Baukunst in Baden
  Urloffen Kirche (21)
 



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Sankt Martinskirche in Urloffen (Appenweier, Landkreis Ortenau)   /   Hans Voss   /   1835

Auch das kleine Urloffen besitzt eine jener im Sonnenlicht weiß bleckenden klassizistischen Kirchen. Das kristalline Schauspiel lässt sich besonders gut bewundern bei einer Autobahnfahrt von Offenburg nach Baden-Baden, wo die Kirche auf Höhe der Ausfahrt Appenweier dem Betrachter entgegenstrahlt.
     Auch jenseits dieses die Baukörper vornehm in Szene setzenden Effekts weiß das Gotteshaus reizvolles  vorzulegen — zunächst aber entfalten die beiden ineinander geschobenen Baukörper Turm und Schiff ihr spannendes Durchdringungsspiel.
     Dieser weinbrennerschen Primärwirkung folgend kann schließlich die Detailarbeit eingehende Betrachtung fordern. Beginnen wir beim Rückgrat des klassizistischen Gebildes, dem Kirchenschiff. Die rechteckige Grundform trägt das beinahe unvermeidliche Satteldach, das sich an den Querseiten als Dreiecksgiebel darstellt — dabei sind die rahmenden Profile nur sehr dünn, der horizontale Geison bietet kaum mehr als ein ordinäres Gesimsband, gefällt jedoch durch die den Turm einbindende Geste.
     Die Dachneigung befleißigt sich, angepasst an hiesige Bautraditionen, wiederum steiler Natur. Dadurch kommt die Gesamtform, zu Lasten antiker Eleganz und Strenge, im Sinne Weinbrenners kraftvoll, ja geradezu bullig. Ungewöhnlich, aber nicht minder in diesem Sinne, stehen die sich zweifacher Nischenausbildung erfreuenden Öffnungen auf der Eingansseite und den beiden Längsseiten. Zunächst werden dem Standard entsprechend auf (früh-)romanische Weise die Öffnungen rundbogig in die Mauermasse getrieben, dann aber legt sich originell eine zweite Gliederungsebene darüber — es kommt zu einer zweiten, wenn auch schwächeren Nischenausbildung. Auf den Längsseiten wird dabei die Ordnung Rundbögen tragender Pilaster erzielt — dagegen sind die Kapitelle der Querseite zu Streifen (Kämpfergesimse) gestreckt, die nochmals den Turm einfassen. 

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Dieser Umgang bewirkt den merkwürdigen Effekt, dass das Schiff aus der Ferne körperhaft wirkt, bei näherem Hinsehen dagegen eine umlaufende konstruktive Wirkung darbietet — ein gelungenes Zusammenspiel zweier verschiedener Ordnungsprinzipien.
      Der öffnungsarme, wie schon erwähnt von zwei Bändern gefasste Turmkörper strebt machtvoll aus dem Kirchenschiff. Der Haupteingang befindet sich wiederum in einer, diesmal weniger leicht ablesbaren Nischenausbildung. Ein kleiner abstrahierter Dreiecksgiebel auf Rollwerk-Konsolen markiert ihn dem Besucher. Darüber (auf dem einfassenden Gesimsband) sitzt das immer geheimnisvolle Halbkreis-Fenster, glücklich den Nischenabschluss nachzeichnend. Weit entfernt die nächste Öffnung, ein Rundbogenfenster mit markanten ausgreifenden, den Bogen haltenden Kapitellen.
     Endlich das umlaufende Gesims auf zahlreichen Rollwerk-Konsolen, das den eigentlichen Turmköper formal abschließt; es folgt die Turmspitze, das Glockengeschoss. Typischerweise findet nun die körperhafte Wirkung durch eine konstruktive Ersatz: vier mächtige Eckpilaster tragen abschließende Bögen. Die dabei gebildeten Pilasterabstände bergen die den Glockenhall freigebende Öffnungen (Holzlammellen sorgen dabei auf die übliche Weise für notwendigen Wetterschutz) und die weithin sichtbaren runden Zifferblätter als merklichen Akzent.
     Den Schlusspunkt setzt das entgegen der (Weinbrenner-)Norm geformte Dach: deutlich vom umlaufenden Knick getrennte acht statt derer vier Dachflächen von zudem beiderseits des Knickes deutlich unterschiedlicher Neigung weisen das Dach eindeutig in Richtung der forminspirierenden Zeit, des turmreichen Mittelalters, welches sich bei Kirch- und Wehrtürmen gerne dieser kunstvollen Dachgeometrie bediente. Die Bekrönung schafft das obligate Kreuz, das Wirken Christi auch aller Ferne bezeugend.

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Quellen
1) das Bauwerk selbst - Stilmerkmale und Wirkungen; Vorort-Betrachtung des Gebäudes
2) Dr. Emil Lacroix und Dr. Heinrich Niester "Kunstwanderungen in Baden", Chr. Belser Verlag Stuttgart, Ausgabe 1959
3) Hubert Kewitz "Der Weinbrenner-Schüler Johann (Hans) Voß", Artikel aus "Geroldsecker Land" 1974, Heft 16, S. 89-103
4) Website  www.appenweier.de (Urloffen ist Ortsteil von Appenweier)

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