Baukunst in Baden
  Kloster Sankt Blasien
 



Eine der beeindruckendsten Architekturen und der aufreizendsten Verbindungen Bauwerk - Landschaft ganz Badens findet man ausgerechnet in einer der abgeschiedensten, am schwersten zugänglichen Teile des Landes. Es ist der südliche Hochschwarzwald, das Albtal, fern ab von größeren Städten, das mit gewaltiger Überraschung aufwartet.
Man wird billig übermannt vom Reiz der gut erhaltenen großen Klosteranlage mit ihrer erstaunlichen Kirche, die, völlig zurecht, "Dom" genannt wird. Ein Gotteshaus von solcher Größe und wertvollen Gestaltung würde man als bedeutende Kirche allenfalls in einer Stadt erwarten, nimmer aber in der Enge eines "weltverlorenen" Schwarzwaldtales.
Auf Veranlassung der insbesondere am Standort Sankt Blasien für ihre Gelehrsamkeit bekannten Benediktiner entstand die drittgrößte Kuppelkirche Europas! Bedenkt man also solche Ausmaße in einer engen Senke zu Füßen des Feldbergs, so mag man sich die tiefe Verwunderung vorstellen, welche Touristen anfallen muss, die zum ersten Mal eintreffen. Sankt Blasien ist ein Hauptruhm Badens.

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Und als ein Hauptruhm Badens ergattetert sich der Dom seine Anerkennung. Selbst die Vielzahl bundesrepublikanischer Bauhistoriker, die aus Baden als Rand von Baden-Württemberg, als zu vernachlässigendes Randgebiet Deutschlands kaum mehr als das Freiburger Münster, das Heidelberger Schloss und einen gewissen Friedrich Weinbrenner mit einigen Bauten in Karlsruhe kennen, sind in der Regel informiert. Und so hat sich der Dom zu Sankt Blasien einen ganz beachtlichen Rang gewonnen, indem er namentlich zu den bedeutendsten frühklassizistischen Bauwerken ganz Deutschlands zählt, allenfalls noch Gleichwertigkeit, jedoch nichts Übertreffendes zu dulden hat.
     Die 1772-83 errichtete Kirche wird darüber natürlich auch zur schönsten klassizistischen Kirche Badens. Alleine Friedrich Weinbrenner vermochte mit Sankt Stephan in Karlsruhe gleichwertiges. In Verbindung mit der näheren Umgebung, dem landschaftlichen Effekt, weiß allerdings der Dom deutlich zu übertrumpfen.
     Aus edlem gelb-grauem Naturstein errichtet beeindruckt vor allem die Frontalansicht: rechts und links zwei Türme mit überkuppelten, sich gelungen zurückstaffelnden Spitzen, die von den Türmen "aufgespannte" überaus monumentale Säulenvorhalle, und darüber die mächtige Rotunde mit kupfergedeckter Kuppel.

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Der Dom als klösterliches Gotteshaus ist das Glanzstück der ehemaligen Abtei, was beim architektonischen Aufbau von Klöstern ohnehin die Regel. Von nicht geringer Schönheit aber auch die anderen erhaltenen Gebäulichkeiten; und hier ist zuvörderst die Mittelpartie des fürstäbtlichen Klosterflügels (westliche Seite des Konventbaus) zu nennen: ein Prachtstück des Rokoko, pilasterreich, sich in sanfter Wellenbewegung nach vorne schwingend - ein Bild beschwingter Lebendigkeit, wie sie der liebreizendsten Variante des Barock in ihren reichsten Erzeugnissen üblich. Gleich dem Corps de Logis eines Residenzschlosses zieht diese Partie die Blicke auf sich.
     1609/13 kam die unmittelbar benachbarte Grafschaft Bonndorf durch Kauf an die Abtei. Durch diesen Erwerb wurden die Äbte seit 1746 zum Reichsfürstenstand Deutschlands gezählt, was für Äbte ansonsten ganz und gar unüblich war. Diese extraordinäre  Stellung eines zugleich weltlichen Fürsten wurde durch den fürstäblichen Flügel, insonders durch dessen "Corps de Logis" zum Ausdruck gebracht. In diesem Sinne können von den barocken Residenzschlössern in der Region Badens alleine die Paläste in Mannheim, Bruchsal und Rastatt (Karlsruhe nicht!) an Pracht mithalten, bzw. übertreffen.
     Neben dem Hauptzugang zum Kloster, dem Torhaus, blieb auch das im 19./20. Jahrhundert allerdings veränderte Faschianstor ganz im Nordwesten des Komplexes erhalten, wo vor dem barocken Tor auch schon ein mittelalterlicher Vorgänger existierte.
     Mit dem Torhaus und dem ehemaligen unteren Kanzleigebäude bildet das ehemalige Beamtengebäude einen viereckigen Platz aus, welcher dem Konventgebäude nordwestlich vorgelagert ist. Dieser Platz wird heute sehr annehmend von einem Park ausgefüllt. Das Beamtengebäude dient nunmehr als Polizeiunterkunft. Gemäß Plänen des Deutschordensbaumeister Johann Caspar Bagnato wurde es in den 1760ern vom fürstenbergischen Hofbaumeister Franz josef Salzmann ausgeführt.

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Ein verheerender Brand des Jahres 1768 brachte die Abtei sogar an den Rand der Auflösung. Dem seinerzeit amtierenden Fürstabt Martin II. Gerbert gelang es jedoch der Abtei die Gebeine der frühen (spätmittelaltrelichen) Habsburger aus der protestantischen Nordschweiz zu gewinnen, damit also die Kirche gleichzeitig zu einer bedeutenden Familiengruft des damals Deutschland regierenden habsburgischen Hofes zu machen. Dies war nicht nur die Rettung der Abtei, sondern zugleich die Grundlage um einen Kirchenbau ausweisender Größe und Bedeutung zu initiieren. 1772-83 wurde der Dom an der Stelle des stark zerstörten barockisierten romanischen Vorgängers errichtet.
     Das gleichfalls schon Klassizismus atmende spätbarocke Torhaus, bestehend aus dreigeschossigem Mittelteil und zweistöckigen Seitenflügeln wurde 1767 vollendet. Wiederum führte Salzmann Pläne Bagnatos aus. Der ehemalige Hauptzugang zum Klosterareal dient seit 1926 als Rathaus. Nach Dom und fürstäbtlichem Klosterflügel die drittschönste erhaltene Klosterarchitektur Sankt Blasiens.

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Der sich um zwei ungleiche viereckige Innenhöfe gruppierende Konventbau zeigt riesige Außmaße. Insgesamt bildet er ein in Ost-West-Richtung orientiertes Rechteck, dem auf der Nordseite mittig der Dom eingefügt ist, dessen fürstäbtlicher "Corps de Logis" in der Mitte der Westseite sitzt. Der abgesehen von diesen beiden Glanzstücken zurückhaltende Komplex wird durch erhöhte und nach vorne tretende Eckpavillons, auf der langen Südseite zusätzlich durch einen Mittelrisalit akzentuiert. Insbesondere letztere beinahe kasernenartige Ansicht ist dieser Belebung zu Dank verpflichtet.
     Der Konvent wurde nach Plänen Johann Michael Beer erbaut, Sohn des berühmteren Franz Beer (Baumeister der in Süddeutschland einflußreichen Vorarlberger Schule). Am 23. Juli 1768 gleichfalls ein Raub der Flammen wurde der Konvent gemäß der alten Formen, wenn auch großzügiger, neu errichtet.
     Dem südlichen Prospekt reizvoll vorgelagert die in der Art kleiner barocker Schlösser errichteten Gebäude der Mühle und der Infirmerie. Letztere, heute Pater-Alois-Grimm-Haus genannt, kam 1751-54 durch Johann Caspar Bagnato in ihre Gestalt - erstere 1750 unter gleichem Baumeister. Des weiteren findet man benachbart die ansehnlichen Bauten der ehemaligen Metzig und Bleiche.

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Alle barocke Verspieltheit, alle barocke Üppigkeit sind (fast) ganz geschwunden. Der Dom wird von klassizistischer Kühlheit und Kraft, von Strenge, graphischer Klarheit, auch von Ruhe, in sich ruhender Eleganz dominiert; mit einem sogleich überragenden Werk ward der Klassizismus in Südwestdeutschland eingeführt. Zwischen den massigen, kraftvollen Türmen tragen sechs hohe toskanische Säulen ein dorisches Gebälk, ganz ohne Verkröpfungen und weichen Zierrat - eine Gestaltung, die den Barock hinter sich gelassen hat.
     Gleich drei in diesem Bereich Deutschlands bedeutende Baumeister waren an diesem Bauwerk beteiligt; an einem Bauwerk, das als Familiengruft der kaiserlichen Habsburger gleichsam als nationales Monument verstanden werden wollte. Der aus Frankreich stammende Pierre Michel D'Ixnard, der die gestalterische Richtung bestimmte, der gleichfalls talentierte fürstenbergische Hofbaumeister Franz Joseph Salzmann, mit welchem sich D'Ixnard in enger Absprachen halten musste, der aber mehr für die Umsetzung der Planung in reales Bauwerk verantwortlich war (Salzmann hatte sich hier schon durch Klosterbauten wie z.B. das Torhaus bewährt).
     Nachdem D'Ixnard hinter dem Rücken des Fürstabtes Martin II. Gerbert in Wien bei Kaiserin Maria Theresia vorstellig wurde um die Planung noch stärker in seinem Sinne umsetzen zu können, entließ der Fürstabt sowohl ihn als auch den vermutlich ebenfalls involvierten Salzmann (1774). Ein Paukenschlag! Der Hauptentwurf von 1772 wurde nichtsdestotrotz weiterverfolgt,  seit 1775 allerdings unter der Leitung des hochtalentierten Nicolas de Pigage, seines Zeichens vielbeschäftigter Hofbaumeister der einflußreichen Kurpfalz.
     Der Außenarchitektur mindestens ebenbürtig der großartige Innenraum (siehe Bilder unten), da 20 korinthische Säulen ein rundes Gebälk, und darauf aufsitzend die Innenschale der Kuppel, in ruhigem Ebenmaß abtragen. Der lichterfüllte, marmor-weiß erstahlende Rundraum wird effektvoll von dem länglichen Chor ergänzt, welcher als langer schmaler Raum mit säulengestütztem Tonnengewölbe rechtwinklig von Süden anschließt.
     Ein schwerer Brand 1874 richtete gewaltigen Schaden an, zerstörte insonders die wertvolle spätbarocke Innenausstattung. Dem ungeachtet steht der heutige Eindruck in echter Kontinuität zur originalen Wirkung. Der auf Proportion bedachte Raumentwurf gab den korinthischen Säulen exakt die gleiche Höhe wie die Schale der Halbkugel darüber. Klarheit der Konstruktion, Ablesbarkeit der Statik, die Betonung von Tragen und Lasten sind genuin klassizistische Merkmale, also auch für den Innenraum die Sinnenüberflutung, das Verschleiern, das Spielen mit den Oberflächen der Barockkunst hinter sich lassend.

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Dank des aufreizenden Effektes, der Wirkung des Domes in der Enge eines Schwarzwaldtales, mag man in Sankt Blasien das reizvollste ehemalige Kloster im Raume Badens erkennen. An Schönheit der Architekturen kommen die beiden Zisterzienser-Abteien Bronnbach (bei Wertheim) und Salem (am Bodensee) gleich.
     Sankt Blasien wurde als "Albzelle" Mitte des 9. Jahrhunderts gegründet und nahm wie so viele andere Abteien einen wechselhaften Lauf, geprägt von Auf und Ab. Dennoch gewann die Abtei kontinuierlich an Bedeutung, welche dann in der Stellung der Äbte als Reichsfürsten und im Bau des Domes mit Habsburger-Gruft gipfelte. Sankt Blasien stand in voller Blüte und Bedeutung, als 1807 der Emporkömmling, das von Napoleons Gnaden rasant um sich greifende Großherzogtum Baden auch hier in der Manier eines Raubritters dreinschlug. Faustrecht im Namen der Aufklärung nahm allen Besitz an sich, Intoleranz im Namen der Aufklärung verbot alles weitere mönchische Wirken. Die verbliebenen 40 Mönche wanderten aus, nach Österreich, nach Sankt Paul im Lavanttal (Kärnten). Ende! Aus! Statt religiös-kulturellem Wirken zogen nun Manufakturen ein.
     Seit 1933/1946 ist der Konventbau als renomiertes jesuitisches Internat wieder einer zumindest teilreligiösen Bestimmung übergeben; was den ehemaligen Klosteranlagen immer am besten zu Gesichte steht.

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