Evangelische Kirche in Gondelsheim (Landkreis Karlsruhe) / Heinrich Hübsch / 1842
Die Kirche für Gondelsheim gehört noch zu den frühen Entwürfen Heinrich Hübsches. Sein Wille zur Abkehr von Friedrich Weinbrenners Sprache zeigt sich bereits deutlich, bleibt aber noch "auf halber Strecke" hängen.
Die Anordnung der Baukörper verweist als sekundärer Grundtyp in aller Klarheit auf den Lehrmeister. Der Kirchturm durchdringt auf der Gebäuderückseite das Schiff — eine Konzeption von welcher Hübsch bald abrücken solle, wobei er sich in diesem Zuge auch von der Ausführung von "weichen" Putzbauten zugunsten "härterer" Natursteinausführungen verabschiedete.
Weiterhin dem Stile Weinbrenners verpflichtet, der Aufbau des Turmes. Obschon gleich dreifach horizontal gegliedert, bleibt die alte Idee einer Scheidung zwischen Turmkorpus und Turmspitze in Kraft. Auch das Turmdach als variierende geknickte Zeltform hält Erinnerung wach; nicht minder die langen Rundbogenfenster an den Längsseiten des Kirchenschiffes oder die Balkenkopfgesimse von Turm- und Schiffdach. Das Fehlen eines Dreiecksgiebels auf den Querseiten taugt auch nicht zur Unterscheidung zum "überkommenen" Stil, der solche Vorgehensweise — wenn auch selten — durchaus kannte.
In Opposition zu seinem Lehrer tritt Hübsch im Grunde nur beim Umgang mit den Baukörpern, die ihrer wuchtigen Monumentalität beraubt wurden — sorgsam verkleidete der neue Oberbaudirektor sämtliche Körperkanten des Schiffes und des Turmes. Aber sein Verkleidungsstil steckt noch in den Kinderschuhen und erzielt noch nicht die Jahre später zu lobende Qualität. Da sich der Gebäudeschmuck überdies eher zurückhält (auch hier noch Weinbrenner verpflichtet) bleiben die Baukörper durch die lisenenartige Kantenverkleidung gedämpft spürbar. Das Ergebnis als Hybrid zwischen körperhafter Monumentalität und anmutiger Schmückung kann kaum als Bravourstück Würdigung finden. Das in diesem Zusammenhang auch der stets reizvolle Kontrast zwischen konstruktiver Turmspitze und körperhaften Turmkorpus und Kirchenschiff abgeht leistet ein übriges.
Die Kirche zu Gondelsheim besitzt ihre Wichtigkeit als ausgewogenes Exemplar des Übergangs zwischen Klassizismus und Romantischem Stil. Es mag am Talent Hübsches liegen, dass dieser Drahtseilakt zu einem, bei aller Kritik, gewiss ansehnlichen Kirchenbau führte.
_
_
_ Quellen 1) das Bauwerk selbst - Stilmerkmale und Wirkungen; Betrachtung des Gebäudes vor Ort
2) örtliche Informationstafel
_
_
_
_
_
_
_
_
_
_
_
_
_
_
| Heute 151 Besucher (182 Hits) | | 1.295.320 Besucher, 5.952.200 Hits seit September 2006 |