Baukunst in Baden
  Schloß Dallau
 



Am Dallauer Schloss lässt sich mittelalterliche Rustikalität und funktional gebundenes mittelalterliches Formenverständnis bewundern. Insbesondere die Südseite weiß zu ergreifen, führt oder besser verschmilzt ganz ungeniert eine der beiden Giebelseiten des länglichen, steil aufragenden und gut erhaltenen Palas’ mit einem gedrungenen runden Eckturm und obendrein eine kurze Strecke einst wehrhafter Ringmauer. 
     Diese unbedarfte mittelalterliche Zusammenführung schlägt von selbst einen Bogen zum nur rund 10 Kilometer entfernten “Tempelhaus” des Mosbacher Stadtteiles Neckarelz, wo gleichfalls Burgbau und Turm spannungsvoll ineinander geschoben. Hier wie dort war der Deutsche Orden Bauherr. Aber sehe man darin keineswegs ein bauliches Markenzeichen der geheimnisumwitterten Rittergemeinschaft. Nein, solche Verschmelzungen von Baukörpern waren schlicht mittelalterliches Allgemeingut. Und wo sie seinerzeit aus funktionalen, gerne wehrtechnischen Erwägungen entstanden, so erfreut heute das aufreizende, ja spektakuläre einer solchen Formation.
     Die Geschichte des Schlosses am Bachlauf der Elz, im Westen des Elztaler Hauptortsteiles Dallau hebt wohl schon im 8. Jahrhundert an, kommt allerdings als “Veste Talheim” erst 1336 zur (erhaltenen) schriftlichen und damit gesicherten Erwähnung. Ortsadel, die Herren von Heinriet bauten, mussten Zerstörung hinnehmen, bauten wieder und rätselten schließlich vor genauso wiederholter Demolierung. Dann trat ein mächtigerer Bauherr in die Presche, erwarb 1416 käuflich, um endlich ab 1438 die Ruinen wieder in geschlossenes Bauwerk zu überführen. Jene Tage also des Deutschen Ordens waren zweifellos die glücklichsten des Schlosses. Der noch heute vor Augen stehende Palas mit den beiden monumentalen Staffelgiebeln entstand im Laufe der Zeit (letzte Baumaßnahmen zu Beginn des 16. Jahrhundert) auf noch vorhandenen Grundmauern des Vorgängers. Außerdem legten sich viereckig Ringmauern mit Wehrgängen an besagten Palas, die Ecken vier runden Türmen vorbehaltend, wovon der südliche das glückliche Schicksal des Palas teilt. Schließlich sicherte noch eine zweite Ringmauer und ein breiter Graben, der als wasserbefüllter das Schloss zum Wasserschloss kürte. Dem nicht genug fanden die Ordensritter auch eine an Größe nicht nachstehende Vorburg empfehlenswert; diese kam zwar nicht in selber Wehrhaftigkeit, ward aber immerhin ummauert und mit einer größeren Gartenpartie gleichfalls in begünstigende Insellage versetzt. Am Ende jener baulichen Entwicklung, Mitte des 17. Jahrhunderts, fand man im Schloss Dallau also gleich eine ganze Anlage aus Häusern, Mauern und Türmen, Wassergräben und Brücken. Trefflich anzusehen und der Höhepunkt der Veste. 

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1668 wechselte die Besitzerschaft, kam die Kurpfalz. Das freilich brachte die Burg in seinerzeit noch mächtigere Hände, alleine dieselben (und nicht nur diese) konnten fortan von Jahrzehnt zu Jahrzehnt mit solchen Einrichtungen immer weniger anfangen. Die fortschreitende Entwicklung der Kanonen gab die wehrtechnische Bedeutung der mittelalterlichen Anlage der Wertlosigkeit anheim; ein allgemeines Schicksal, und ebenso allgemein der Verfall der stolzen Anlage, schlicht aus Vernachlässigung. Manches, insbesondere die wehrhaften Mauern wurden denn im 18. Jahrhundert auch willentlich abgetragen, waren nicht mehr nur nutzlos, auch nämlich dem barocken Schöngeist als unschick erkannt (und dann gerne als billiger Steinbruch angesehen).
     So wuchs also im 18. und 19. Jahrhundert der Ort Dallau, das Schloss aber ward immer kleiner. Eine Entwicklung, die glücklicherweise vor dem Palas nebst Rundturm innehielt. Eine Restaurierung der 1980/90er Jahre brachte schließlich die Rettung des runtergekommenen Gebäus. Welch’ Glück — denn solch entschieden Mittelalter atmender Charakter ist eine echte Seltenheit für badische Lande, welche zwar allenthalben auf mittelalterliche Ruinen, selten genug aber auf intakte Bauten dieser Epoche verweisen können.
     Tritt man also noch mal vor das lustig rustikale Gebäu mag man sich an der Rohheit nur umso mehr ergötzen. Und man reibt sich ein wenig verwundert die Augen über die tatsächlich gefällige Wirkung, die doch so wenig kunstvoll daherkommt. Das Gebäu erweckt jedenfalls Anteilnahme, fordert zur Umrundung förmlich auf. Freilich lockt die fremde, die mittelalterliche Gestaltungswelt, ergreift zumeist die eingangs beschriebene Verschmelzung von Palas und Rundturm. Aber da ist doch auch mehr als nur Rohheit der Baukörper. Allenthalben nämlich blitzt die individualisierende handwerkliche Fertigung durch, die unseren durch die modernistische “Perfektion” der Fassadenbehandlung gelangweilten bis gepeinigten Augen eine spürbare Wohltat bedeutet. Sämtliche Details und die Mauern selbst sind durch menschliche (nicht modernistisch-maschinelle) Fertigung spürbar belebt; die Abweichung, die Spontaneität sind dem betrachtenden Auge Gewinn und keineswegs auszumerzende (damit nämlich anonymisierende) Nachlässigkeit.

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Und dann tritt freilich dem rohen Gebäu nichtsdestotrotz das kunstvolle Detail hilfreich zur Seite. Jede Öffnung erhält ihre Rahmung: ältere Fenster (16. Jahrhundert) zeigen teilweise feine Renaissance-Rahmungen, jüngere (18. Jahrhundert) nur einfache Steingewände — und am schönsten der Eingang in luftiger Höhe auf der Westseite mit gotischem Spitzbogen. Des weiteren fällt an der Süd- und Ostseite des dreistöckigen Palas das Rundbogengesims auf, welches seinerzeit alleine aus formalen Gründen von den Ringmauern auf den Palas verlängert wurde. Zumeist aber beeindrucken die in großen Schritten gestuften Treppengiebel, die recht eigentlich das insgesamt monumentale Auftreten bewirken. Keines der mittelalterlichen Details tritt glänzend auf und bleibt hinter den gestalterischen Möglichkeiten der Zeit durchaus weit genug zurück. Alleine ihre belebende Wirkung darf nicht unterschätzt werden; am Dallauer Schloss treffen sie zudem auf die treffliche Geste Palas-Turm. 
     So mag denn am Ende der treffliche Eindruck, den das Gebäu vom ersten Moment und freilich wortlos entwirft, noch umständlich umschrieben sein um dem Gefühls- auch den Verstandesbegriff beizufügen; nicht jedoch als sei der letztere unbedingt notwendig.


Quellen
1) das Bauwerk selbst - Stilmerkmale; Burgrest und Umgebung
2) Dr. Emil Lacroix und Dr. Heinrich Niester  "Kunstwanderungen in Baden", Chr. Belser Verlag Stuttgart, Ausgabe 1959
3) Website der Gemeinde Elztal 
www.elztal.de
4) Website burgeninventar.de
5) Informationstafel mit Rekonstruktionszeichnung vor Ort

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