Katholische Kirche "Unserer lieben Frau" in Achern (Landkreis Ortenau) / Wilhelm Vierordt / 1824-25
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Wie sehr bewundern wir an den Kathedralen, Domen und Münstern die über Jahrhunderte gewachsene "Stilmixtur". Ein bekanntes Beispiel zeigt das großartige Freiburger Münster: unter Dominanz der Gotik sind prägnante Bauabschnitte älter oder jünger, in romanischem oder Renaissance-Stil ausgeführt. Jede Epoche setzte eigene Akzente, und dennoch stellen sich die Stile harmonisch zueinander. Es sind verschiedene Formvorstellungen, aber es ein Geist, der sie durchweht, der Geist der Baukunst!
Auch im Stile Weinbrenners finden wir einige Beispiele solcher Stil-Vermischungen, worunter das vielleicht schönste die Acherner Kirche "Unserer lieben Frau" vor Augen führt.
Der Turmkörper stammt aus dem Mittelalter (1452); ausgestattet mit gotischem Detail - die Turmspitze und das Kirchenschiff als ergänzte Gebäudeteile stehen für den Klassizismus. Im Grunde genügt ein Kurzer Blick um auch dieser Stilvereinigung hohe Qualität beizumessen. Für das Baumaterial gilt dies ohnehin - Vierordt wird nur allzu gerne dem roten Sandstein Kontinuität erwiesen haben (wir befinden uns im Zeitabschnitt der immer beliebteren Sichtstein-Fassaden). Aber auch für die zur Anwendung gelangten Details - gleich wie bei den oben Genannten die gleichzeitige Verwendung von Spitz- und Rundbogen (um nur ein Beispiel anzuführen) keinen Widerspruch, vielmehr Belebung evoziert, stehen auch die typischen klassizistischen Stilmittel: Dreiecksgiebel, Pilaster, etc. im Einklang mit dem Bestand. Das Weinbrenner-Zeltdach des Turmes befindet sich nicht minder im Einklang, stellt ohnehin ein aus der mittelalterlichen Formenwelt entliehenes Element dar.
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Bei der Grundanordnung greift Vierordt auf die im Konsens von Ort und Zeit liegende; einzig die Vorgehensweise ist eine andere. Noch bestehende Teile der Kirche werden, bis auf den Turm, abgetragen. Dieser erhält die typische Spitze in einer schönen Variation: zu den üblichen kraftvollen Eckpilastern treten pro Turmseite weitere zwei Pilaster (deren Zwischenraum steht für die rundbogige Schall-Öffnung bereit). Gemeinsam wird der umlaufende Gebälkstreifen getragen, schließlich das Turmdach in Zeltform mit einer subtilen Knickung nahe der Trauflinie.
Das Kirchenschiff als zweiter signifikanter Baukörper wird dergestalt an den gotischen Turm gestellt, dass die typische reizführende Verschneidungsfigur zur Ansicht kommt. Beachtenswert auch die langen Rundbogen-Nischen der Giebelseite, deren Bögen von zwei kraftstrotzenden die Wandabschnitte in Richtung Rechteck-Säulen veredelnden Kapitellen (Kämpfergesimse) gehalten sind. Nicht weniger interessant, wie sich der (horizontale) Geison des Dreieckgiebels vom durchstoßenden Turm keineswegs beirren lässt, sich verkröpfend diesen einbindet, und, damit niemand die Geste verfehlt, von der immer "geheimnisvollen" Halbkreisöffnung Betonung erfährt.
Vierordts Kirche liegt ganz im von Weinbrenner geforderten Rahmen der kraftvoll auftretenden Gotteshäuser. Der weitgehend geschlossene mittelalterliche Turm mit den aus der Masse modellierten Öffnungen passt sich diesem Bestreben widerspruchslos ein. Weinbrenner selbst besaß Affinität zur Gotik und konnte sie an einigen Neubauten realisieren. In diesem Fall war die Gotik schon vorhanden, musste "nur" noch eingebunden werden.
Die Architektenschaft Ende 18. und Beginn 19. Jahrhundert hatte sich die hohe baukünstlerische Qualität der Gotik wieder ins Bewusstsein gerufen. Als bewunderter und vollendeter Stil stand er nahezu gleichberechtigt neben der zeitgemäßen Interpretation der Antike. Wenngleich man bis auf Ausnahmen noch nicht bereit war die Gotik wirklich neu aufleben zu lassen, galt der Bestand (zumindest in Teilen) allemal als erhaltenswert.
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Quellen
1) das Bauwerk selbst - Stilmerkmale und Wirkungen; Betrachtung des Gebäudes vor Ort
2) Dr. Emil Lacroix und Dr. Heinrich Niester "Kunstwanderungen in Baden", Chr. Belser Verlag Stuttgart, Ausgabe 1959
3) örtliche Informationstafel
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