Sankt Sebastian in Nußbach (Oberkirch, Landkreis Ortenau) / Johann Ludwig Weinbrenner / 1827
Das Gotteshaus in Nußbach (Ortsteil von Oberkirch im Renchtal) stellt, wie bei Kirchen häufig zu finden, einen Mix der Baustile vor Augen. Diese nun, weil seinerzeit immer im Bestreben zum Funktionalen auch ein das Auge erfreuende Bild zu schöpfen, gehen einmal mehr trefflich, bruchlos zueinander.
Der Chor und die untere Strecke des rückwärtig angeordneten Turmes, die ältesten Partien der Kirche, zeigen den für rurale Gebiete angepassten Stil der Landgotik. Dem Historismus, namentlich einer Neo-Gotik war es vorbehalten als geschickte und detailreiche Turmspitze das heil- und sinnstiftende Kreuz zu präsentieren.
Verbleibt also noch das Langhaus. Und dieses nun, soll dieser Beitrag nicht als Irrläufer in diese Sammlung eingedrungen sein, muss den badischen Klassizismus im Stile Weinbrenners sichern. Von besonderer Bedeutung, dass der Campanile, wie eingeführt, in rückwärtiger Beiordnung. Darüber nämlich ward, wie vom sekundären und tertiären Grundtypus der Weinbrenner-Schule bekannt, der turmlosen Vorderseite Gelegenheit zum unbeschwerten "Spiel" eingeräumt. Und jenes "Spiel" bedeutete dem badischen Klassizismus immer eine freie (zumeist eine sehr freie) und bildhafte Interpretation der antiken Tempelvorderseite. So auch in Nußbach, wo von der antiken Idee kaum mehr übrig als der freilich markant gestaltgebende Dreiecksgiebel.
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Während sich die Längsseiten des Schiffes typischerweise sehr zurückhalten, vor allem vom Rhythmus hoher Rundbogenfenster profitieren, zeigt die Vorderseite neben mehr Detailreichtum die entscheidend belebende Geste des Langhauses. Ein dem Weinbrenner-Stil beinahe berühmter Entwurfsansatz gewinnt hier das Feld: eine breite und zugleich hohe Rundbogen-Nische drückt sich symmetrisch ein, dabei den Bogen in den Dreiecksgiebel kurvend. Eine monumentalisierende und bildhaften Charakter gewinnende Maßnahme — gleichsam eine standardisierte Erfolgsmaßnahme. Und dieses umso mehr als die konkrete Ausfüllung der scharf eingeschnittenen Nische von individueller Machart.
Rechts und links die von den Längsfassaden schon bekannten Rundbogenfenster (lustige "Kapitellchen" halten den Bogen), dann die breite Nische. Sie führt vier Pilaster, respektive Pfeiler in monumentale Höhen. Der mittlere der drei Abstände ward folgerichtig dem Haupteingang vorbehalten, zu diesem Behufe, als ein weiteres Spannungsmoment noch tiefer in den Baukörper gedrückt. Eine Skulptur des gekreuzigten Christus' im oberen Abschnitt jener mittleren Partie gemahnt schon beim Eintritt an die öffnende Andacht.
Vier an die toskanische Ordnung erinnernde Kapitelle tragen dann einen hohen Balken, welchem der Geison des Dreiecksgiebels aufsitzt. Dieser wurde von der Nische nämlich nicht gesprengt, sondern zum die Nische unterstreichenden Einrücken angeregt. Dem Geison seinerseits folgt alsbald ein Segmentbogenfenster ("fast" ein Halbrund), welches effektvoll die Form des Nischenbogens widerspiegelt.
Im Ganzen (des Langhauses) ein ruhevolles und zugleich wuchtiges Wesen eines Baukörpers, welches zum Zwecke des Haupteinganges ein monumentales Bild zeichnet. Schade nur, dass der Nischenbogen ein wenig unsauber "eingeschnitten".
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_ Quellen
1) das Bauwerk selbst - Stilmerkmale und Wirkungen; Betrachtung des Gebäudes vor Ort
2) Dr. Emil Lacroix und Dr. Heinrich Niester "Kunstwanderungen in Baden", Chr. Belser Verlag Stuttgart, Ausgabe 1959
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