Sankt Gangolf in Schelingen (Vogtsburg, Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald) / Christoph Arnold? / um 1825
Sankt Gangolf, eine reizvolle figurale Komposition gemäß tertiärem Grundtypus — Christoph Arnold greift also erneut zum kappellenartigen mit Dachreiter versehenen Kirchenbau. Dieser lässt ihm bekanntlich die Möglichkeit zur freien Formfindung für die dominierende Eingangsfassade.
Zunächst aber zum grundsätzlichen Aufbau, welcher erwartungsgemäß Sockelstreifen (elegant zweigeteilt), den rechteckigen und einfachen aber umso kraftvolleren Kirchenschiff-Körper, schließlich das in Dreiecksgiebeln endende Satteldach und endlich den emporschnellenden Dachreiter übereinander ordnet. Dieses effektive Grundgerüst nutzt Arnold für eine durch gezielte Eingriffe kreierte Gesamterscheinung von bildhaftem Charakter.
Man beachte wieder die Eingangsseite — hier genügt eine einzige Geste zum kraftvollen Ausdruck: vom Sockelstreifen bis beinahe zum Geison drückt sich scharf eine Rundbogen-Nische in den Baukörper, welche besagte Partie nicht nur in drei vertikale Abschnitte "spaltet", sondern zugleich den die Nische säumenden, einen figuralen, über den Rundbogen verbundenen Ausdruck einer auf dem Sockelstreifen stehenden Art von "beinartiger" Komposition erzielt.
Wenige, dafür umso auffälligere Details veredeln die Schauseite — feingliedrig und von sandstein-rotem Anstrich stehen sie in scharfem Kontrast zu den weißen unbehandelten Flächen.
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Der Eingang besitzt eine fein profilierte Rahmung — darüber zieht sich effektvoll ein Kämpfergesims, ausgehend von den beinartigen Wandabschnitten, über die Nische, wo sie der statischen Hilfe mehrerer eng gesetzter Rollwerk-Konsolen "bedarf"; schließlich setzt sich ein geheimnisvolles augenartiges (aus seinem "Versteck" hervorlugendes) Halbkreisfenster auf das Kapitellband, reizvoll die Form der Rundbogen-Nische wiederholend. Im Giebeldreieck ein wichtiger Akzent: ein abstrahierter Dreiecksgiebel stützt sich auf drei winzige Pfeiler, welche auf der Fensterbank stehen — die Abstände bedeuten Öffnungen.
An den Seitenfassaden wiederholt sich bei geringerer Breite und Höhe das Nischenmotiv — wenngleich die Fenster beizeiten mit Fensterbank schließen laufen die Nischen-Leibungen auf den Sockelstreifen und geben der Fassade ob den sich zum Stützenmotiv wandelnden Mauerabschnitten zwischen den Nischen einen fast konstruktiven Charakter. Außerdem entsteht über die Bögen wiederum das beinartige Motiv, welches aus dem Kirchenschiff endgültig eine vielbeinige bildhafte Figur werden lässt.
Dann schnellt der Dachreiter in die Höhe. Auf quadratischem Sockel wuchten vier elegante Eckpilaster das Gebälk mit dem typischen geknickten Zeltdach. Die Eckpilaster sind von unüblicher Tiefe, die den Eindruck vierer Quadrat-Säulen nur verstärkt. Zwischen denselben jeweils zwei niedrige Rechteck-Säulen, wiederum ein Gebälk tragend und den sich ergebenden Freiraum den Glockenton-Öffnungen widmend.
Eine der einfachsten aber ausdrucksstärksten Kirchen des tertiären Typs.
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Der Artikel ist eine erweiterte Version des Beitrages unter "Arkadischer Kaiserstuhl" (Sammlung '1')
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_ Quellen 1) das Bauwerk selbst - Stilmerkmale und Wirkungen; Betrachtung des Gebäudes vor Ort; Entstehungszeit abgeschätzt, Christoph Arnold als Baumeister vermutet (seit 1819 Bauinspektor in Freiburg und hier gewöhnlicherweise zuständig)
2) Dr. Emil Lacroix und Dr. Heinrich Niester "Kunstwanderungen in Baden", Chr. Belser Verlag Stuttgart, Ausgabe 1959; Fertigstellung 1834. Wenn das Fertigstellungsdatum stimmt, dann kommt Hans Voss als Baumeister in Betracht, der nämlich ab 1832 Nachfolger von Christoph Arnold als Bezirksbaumeister von Freiburg wurde.