Rohrbacher Schlösschen (Heidelberg) / Friedrich Weinbrenner / ab 1803
In Rohrbach, unweit von Heidelberg, erwirbt Markgräfin Amalie von Baden 1803 ein spätbarockes, aber durchaus bescheidenes Landhaus, zwei Stockwerke aufweisend und umgeben von einer großzügigen Parkanlage. Kurzum, das Gebäude befindet sich zwar in schönem Umfelde aber kaum in standesgemäßer "Aufmachung"!
Standesgemäß, das ist seit dem Eintritt Friedrich Weinbrenners in das Amt des badischen Baudirektors, eine kraftvolle monumentale Wirkung unter Einsatz sparsamer formaler Mittel. Was also lag näher als die Hinzunahme des besagten Architekten um die anstehende Aufwertung zu gewinnen?
Die ruhige Grundsubstanz mit sieben Fensterachsen war für Weinbrenner genau das richtige: mit wenig Aufwand wurde aus dem spätbarocken Landhaus ein klassizistisches Schlösschen mit echtem Vorzeigewert.
Was also tat Weinbrenner? Das Gebäude brauchte natürlich den typischen Mittelrisalit und so lies der Architekt — drei Fensterachsen zusammenfassend — die Mittelpartie ein wenig aus der Fassade und aufstrebend aus dem beinahe reinen Walmdach (nur mit dem "Hauch" eines Knickes) treten. Dieser wurde mit dem unverzichtbaren Würdesymbol Dreiecksgiebel bekrönt, der überdies ein markantes Fenster in der merkwürdigen Form einer halbierten Ellipse erhielt. Außerdem verlangten die Öffnungen dieses Abschnittes im Piano Nobile neben den regelmäßig eingesetzten Rahmungen Balkenverdachungen auf Rollwerk-Konsolen.
Die Kraft- und würdevolle Grundform war nun geschaffen; zu ergänzen blieben jedoch die markgräflich-standesgemäßen Applikate. Weinbrenner brachte sie im reich verzierten Schmuckfries und in der Säulenvorhalle, deren umlaufendes Gebälk den herrschaftlichen Balkon freigibt. Dessen obere Partie bedeutet die Aufweitung des umlaufenden die beiden Geschosse trennenden Gesimsbandes — die untere dagegen fährt unvermittelt und nicht minder spannungsreich aus dem Baukörper, obgleich beim Austritt aus demselben optisch immerhin von zwei angestrengten Pilastern getragen.
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Vor allem dieser Vorbau sorgt für ein edles Gepräge — für Weinbrenner wirkt er jedoch ungewöhnlich: da ist zum einen der große Abstand zwischen den Säulen, der eine gewisse — im Werke Weinbrenners geradezu atypische — Leichtigkeit einbringt; aber das waren eben die Vorgaben, die der Bestand aufzwang: der Abstand der Fensterachsen forderte großzügige Säulen-Interkolumnien. Der umlaufende niedrige Sockelstreifen tritt entsprechend des Risalits nach vorne, den Säulen eine Basis schaffend und deren Abstände für die benötigten Treppenstufen formend.
Blicken wir auf die Säulen selbst: dorische Ordnung — das geht für den Meister gut an — aber sandstein-belassen und dann noch kanneliert? Letzteres dürfte Bauherrenwunsch gewesen sein — eine abträgliche Wirkung hat man indes nicht zu konstatieren, am genauen Gegenteil darf man sich erfreuen. Und die Naturstein-Oberfläche war ursprünglich und wie im Stile Weinbrenners üblich gestrichen.
Das gesamte Schlösschen ergibt — zumal im umgebenden Park — ein löbliches Bild. Der ausgezeichnete Mittelrisalit steht in guter Proportion zum Gesamtbaukörper, wächst spannungsvoll aus diesem heraus. Am ehesten stört die Verkröpfung der Gebäudeecken, sich der üblichern körperhaften Wirkung entgegenstellend. Aber sie stellt ein sichtbares Überbleibsel des Vorgängerbaues dar und sollte ob dieser Erinnerung keineswegs wirklichen Tadel erfahren.
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_ Quellen
1) das Bauwerk selbst - Stilmerkmale und Wirkungen; Betrachtung des Gebäudes vor Ort
2) Bernd Müller "Architekturführer Heidelberg, Bauten um 1000-2000", Edition Quadrat Mannheim, Ausgabe 1998; hier wird sicher zurecht auf Friedrich Weinbrenner als Baumeister (zumindest Entwerfer) spekuliert; Zeitraum Planung/Umbau hier ebenso abgeschätzt
3) Dr. Emil Lacroix und Dr. Heinrich Niester "Kunstwanderungen in Baden", Chr. Belser Verlag Stuttgart, Ausgabe 1959; keine Nennung des Baumeisters
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