Baukunst in Baden
  Rippoldsau Kirche (17)
 

ein Bild

Pfarr- und Wallfahrtskirche in Bad Rippoldsau (-Schapbach, Landkreis Freudenstadt)   /   Friedrich Arnold   /   1828-29

In der Enge des Schwarzwälder Wolfach-Tales, am Ortseingang von Bad Rippoldsau reckt sich eine der trefflichsten badischen Kirchen im Weinbrenner-Stil monumental in die Höhe: die Wallfahrtskirche zur schmerzhaften Muttergottes. Es ist das Zusammenspiel, oder besser der Kontrast zwischen Bauwerk und Natur, der ergreift. Auf der einen Seite die Weichheit der Natur, die Weichheit der natürlichen Formen, welche im lange sich schon verengenden Wolfach-Tal nur noch konzentrierter — und auf der anderen das Menschenwerk, das Werk des Baumeisters: eckig und kantig, ganz im Stile Weinbrenners auf scharf geschnittene Baukörper, klar definierte Stilmittel und graphische Fassadenzeichnung bedacht. Und beide prallen unvermittelt aufeinander — ein Bild, wie es spannungsvoller kaum gedacht werden kann; ein Bild, das zweifellos zu den größten im Oeuvre des Weinbrenner-Klassizismus, ja überhaupt des deutschen Klassizismus zählt.
     Wagt man also eine Rangliste der Kirchen Badens im Weinbrenner-Kanon, so darf man das Rippoldsauer "Ereignis" gleich hinter des Meisters Karlsruher Gotteshäuser Sankt Stephan und Stadtkirche an ehrenvoller dritter Stelle platzieren (auf gleicher Augenhöhe aber mit dem Bethaus in Adelshofen bei Eppingen). Die Pfarr- und Wallfahrtskirche geriert damit auch zum herausragenden Bauwerk im weitläufigen Werkverzeichnis Christoph Arnolds, seines Zeichens ja unter den talentiertesten Schülern Weinbrenners.
     Ein letztes Superlativ: die Pfarr- und Wallfahrtskirche ward als Doppelturmanlage ausgeführt, was im badischen Klassizismus Seltenheit genug — lediglich drei Exemplare existieren. Und im Vergleich zu den Ergebnissen in Lörrach (von Wilhelm Frommel, Sammlung '1') und in Lörrach-Stetten (wiederum von Arnold, Sammlung '1'), welche gleichfalls sehr viel Lob verdienen, hat man die Rippoldsauer Ausführung dennoch an erster Position zu führen.
     Betrachten wir das 1829 vollendete Gebäu im Detail, wofür im übrigen die demselben gegenüberliegende Talwand den besten Anlass gibt. Eine Doppelturmanlage also: zwei nicht allzu hohe Türme auf der Vorderseite der Kirche — beide spannen als monumentalen Eingangsgestus einen Triumphbogen auf; darüber weitere Anteile der an sich eher schmalen, dafür umso höheren Vorderseite des Langhauses. Alles zusammen formuliert eine Frontansicht der Pfarr- und Wallfahrtskirche von hohem gestalterischen Anspruch. Zumeist beeindruckt die Monumentalität, vor allem durch den Triumphbogen und die hinter den Türmen nur gering zurückbleibenden Höhe der Mittelpartie, die eben mit den zwei Campanilen eine imposante, aufragende Ansicht erzielt. Dann aber ergreift die bildhafte Ordnung, jene zweite große Stärke des Weinbrenner-Stiles: alle Öffnungen, alle Stilmittel (Säulen, Pilaster, Gesimse, etc.) sind dergestalt gezielt gesetzt, dass via Auge des Betrachters neben dem von der Monumentalität gezeugten Gefühl der Erhabenheit der Eindruck von Ausgewogenheit, von spannungsvoller Abwägung Raum gewinnt. Nirgendwo ein Zuviel der eingesetzten Mittel und nirgendwo ein zuwenig — der Kanon Weinbrenners, er beweist gerne eine Kunst des Minimums. Auch darin das Rippoldsauer Gotteshaus eine Vorzeige-Exempel.

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