kompromisslos wie Napoleon auf der der Politik, und damit war man tatsächlich dem Zeitgeist verpflichtet. Der Architektur jedenfalls tat's gut und der ermüdete Barock sollte lange Zeit auf Rehabilitation harren müssen.
     Auch im Großherzogtum Baden tritt der Klassizismus im Stile Weinbrenners unter bestimmten Gesichtspunkte evolutionär auf. Das gilt zwar weniger für das Gebiet der alten Markgrafschaft, die unter Weinbrenner durchaus eine glückliche Architektur-Revolution beäugen durfte, aber im Zuge der enormen Vergrößerung zum Großherzogtum hatte man sich die Kurpfalz (in beachtlichen Teilen) und Vorderösterreich einverleibt und damit zugleich die frühklassizistischen Höhepunkte D'Ixnards und De Pigages. In der Markgrafschaft selbst hätte man schon ganz genau hingucken müssen, um auch hier vor Weinbrenner die hauchzarte klassizistische Strömung zu erkennen, die sich gegen Ende des 18. Jahrhunderts dem ungebrochen barocken Entwurf gelegentlich beimischte. Die markgräfliche Kelter in Bühl [9] arbeiteten durchaus schon mit dem körperhaften Moment und das Zeughaus [10] in Karlsruhe neben diesem mit einer disziplinierten Pilaster-Ordnung bar jeder Verspieltheit. Aber das alles eben nur am Rande. In der Hauptstadt Karlsruhe standen sich in scharfem Gegensatze Louis XVI - Barock und zunehmend Weinbrenner-Klassizismus gegenüber. Das Spiel an der Oberfläche, die Verschleierung des Baukörpers durch Ornamentik galt fortan als schlechtes Beispiel, jedoch nicht ohne einen effektvollen kontrastierenden Hintergrund für die (zumindest vordergründig) diametral entgegengesetzten Bauwerke im Weinbrenner-Stil. 
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[9], [10] Fußnoten als Bildnachweise finden sich im Abschnitt "Anhang" 

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Das gesamte Streben Weinbrenners galt dem monumentalen Ausdruck, der kraftvollen Wirkung des Bauwerks. Oben wurde auf Palladio und vor allem auf die Revolutionsarchitektur und dessen Einfluss auf die Interpretation seines römischen Fundaments hingewiesen. Wege zur Monumentalität finden sich verschiedene, für Weinbrenner kam nach dieser Vorbildung in erster Linie die ausdrucksstarke Wirkung von Massen, von unverstellt zur Schau gebrachten Baukörpern in Frage. Gerne nimmt Weinbrenner auch die monumentale Konzeption von Kolonnaden oder des Säulen-Portikus zu Hilfe (wobei er die vor allem in Rom erlernten Säulenordnungen nie sklavisch einsetzt, vielmehr in Rücksichtnahme auf die Gesamtwirkung komponiert), im Vordergrund aber steht beständig die wuchtige Wirkung von klar ablesbaren Baukörpern.
     Hiermit gehört Weinbrenner auf deutscher Seite und auch zeitlich in die Riege David Gilly, Heinrich Gentz, Peter Joseph Krahe, Peter Speeth. Deren monumentales Bestreben galt gleichfalls dem Baukörper. Nicht in diese Reihe ordnen sich die gemeinhin preferierten Karl Friedrich Schinkel und Leo von Klenze, die als Klassizisten der nächsten Generation die Monumentalität der Säulenordnung suchten. Zwar arbeitete auch Schinkel in nicht geringem Umfange mit klar ersichtlichen Baukörpern (Schloss Charlottenhof, Vorstadtkirche Wedding, Schinkel-Pavillon beim Schloss Charlottenburg, etc.), jedoch setzte er sie stets für elegante, strenge, mitunter auch dynamische Wirkungen ein, dagegen nie um den wuchtigen massigen Ausdruck der "Weinbrenner-Riege" zu erzielen.
     Architektur muss freilich mehr bieten als nackte Baukörper, dementsprechend bilden sie für Weinbrenner und dessen Schüler eine Art Grundlage für weitere gestalterische Maßnahmen. Um der Monumentalität zu vollendeter Geltung zu verhelfen brachten sie also das Moment der Ausdrucksstärke ein. Durch stets nur sparsam eingesetzte Gestaltungsmittel erzielte man den monumentalen Neubauten einen bildhaften (eben ausdrucksstarken) Charakter - in einem weniger strengen Sinne als Ledoux's kann durchaus von sprechender Architektur die Rede gehen.
     Soviel jedenfalls hat man Weinbrenner zuzugestehen, seine Gebäude haben preisgebenden Charakter, d. h. man sieht den Bauwerken an welche Funktionen sie beherbergen: das Bürgerhaus sieht aus wie ein Bürgerhaus, das Stadtpalais wie ein Stadtpalais, Rathäuser entsprechend, Bauten des großherzoglichen Hofes waren sofort auszumachen, Kirchen haben eindeutig sakralen Charakter. 

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Weinbrenner erzielte die verschiedenen Charaktere in erster Linie durch Abstufung der Monumentalität. Das Haus des einfachen Bürgers besitzt bei kargem, aber immer anständigem, diszipliniertem Fassadenaufbau ein nur geringes Maß an Monumentalität. Gebäude des gehobenen Bürgertums und Stadtpalais des Adels oder auch die Rathäuser der kleinen Gemeinden, oder Kasernen des Militärs weisen eine angepasste, moderate Monumentalität aus. Die Gebäude des Hofes endlich (Wohngebäude oder staatliche Institutionen) und allen voran die Kirchen zeigen das höchste Maß an Monumentalität, "nötigen" dem Betrachter mit Leichtigkeit Respekt ab.
     Den Ausdruck von Monumentalität ergänzte Weinbrenner zum beschriebenen Zwecke um eine gleichfalls abgestufte Anwendung der Säulenordnungen. Bürgerhäuser erhielten in diesem Sinne zumeist weder Pilaster geschweige denn Säulen, ganz einfach, weil diese für die Bauherrschaft nicht bezahlbar. Stadtpalais des Adels oder des Bürgertums, kleine Rathäuser und Kasernen nahmen weitgehend vorlieb mit Pilasterordnungen (dorische oder höchstens ionische Kapitelle). Die wirkliche Verwendung von Säulenordnungen fand sich nur bei Gebäuden höchster Monumentalität, wobei die dorische, ionische und korinthische Ordnung zum Einsatz kam und gleichermaßen bei Gebäuden des Hofes wie bei Kirchen zu finden sind. Bei Weinbrenners großen urbanen Werken dominieren die ionische und korinthische Ordnung. Zweifellos hat man Weinbrenner für die Sichtbarmachung der umbauten Funktion zu loben, jedoch braucht man darum nicht allzu viel Aufhebens machen, denn die Charakterisierung der Gebäude war durch alle Stile hindurch beherrscht worden. Erscheint dem Betrachter jetziger Zeit dieses als besonderer Verdienst, so nur deshalb weil der heutigentags herrschende Modernismus jeden noch so verschiedenen Gebäudetyp (Wohngebäude, Museum, Krankenhaus, Altersheim, etc.) mit zweifelhaft gleichmacherischem Charme überzogen hat. 
     Weinbrenners Bauten standen einige Jahrzehnte als dessen (zusammen mit Georg Moller) sicher talentiertester, aber vom Lehrmeister abfallender Schüler Heinrich Hübsch (Mitbegründer des nachfolgenden Romantischen Stils) in ihnen eine "Purifizierung" der Architektur zu bemerken glaubte. Das war nicht falsch, in mancherlei Hinsicht (wie gleich darzulegen sein wird) zog Weinbrenner tatsächlich eine Purifizierung der Baukörper durch Weglassung der Ornamentik durch. Vor dem Hintergrund der originären Ausdrucksstärke der Werke im Stile Weinbrenners gereicht diese alleinige Qualifizierung jedoch zum bösen Missverständnis.

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Wenden wir uns nun dem konkreten Vorgehen Weinbrenners, den schließlich umgesetzten Bauwerken zu. Hat man, wie oben geschehen, die Abkehr vom müden Barock, die kontrastierende Andersartigkeit der Gebäude Weinbrenners sattsam beschrieben, so kann man guten Gewissens auch auf Kontinuitäten, auf vor diesem Hintergrund zum Teil erstaunliche Kontinuitäten zum Vorgängerstil hinweisen. Mag die Fortführung des barocken Stadtgrundrisses der Hauptstadt Karlsruhe noch offenkundig sein, so erbaut sich die der stereotypen Bauaufgaben und nicht minder die der zum Einsatz gelangenden Stilmittel frühestens auf den zweiten Blick. Letztere soll dargestellt werden im Zusammenhang mit den typischen Bauaufgaben, die sogleich Punkt für Punkt zur Anschauung kommen.

Umsetzung: Zunächst aber noch zum Stadtgrundriss Karlsruhes, respektive zu Weinbrenners Verfahren mit diesem. Der überaus markante strahlenförmige Plan, mit dem stadtgründenden Mittelpunkt des Residenzschlosses, das gleichzeitig die blockmäßig bebaute Stadtpartie von der in nicht geringerer geometrischer Strenge erstellten Parklandschaft des Schlosses trennt, war bei Amtsübernahme Weinbrenners kaum weit gediehen. Die nicht einmal 100 Jahre zählende Neustadt konnte als Kapitale der stets bescheidenen Markgrafschaft den Umständen entsprechend nur auf nicht minder bescheidenes Wachstum verweisen. Mit dem von und endlich gegen Napoleon erwirkten beachtlichen Aufstieg zum Großherzogtum genügte der alte Stadtmaßstab längst nicht mehr. Nun tritt also Weinbrenner an, dem Barockstil kein gutes Haar lassend, konfrontiert mit einem absolutistischen Stadtgrundriss, wie er "barocker" gar nicht hätte sein können.
     Man kann den Weitblick Weinbrenners kaum genug loben, dass er trotz aller Vorbehalte gegen den den Stadtplan formenden Stil, nie auch nur versteckt gegen diesen angearbeitet hat. Ganz im Gegenteil, man muss beinahe verblüfft sein, über das Maß an entgegengebrachter Toleranz.
     Weinbrenner baut den noch in Kinderschuhen befindlichen Stadtgrundriss in dessen ureigenstem Sinne planmäßig weiter. Die Raumwirkungen blieben im Grunde dieselben, wenngleich natürlich die Stadträume fortan von ("nackten") Baukörpern, statt wie bisher von verzierten Fassaden bestimmt wurden.

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Der Klassizist Weinbrenner wurde ungeschminkt zum Vollender des barocken Stadtsystems, das weltweit keinen stilinternen Vergleich zu scheuen hat. Das Ereignis Planstadt gelangte unter Weinbrenner zu ihrer höchsten Blüte - nie, weder vorher noch danach, lies sich die Stadt Karlsruhe freudvoller bestaunen. Wer immer nach Weinbrenners Tod dessen sich immer stärker verändernden Posten besetzte entstellte durch bestenfalls wenig angepasste Erweiterungen dieses unerhörte Kunstwerk.
     Weinbrenner sah natürlich auch, dass die Idee eines strahlenförmigen Grundrisses früher oder später an Grenzen stößt. Er lässt das begonnene System soweit gewähren als möglich, und greift auch danach, gleich ob ausgeführt oder von den Nachfolgern verworfen, nur behutsam und in Rücksichtnahme auf die geschaffene Struktur ein. Sehr zum Schaden der Stadt, wurde die visionäre Planung einer Süderweiterung nach dem Tode des Künstlers nicht mehr ernstgenommen. 
     Im Falle der von Friedrich Weinbrenner und seinen zahlreichen Schülern im Zuge des Stadtausbaus Karlsruhes und natürlich anderer badischer Städte und Dörfer sich wiederholenden Bauaufgaben soll schrittweise vorgegangen werden. Nachfolgend stellen sich in der gebotenen Kürze folgende bauliche Typen vor: die großen urbanen Werke, Stadtpalais, Bürgerhäuser nach Modellvorgaben und schließlich der gewichtige Kirchenbau. Spätestens nach Betrachtung dieser vier Punkte sieht sich Weinbrenners Werk erstaunlicherweise und entgegen der rhetorischen Keulen, die Weinbrenner gerade in seiner Anfangszeit in Karlsruhe immer wieder gegen den Barock schwang, in beachtlicher Kontinuität zu dem seit seiner Übernahme der Verantwortung historisch werdenden Vorgänger-Stil.
     Auch ein Karl Friedrich Schinkel zollte dem verbindenden Charakter der Kontinuität erheblichen Tribut. In Anbetracht (nicht nur) des Brandenburger Tores von Langhans kann er kaum anders denn als Vollender des in Berlin lange schon beheimateten klassizistischen Stils gelten. Weinbrenner dagegen ist für Karlsruhe in Stilfragen durchaus revolutionär - das evolutionäre Moment gehört, wie besprochen, dem Karlsruher Stadtgrundriss und den (nicht nur) hier anfallenden typisierten Bauaufgaben. Revolutionär gab sich Weinbrenner gerne in Stilfragen - auf den ersten Blick unbezweifelbar, dann aber findet sich ebenso Kontinuität und dann soll - gemeinsam mit Heinrich Hübsch - auch von "Purifizierung" die Rede sein.

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Der Anfang gebührt den großen und zugleich bedeutenden urbanen Werken, die als Salz dem barocken Stadtplan Karlsruhes eine klassizistische Würze sondergleichen verpassten. Außer dem Kurhaus für Baden-Baden fanden nämlich alle anderen ihren Platz in der Kapitale, die mit dem Tode Weinbrenners tatsächlich klassizistischen Charakter trug. Der Stadtgrundriss blieb barock, aber der allenthalben vor Augen stehende Inhalt der Stadt zollte dem Klassizismus.
     Das war kein Wunder, vielmehr gerade durch die großen urbanen Werke Weinbrenners begründet: Die Marktplatz-Bauten Rathaus und evangelische Stadtkirche, das Markgräfliche Palais am Rondellplatz, das Ettlinger Tor [11] (abgebrochen), das die sogenannte Via Triumphalis (den wichtigsten Straßenzug des Strahlensystems) einläutete, der über vorgenannte Rondellplatz und Marktplatz endlich vor dem Eingangsportikus des Schlosses zum Stehen kam, die Pantheon-Interpretation Sankt Stephan und schließlich die Währung gewährleistende staatliche Münze. Demgegenüber vertrat sich der Barockstil im Sinne großer öffentlicher Bauten einzig mit dem stadtgründenden Residenzschlosse. Der Vorteil lag eindeutig auf Seiten des Klassizismus.
     Für die angekündigte Kontinuität lässt sich zwar anführen, dass Weinbrenner wie ehedem die öffentlichen Bauten als Salz der Stadt verstand und sie gebotener Dimension entsprechend ausführte und auch an die bevorzugten Stadtplätze stellte, aber solches Vorgehen war nicht weniger als zwingend und kann Weinbrenner kaum den "Tadel" barocker Vorgehensweise einbringen. Um so mehr findet sich hier  passende Gelegenheit auf fortschreibende gestalterische Ideen einzugehen, boten doch die großen urbanen Werke mehr als alle anderen die Möglichkeit die Grundsätze seines architektonischen Programms anzuwenden. Weinbrenner erstrebte die Wirkung reiner (Bau-)Körper - dafür verwendete er das zumindest den hiesigen Barock dominierende Material des einfachen Verputzes. Die wuchtigen Baukörper wirken durch diese optisch weiche Oberfläche bei aller Monumentalität nie abstoßend, ein Umstand der in Anbetracht des kraftvollen, wuchtigen Auftretens kaum genug Würdigung finden kann - die monumentalen Werke bringen den Betrachter in Erstaunen, lassen ihn Respekt zollen, aber sie erniedrigen nicht, machen ihn niemals klein. Auch liegt hierin das Geheimnis um das erstaunliche Maß an Homogenität, das sich bei mitunter lebendiger Durchmischung von klassizistischer und barocker Architektur bei "Vollendung" Karlsruhes nach dem Tode Weinbrenners feststellen lies.

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