Baukunst in Baden
  Rinnthal Kirche (06)
 



ein Bild
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Evangelische Kirche in Rinnthal, Rheinland-Pfalz   /   Leo von Klenze   /   1831-34

Leo von Klenze und Karl Friedrich Schinkel als gemeinhin preferierte Architekten des Klassizismus in Deutschland gehören im Blick auf Weinbrenner zur nachfolgenden Generation. Als Vollender des klassizistischen Stils, wobei hier Schinkel deutlich vor von Klenze, differieren ihre formalen Grundsätze innerhalb des Kanons des Klassizismus nicht unerheblich von denen Gillys, Gentzes oder eben Weinbrenners. Die dominante Wirkung von Baukörpern und des gerade im Falle von Weinbrenner römischen Vorbildes wurde zurückgedrängt zugunsten der Wirkung von Säulenordnungen und der griechischen Antike. Die Monumentalität des Baukörpers wich der der Säulenordnung, und der wuchtige massive Eindruck dem der Strenge und Eleganz. Wenngleich Klenze und mehr noch Schinkel die Idee des unverstellten Baukörpers keineswegs ablehnten, so trachteten sie dennoch auch im Falle seiner Anwendung nach kühler Strenge und Erhabenheit. Dem kam der Wunsch nach anderer Oberfläche zugute; statt optisch weichem Verputz gelangte der härtere und der strengen Wirkung bestens zutragende Naturstein zum Durchbruch.
     Von Klenzes große Werke sind bekannt: die klassizistischen der Glyptothek, der Propyläen, der Ruhmeshalle, der Walhalla, etc. und die der Neo-Renaissance verpflichteten der alten Pinakothek und der Eremitage in St. Petersburg. Allesamt sind bei großer Detailsorgfalt einem strengen und eleganten Ausdruck gewidmet und erstere eben der Monumentalität der Säulenordnung. Von Klenze realisierte auch in badischen Gefilden ein Bauwerk (gar sein letztes Bauwerk!), die Stourdza-Kapelle in Baden-Baden [29], welche am ehesten zu seinen klassizistischen Werken zählbar und ihnen gleich den zuvor beschriebenen Unterschied zum Stil Weinbrenners deutlich erkennen lässt. Ein anderes Gebäude von Klenzes dagegen kommt diesem erstaunlich nahe, und wenn dieses auch nicht innerhalb der Landesgrenzen des Großherzogtums errichtet, so doch immerhin nicht allzu weit entfernt im zur bayrischen Pfalz (heute Rheinland-Pfalz) gehörenden Rinnthal.
     Im kleinen Rinnthal gibt es ein gleich zwiefaches Kuriosum zu bestaunen. Zum einen wirkt die zweifelsohne lobenswerte Kirche in dem kleinen zwischen den Bergen des Haardts eingeklemmten Dorfe zwar überaus reizvoll, zugleich aber eingedenk des Ortes durchaus überinszeniert — nicht ohne Grund glaubt der Volksmund von vertauschten Bauplänen zu wissen. Zum anderen, und das nicht weniger aufregend, führt von Klenzes Rinnthaler Kirche eine kleine und zugleich die wunderbarste Variation der Evangelischen Stadtkirche Karlsruhes (Sammlung '1', Nummer 25) vor Augen. Im Falle des Rinnthaler Gotteshauses erfuhr von Klenze überaus große Inspiration durch Weinbrenner. Hierin liegt auch die Erklärung, warum diese Kirche entgegen der Wirkung der zuvor genannten Werke von Klenzes einem wuchtigen Ausdruck zuspielt und dem bis hierher durchgedrungenen Leser kaum als ein dem Buche gewaltsam zugeführter Fremdkörper erscheinen wird.
     Die große Übereinstimmung mit der Karlsruher Stadtkirche beginnt beim Säulen-Portikus in seiner römischen vertikalen Proportion, manifestiert sich aber vor allem an der kurz darauf folgenden Art der Turmanlage. Ganz dem Karlsruher Beispiel folgend wurde diese markant zweigeteilt, den unteren Abschnitt als scheibenartigen Block konzipierend, welcher besonders deutlich am Anteile über dem Dache erkennbar und darunter an den rechts und links in Flucht der Kanten platzierten Pilastern. Darüber ruht nun der zweite Abschnitt, welcher bei gleicher Tiefe in der Breite auf einen insgesamt quadratischen Querschnitt zurückweicht. In gleicher Analogie eine weitere Zweiteilung in einen körperhaften unteren Abschnitt, der abgetrennt von einer umlaufenden Galerie gleichsam den Sockel für den dann folgenden zweiten Abschnitt, das Glockengeschoss, bildet. Gerade hier wird die Nähe zu Weinbrenner überdeutlich: die untere Strecke körperhaft, dann die auf Rollwerk-Konsolen lagernde Galerie mit filligranem Eisengeländer, schließlich die Spitze, die dank vierer Eckpilaster in kontrastierende konstruktive Wirkung geht. Einzig im Falle des fehlenden Gebälks und des andersartigen Daches, das in Gestalt von vier Dreiecksgiebeln dem bei Weinbrenner üblichen geknickten Zeltdach absagt, findet man Abweichung.
     Der einzige wirkliche Unterschied, der dem Gebäude endlich das Lob der Variation und nicht den Tadel der  Kopie einbringt, liegt in der Anordnung des Schiffes, welches hinter der Turmanlage und bei gleicher Breite  entgegen Weinbrenners Original nicht gleichzeitig mit dem Säulen-Portikus von vorne und entsprechender geringerer Breite stumpf gegen die Turmanlage stößt. Im Grunde hat von Klenze das Schiff vorne "herausgeschnitten" und (bei vergrößerter Breite) hinten angeschoben.
     Das Talent von Klenzes tat ein übriges um durch eine hochwertige Gestalt der sparsam eingesetzten Details einen ausgezeichneten Kirchenbau zu schaffen, der dem Pfälzer Wald ein erbauliches klassizistisches Kleinod schenkte.
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Quellen
1) das Bauwerk selbst - Stilmerkmale und Wirkungen; Betrachtung des Gebäudes vor Ort
2) Autorenkollektiv "Kirchen, Dome und Klöster Kunst und Kultur in Rheinland-Pfalz", Ahrtal Verlag, 1982


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