Kirche in (Billigheim-)Ingenheim, Rheinland-Pfalz / Friedrich Samuel Schwarze / 1822-23
Kirche in der bayrischen Pfalz (heute Rheinland-Pfalz), wie sie im Großherzogtum Baden unter direkter Ägide Friedrich Weinbrenners nicht anders hätte aussehen können.
Der Architekt Friedrich Samuel Schwarze, dem als Baudirektor die gesamte Pfalz unterstellt war, hatte einige Jahre in Berlin Eindrücke gesammelt — namentlich fungierte David Gilly in Lehrer- und Vorbildfunktion. Bei anderen Bauten Schwarzes lässt sich dieser Einfluss auch ganz deutlich ablesen.
Für die Kirche zu Ingenheim jedoch — wir schreiben das Jahr 1822, der Name Weinbrenner ist deutschlandweit nunmehr Begriff — besaß der Klassizismus des benachbarten Großherzogtums offenbar unwiderstehliche Anziehungskraft. Anders jedenfalls kann man das Ingenheimer Ergebnis kaum beurteilen. Die Regeln Weinbrenners wurden geradezu penibel befolgt: der Kirchturm als vertikaler Baukörper, herausstrebend aus dem horizontalen des Kirchenschiffes und dabei die Konzeption des primären Grundtyps wählend, also den Haupteingang symmetrisch durch den vorderseitigen Turm führend.
Der Kirchturm selbst besitzt die typische Zweiteilung, wobei der Korpus (unterer Turmabschnitt) eine nicht minder typische lange und tief einschneidende Rundbogennische vorzeigt. Sie widmet ihre Negativform dem Eingang mit Balkenverdachung auf Rollwerk-Konsolen, einem Rechteck-Fenster, dessen Öffnung sich zweier Pfeiler und einem Gebälk verdankt, und schließlich einem Thermenfenster, das passgenau den Bogen der Nische ausfüllt. Ein Gesimsband beendet den Turmkorpus und führt gewohnt das Glockengeschoss ein. Auch dieses wieder ganz Weinbrenner: vier kräftige Eckpilaster tragen einen umlaufenden Gebälkstreifen, einen Balkenkopfkranz und endlich das mit dem Kreuz schließende geknickte Zeltdach. Das Kirchenschiff ist der bekannt rohe Rechteckkörper auf niedrigem Sockelstreifen, gedeckt per Satteldach mit Dreiecksgiebel, die Seitenfassaden durch Rundbogen-Fenster gliedernd.
Freilich weist die Kirche zu Ingenheim auch individuelle Eigenarten auf, die aber ganz in dem selbstbewussten Rahmen bleiben, wie sie ihn auf badischer Seite Weinbrenner-Schüler wie die Arnolds, Voss, Thierry oder Dyckerhoff für sich absteckten. Zu nennen sind hier das mittige horizontale Gesimsband, das das Schiff unüblich in zwei horizontale Partien unterteilt, und die unterschiedliche formale Behandlung der vier dem Durchlass des Glockenschlags gewidmeten Öffnunge: auf der Vorderseite schaffen kleine Rechtecksäulen die entsprechende Öffnung, auf den Rück- und Seitenfassaden Rundbogen-Fenster.
Baukörperkonzeption und Detailsprache verweisen unverblümt auf die Architektur Friedrich Weinbrenners; das Ergebnis — das pfälzische Ingenheim besitzt im Dorfkörper ein ausdrucksstarkes, auffällig monumentales Gotteshaus, wie es auch so manchem badischen Dorfe sehr gut ansteht.
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Quellen
1) das Bauwerk selbst - Stilmerkmale und Wirkungen; Betrachtung des Gebäudes vor Ort
2) Autorenkollektiv "Kirchen, Dome und Klöster Kunst und Kultur in Rheinland-Pfalz", Ahrtal Verlag, 1982
3) Website http://www.evpfalz.de/ingenheim
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