Baukunst in Baden
  Waldshut
 
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Das schöne Waldshut, die alte vorderösterreichische Festungsstadt liegt fast direkt am Rhein, namentlich am Hochrhein ungefähr auf halber Strecke zwischen Bodensee und Basel. Steil fällt hier der Schwarzwald in den Rhein, was den Stadtprospekten reizvoll bewaldete Abhänge schenkt. Und nicht wenig Verantwortung zeichnet, dass Waldshut zu den zumindest regional bekannten vier "Waldstädten" zählt, jenes einst vorderösterreichische Quartett, zu welchem Bad Säckingen (heute ebenfalls Baden-Württemberg), Laufenburg (teilweise Baden-Württemberg, hauptsächlich Schweiz) und Rheinfelden (die historische Stadt zählt ganz zur Schweiz) gehören. Waldshut ist mit dem nahen und gleichfalls ansehnlichen Tiengen zur Stadt Waldshut-Tiengen vereint, gibt aber seine größere Bedeutung zu erkennen, indem der Landkreis alleine nach Waldshut benannt.
Die Altstadt leistet einen bemerkenswerten Beitrag zur Baukunst in Baden, indem nämlich die zentrale Achse des rechteckigen, genau in Ost-West-Richtung angelegten Stadtgrundrisses von großer Ansehnlichkeit. Es ist die oben abgebildete Kaiserstraße, die als Marktstraße von solcher Breite, dass sie das Ansehen eines Platzes, eines damit sehr großzügigen Platzes gewinnt. Ebenso entscheidend aber, dass die Platzwände durchgängig von gefälliger bis bedeutender Architektur gebildet werden. Und am wichtigsten, dass die bei Querseiten, also die Ost- und Westseite noch die alten Stadteingänge in Gestalt hoher Tortürme bewahrten, welche als Blickfang von eminenter Bedeutung. Die Kaiserstraße darf sich unter die markantesten und wertvollsten Stadtplätze ganz Badens einreihen!

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Während man auf Seite 1 durch die Kaiserstraße nach Westen auf das Untere Tor blickt, ist oben die umgekehrte Blickrichtung gewählt, das Obere Tor ins Visier nehmend. Beide mittelalterliche Tortürme gefallen durch ihre Höhe und schlanke Proportion, was sie als Platzrandbebauung entsprechend auffälliger macht. Welch' Glück, dass die beiden Türme der Schleifung der Stadtmauern, welche hier mit der üblichen Konsequenz durchgeführt, als wichtigste Artefakte entgingen. Statt der Stadtmauern stoßen seit dem 19. Jahrhundert Gebäude direkt an die beiden Tortürme, worüber der Platzraum nach beiden Querseiten ansehnlich geschlossen.
Das schönste Bauwerk der beiden Längsseiten der Kaiserstraße ist das barocke Rathaus, das links wiedergegeben. Nachdem der mittelalterliche Vorgänger 1726 abbrannte, ließ man sich immerhin bis 1766, also satte vierzig Jahre Zeit bis der Neubau zur Ausführung kam. "Gut Ding' braucht Weile" galt dann aber für das neue Rathaus, das vom Waldshuter Baumeister Ferdinand Weitzenegger ausgeführt wurde. Es entstand ein imposanter Bau von elf Fensterachsen über drei Stockwerke. Die symmetrische Vorderansicht schiebt die mittleren fünf Fensterachsen in Gestalt eines Mittelrisalits nach vorne, wo denn auch der prächtige Eingang zu finden. Betont wird diese Hauptpartie auch durch Sonnenuhr über der Fassade und einen hohen Dachreiter mit Zwiebelabschluss. Das Waldshuter Rathaus darf zu den schönsten Barockrathäuser Badens gezählt werden!

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Nähert man sich der Altstadt von Osten, so gewinnt man diesen vorzüglichen Stadteingang. Hinter der eine tiefe Schlucht (einst Stadtgraben) überwindenden Brücke trifft man auf eine vorbildliche Definition von Stadtrand, indem historische Bebauung die abgetragene Stadtmauer sauber nachzeichnet und das Obere Tor den Hauptzugang in den Stadtkörper gewährt, wiederum die historische Situation bestens wiedergebend. Klarste Definition statt ausgefranstem Stadtrand; nicht umsonst erfreut sich Waldshut einiger Beliebtheit. Urbane Qualität, leistbar alleine durch die historischen Stadtbau-Konzepte, als Rahmen für die vielfältigen städtischen Funktionen, unter denen heute der Einkauf der erste, das schafft Stadtflair... nur das schafft Stadtflair!
Das Obere Tor, auch Schaffhauser Tor genannt, wurde im späten Mittelalter auf Fundamenten aus dem 13. Jahrhundert errichtet. Der ursprüngliche spätromanische Torturm war wesentlich niedriger.
Die Abbildung rechts oben zeigt die nördliche Bebauung der Kaiserstraße: historische Bauwerke in schneller Abfolge, Lebendigkeit; und am schönsten in diesem Abschnitt das orange Rathaus.
Darunter die südliche Häuserreihe des Straßenplatzes, bei gleicher Blickrichtung nach Osten, das Untere Tor hinzunehmend. Auch hier das von historischer Kleinteiligkeit gewirkte Bild der Lebendigkeit.

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Ansehnlichkeit ohne gestalterischen Hochglanz. Zur Hauptsehenswürdigkeit der Kaiserstraße treten hinzu: das Greiffenegg-Schlößchen (links) und die katholische Stadtkirche Liebfrauen. Damit man sich nicht ganz auf die Kaiserstraße kapriziert, findet man die zwei Bauwerke von derselben ein wenig abgerückt. Südlich das Schlößchen, das trotz der Barockisierung im 18. Jahrhundert die mittelalterlichen Wurzeln, namentlich die unrepräsentative Winkeligkeit und kraftvolle Strebepfeiler nicht leugnen kann, wie man auch der Barockisierung keine stiltypische Prachtentwicklung attestieren kann.
An Schönheit weit übertreffend, die auch für die badische Bauhistorie bemerkenswerte Stadtkirche, welche unter Nutzung der Außenmauern des polygonalen gotischen Chores 1804-08 im klassizistischen neu errichtet wurde, den angeblich baufälligen mittelalterlichen Vorgänger bis auf beschriebene Ausnahme tilgend. Mit dem Chor steht das Gotteshaus über dem tiefen Stadtgraben, nördlich des Oberen Tores. Die durch grüne Lisenen unprätentiös gegliederten Fassaden atmen in der gestuften Turmspitze einen barocken Nachhall. Unter Hinzunahme des Innenraums wird die noch frühklassizistische Haltung des Baumeisters Sebastian Fritschi aus St. Blasien deutlich. Das ist das bauhistorisch Bemerkenswerte der Liebfrauenkirche: sie zählt zu den wenigen frühklassizistischen Kirchen Badens! Und dies ausgerechnet unter Federführung eines Architekten aus St. Blasien, wo der hiesige Dom der einstigen Benediktinerabtei eines der bedeutendsten Werke des Frühklassizismus in ganz Deutschland leistet! Bedenke man auch dies: das Gotteshaus ist das letzte bedeutende Bauwerk nicht nur Waldshuts vorderösterreichischer Zeit sondern ganz Vorderösterreichs, welches ab 1805 Schritt für Schritt an das entstehende Großherzogtum Baden und das Königreich Württemberg fiel!  

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Der gefällige Innenraum der Liebfrauenkirche: rechts der Hochaltar, links oben Blick durch das Langhaus auf die einstöckige Orgelempore und darunter die umgekehrte Sicht nach vorne in den Chor. Die Saalkirche hinterlässt, typisch für den Frühklassizismus, welcher auch Louis-XVI.-Stil oder etwas despektierlich Zopfstil genannt, einen unterkühlten, dennoch weiterhin feierlichen Eindruck. Edel und gezielt, statt wie der Vorgängerstil barock-gefüllt und noch nicht karg und nüchtern wie der Hochklassizismus des badischen Weinbrennerstiles
Die Längswände des Langhauses werden von Doppelpilastern gegliedert, die Orgelempore wird von vier toskanischen Säulen getragen und die vier wertvollen Haupteinrichtungsgegenstände: Hochaltar, zwei Seitenaltäre, Kanzel zeigen wie der Raum frühklassizistische Prägung. Eine einheitlich frühklassizistische Wirkung für Raum und Einrichtung, wie bereits dargelegt eine echte Seltenheit unter Badens Kirchen. 

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Der schwere Stadtbrand von 1726, dem ja auch das Rathaus zum Opfer fiel, fraß weitere mindestens 40 Häuser. So darf es leider nicht verwunders nehmen, in der schönen Kaiserstraße kaum noch mittelalterliche Detailsprache zu finden; souverän herrschen hier die Formvorstellungen des 18. und 19. Jahrhunderts, also von Barock über Klassizismus bis zum Historismus. Die einzige treffliche Ausnahme bildet die  1588 errichtete "Alte Metzig", das alte Schlachthaus, links wiedergegeben. Über großem Torbogen findet man auf zwei Stockwerken feine Beispiele spätgotischer Fensterrahmungen.
In der Mitte sieht man die Feldseite des Unteren Tores, das spätromanisch im 13. Jahrhundert erbaut. Es nahm Schaden beim Ansturm der Eidgenossen im Jahre 1468, weshalb es später im oberen Bereich erneuert werden musste. Waldshut aber widerstand dem Invasoren, was den Südschwarzwald vor dem Einfluss der Eidgenossen bewahrte. Vielleicht, das tapfere Waldshut damals fallend, Stadt und Umgegend wären heute als ein zweites Schaffhausen schweizerisches Territorium rechts des Rheines...
Das schönste Barock-Detail der ganzen Stadt gehört standesgemäß dem Rathaus (rechtes Foto): ein schmuckvolles Prachtportal, prätentiös und repräsentativ gesäumt von Pfeilern und Balkon mit feinem schmiedeeisernem Geländer. 

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Eine weitere Sehenswürdigkeit findet man in der Rheinstraße, wo, nach Süden vom Westende der Kaiserstraße abbiegend, sogleich die ehemalige Spitalkapelle empfängt. Die Kapelle Zum Heiligen Geist zählte zum 1411 gegründeten Spital, erfuhr jedoch mancherlei Umgestaltung, worunter die letzte aus dem 17. Jahrhundert maßgeblich. Das Gotteshaus gefällt von außen durch Bescheidenheit und schöne Details für die Öffnungsrahmen, mit denselben ein munteres Fassadenspiel treibend (Fassade zur Rheinstraße, rechts abgebildet). Überdies grüßt ein Dachreiter mit hohem Spitzhelm. 
Links ist der gleichfalls unprätentiöse Innenraum wiedergegeben, mit flacher Holzdecke geschlossen und zumeist durch die Ausmalung interessierend, welche jedoch auch der Bescheidenheit verpflichtet. Man blickt von der Orgelempore nach vorne. 

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Links die Stadtseite des Unteren Tores. Neben den beiden Tortürmen kann man noch zwei weitere, jedoch nicht so ansehnliche Türme der einst beeindruckenden Stadtbefestigung mit ihren zwei Mauerringen entdecken. Kein geringerer als Rudolf von Habsburg, der erste römisch-deutsche König aus dem Geschlecht der Habsburger, war der Befestiger der Stadt, die als Festung die habsburgischen Erblande zu sichern hatte, und dies 1468 ja auch eindrücklich nachwies. Es war der 30jährige Krieg, der die Stadt, die zwischen Kaiserlichen und Schweden hin- und herwechselte, in die Knie zwang.
Rechts oben blickt man auf die Nordseite der Kaiserstraße. Auffällig die zum Teil großen Dachüberstände, welche der regionalen Bauart geschuldet. Mehrfach war nun schon die Rede von dem vortrefflichen Platzraum der Kaiserstraße, der eine besondere Zierde Badens ist. Neben der Kaiserstraße gehen zwei weitere Hauptwege als Rheinstraße und Wallstraße parallel in Ost-West-Richtung durch den Altstadtkörper. Zu nennen überdies die Waldtorstraße, die die drei Straßen im östlichen Teil der Altstadt orthogonal kreuzt. Leider aber konzentriert sich alle altstädtische Schönheit einzig auf die Kaiserstraße, wohingegen die anderen unter modernistischen Eingriffen und verdorbenen Altbauten leiden. Wenn man, wie die Autoren, die Stadt durch das Obere Tor (Abbildung rechts unten) betritt und sich an der Kaiserstraße aufs höchste erfreut, dann durcheilt man genannte anderen Straßen in umso größerer Enttäuschung. Das gerade noch umschmeichelte Augen wird nun von baulichen Widerwärtigkeiten halb blind geschlagen. Gerade noch wollte man Waldshut als eines der schönsten Städtchen Badens bejubeln, dann aber wird böse relativiert, sinkt der Gesamteindruck ins durchschnittliche. Besuche man Waldshut ob der vortrefflichen Kaiserstraße, vergesse nicht die Kirchen... fliehe man aber vor dem Rest.
Wiederum interessant ist der Gang hinunter zu Vater Rhein. Aus der Altstadt heraus findet man kaum eine Blickverbindung zum Fluss, was natürlich schade. Und so ist man, unten am Ufer in die Schweiz hinüberblickend, regelrecht verwundert, dass man in der Stadt von dem so nahen Gewässer praktisch nichts verspürt. An die nahen badischen Städte Bad Säckingen und Laufenburg, Kompagnons im Quartett der alten vorderösterreichischen Waldstädte, denkend, wo die Verbindung mit dem Rhein weit erbaulicher, will man darin einen letzten Tadel erkennen.


Quellen
1) die Bauwerke selbst - Stilmerkmale; Stadt und Landschaft
2) Dr. Emil Lacroix und Dr. Heinrich Niester "Kunstwanderungen in Baden", Chr. Belser Verlag Stuttgart, Ausgabe 1959
3) Wikipedia-Artikel Waldshut-Tiengen

4) Website www.waldshut-tiengen.de 
5) Informationstafeln
 

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