Schloss in Bauschlott (Neulingen, Enzkreis) / Friedrich Weinbrenner / 1805-09
Mit dem Schloss zu Bauschlott konnte Weinbrenner ein erstes Mal in badischen Gefilden den Spuren von Palladios in freie Landschaft gebetteter Villenarchitektur folgen. Ähnlich dem bereits vorgestellten Schloss zu Bad Rotenfels (Sammlung '1') hatte Weinbrenner auch hier eine bereits bestehende Anlage zu berücksichtigen, welche teils erhalten (Kavalierhaus und landwirtschaftliche Nutzgebäude) und teils abgebrochen (Herrenhaus), wobei von letzterem trotzdem die Grundmauern zu nutzen blieben. Auch in Bauschlott konnte Weinbrenner also keineswegs frei agieren, eine Behinderung, die aber gleich der Bad Rotenfelser Lösung die Qualität des Entwurfes nicht zu beeinträchtigen vermochte.
Der Entwurf für Bauschlott sah im wesentlichen drei Maßnahmen vor. Zuvörderst natürlich das eigentliche und keiner geringeren als der großherzoglichen Familie dienende Herrenhaus, welches über zwei lange einstöckige Verbindungsflügel Anschluss zum erhaltenen Bestand herstellte. Dann das romantische Meiereigebäude, das andere Ende der länglichen Anlage bestimmend und gleichfalls mit Verbindung zur demnach mittig sitzenden vorhandenen Substanz; und endlich eine gar merkwürdig anmutende Warte, welche als bestaunenswertes Kuriosum in einiger Entfernung aber immer noch innerhalb der großen Parkanlage des Schlosses.
Das zurückhaltende Herrenhaus, den größten Teil der baulichen Anlage auf sich beziehend und deren unbestreitbares Zentrum soll erster Gegenstand eingehender Betrachtung sein. Wie bereits dargelegt, wurde dessen Grundform durch Beibehaltung der Grundmauern des Vorgängerbaus durchaus vorgegeben, welche als einfacher rechteckiger Baukörper Ziel- und Schlusspunkt des vor ihm liegenden, ehrenhofartigen, länglichen Platzes wurde.
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Die Empfangsseite geriet dabei außerordentlich zurückhaltend und findet das ihr zukommende repräsentative Gepräge erst und gewiss überraschend in den eigentlich untergeordneten einstöckigen Verbindungsflügeln, die jeweils über den würdevollen Dreiecksgiebel verfügen. Insgesamt ergibt sich ein ausgezeichnetes Bild. Das Herrenhaus, wiewohl kaum mehr als schlichte Lochfassade, zeigt sich als Baukörper von reizvoller ausgewogener Proportion. Über niedrigem Sockelstreifen erheben sich zwei Geschosse in Manier des Piano Nobile, getrennt von markantem Gesimse, welches zusammen mit dem langgestreckten einfachen (geknickten) Walmdach dem horizontalen Wirkmoment zu entscheidender Geltung verhilft. Einzig die drei mittigen Türen mit Balkenverdachungen und die auf sie zuführende breite Freitreppe (an den Seiten zwei schöne große Vasen) erheben am Herrenhaus selbst repräsentativen Anspruch. Neben der gelungenen Proportion verdient auch der Materialkontrast zwischen sandsteinroter Freitreppe, goldgelber Fassade und schwarzem hautartigem Schieferdach ein nicht geringes Lob — das übrige leistet die Disziplin der Lochfassade.
Weitere und letztlich entscheidende Aufwertung erfolgt über die beiden Verbindungsflügel, welche jeweils dreiteilig in sich der Symmetrie verpflichtet. Zwischen ihrerseits je zwei Seitenflügeln tritt die Mittelpartie deutlich in die Höhe und auch nach vorne, ungefähr die Proportion eines Würfels zeichnend und schließlich gedeckt mit einem entsprechend kurzen, um so stärker ins Auge fallenden Giebeldach. Die Seitenflügel besitzen einfache Fenster und Türen, der Würfel ein beinahe die gesamte Breite einnehmendes Tor. In Verlängerung der pfeilerartigen Abschnitte rechts und links der Tore findet man sinnigerweise dorisierende Kapitelle, welche, spannungsvoll aus dem Kubus auftauchend, einen angedeuteten Gebälkstreifen und endlich den Dreiecksgiebel mit seinen Dachflächen auf gewiss originelle Weise abtragen.
Die Parkseite des Herrenhauses, die ganz für sich alleine steht, bringt das herrschaftliche Moment am Gebäude selbst, indem der über drei Öffnungsachsen verfügende Balkon des oberen Piano Nobile von vier edlen Säulen toskanischen Kanons (fußend auf geschosshoher breiter Treppenanlage) abgetragen._
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Vom Herrenhaus durch die Bauten des Bestandes getrennt stehen, von ganz anderer Machart, aber nicht minder reizvoll die Gebäude der Meierei, gehalten in einem von Weinbrenner nur gelegentlich verwendeten und durchaus romantischen Stil, welcher zwar in Analogie zu sonstigem Vorgehen karg und körperhaft, aber auf mittelalterlichem Formengut, namentlich der Gotik fußt und somit der (auch hier) eigentlich preferierten Antike absagt. Die Meierei, das sind zwei längliche eingeschossige mit hohen Giebeln versehene Gebäude, untereinander Verbindung durch eine zinnenbekrönte Mauer und eine auch im Detail gelungene Toreinfahrt findend. Das gleichfalls in einer Giebelform auslaufende Tor besitzt eine gotische Spitzbogenvertiefung, deren untere Partie vom tatsächlichen und durch Rundbogen die Form reizvoll kontrastierenden Tordurchgang eingenommen. Letzterer wurde fein profiliert und geht hervor aus zwei ungewöhnlichen romanisierenden Säulen. Beiderseits des Tores die mit Zinnen versehenen Hofmauern, welche in zwei Schießscharten ein weiteres ungewöhnliches Detail zeigen.
Die auf der Frontseite identischen Meiereigebäude sind wiederum ausgesprochen schlicht, besitzen im Dachgeschoss in Gestalt spitzbogiger Fenster, die sich über Fensterbänke auf Rundkonsolen erheben und dem Maschikuli-Dachgesims wenige aber ausreichende und gerade für Weinbrenner nicht minder bemerkenswerte Details. Sie veredeln zwei Gebäude, die vor allem in ihrer Proportion sehr zu loben sind.
Wurde zu Beginn vom Landhaus zu Bauschlott als einer freistehenden Anlage gesprochen, so findet diese Feststellung zumindest darin Revision, dass sich deren östlicher Abschnitt — also die Meierei — in direkter Nachbarschaft des hier einsetzenden Dorfes mit Namen Bauschlott sieht. Bauschlott ist eine noch heutigentags ansehnliche Ortschaft, da über eine nicht geringe Anzahl von Fachwerkhäusern verfügend. Diese wurden weitgehend dörflicher Eigenart gemäß niedrig gebaut, besitzen also nur ein einziges Vollgeschoss und dafür hinter hohen Giebeln noch reichlich Nutzfläche. Aufregend genug, genau diese Gebäudeproportion nutzte Weinbrenner für die beiden Meierei-Gebäude und kreierte damit den wunderbarsten Übergang vom der Antike nacheifernden Herrenhaus zum heimischer Tradition verpflichteten Dorfe Bauschlott. So zeigt sich auch in Bauschlott, dass Weinbrenner bei allem Bemühen um den neuen, der Antike verpflichteten Stil, keineswegs das unerträgliche Härten abmildernde Moment der Kontinuität zu hiesiger gewachsener Bauhistorie aus den Augen verlieren wollte. Wahrlich lobenswert.
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Um zu dem kleinsten und gleichfalls merkwürdigsten Teil der baulichen Anlage zu gelangen, hat man sich vom beschriebenen Ensemble durchaus weit zu entfernen, da man im Regelfall die gesamte Parkanlage zu umschreiten hat, bis man die sogenannte Warte in Augenschein nehmen kann. Schließlich lugt sie einsam zwischen Bäumen der Parkanlage hervor. Ihr abgenutzter Zustand erhöht nur den Reiz der ungewöhnlichen Turmanlage. Auf einem ausgesprochen breiten Sockel, abgeschlossen von stacheligen Rundkonsolen und einem Kreuzungs-Eisengeländer balanciert ein in seiner Proportion gänzlich entgegengesetzter schlanker Turm, welcher separiert in zwei Abschnitte. Die obere zinnenbekrönte Partie bietet einen Austritt auf das sicher auffälligste Bauteil, die Aussichtsplattform, welche wiederum mit einem Eisengeländer versehen, von zwei beunruhigend dünnen Eisenstützen getragen. In ihrer minimierten Proportion wollen sie gar nicht in das stets nach kraftvollem Ausdrucke strebende Werk Weinbrenners passen (sie würden noch heute so manchen Statiker in Verlegenheit bringen) und stehen in spannungsvollem Gegensatz zum ansonsten wehrhaften Charakter der Aussichtswarte. Ein originelles Kleinod nicht nur in der Parkanlage des Schlosses zu Bauschlott, sondern gleichfalls im Oeuvre Weinbrenners.
Website-interner Link auf den Beitrag "Bauschlott" mit den dessen weiteren Sehenswürdigkeiten: http://www.badischewanderungen.de/Bauschlott.htm _
_ Quellen
1) das Bauwerk selbst - Stilmerkmale und Wirkungen; Betrachtung des Gebäudes vor Ort
2) Dr. Emil Lacroix und Dr. Heinrich Niester "Kunstwanderungen in Baden", Chr. Belser Verlag Stuttgart, Ausgabe 1959
3) Arthur Valdenaire "Friedrich Weinbrenner: Sein Leben und seine Bauten", C. F. Müller Verlag, 4. Auflage Heidelberg 1985 (im Original: Braun, Karlsruhe 1926)
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