Evang. Ludwigskirche in Langensteinbach (Karlsbad, Landkreis Karlsruhe) / Friedrich Weinbrenner, August Schwarz / 1826-28
Friedrich Weinbrenners Kirchenschöpfungen besitzen beinahe naturgemäß ein originelles Moment, zählen stets zu den besten des Klassizismus in badischen Landen. So auch in Karlsbad-Langensteinbach nahe Karlsruhe. Besonderes findet sich hier sowohl in der Baukörper-Konzeption als auch im angewandten Detail.
Vom Großen ins Kleine gehend, rückt zunächst das Baukörper-Arrangement in den Blickpunkt. Im ersten Moment scheint das Besondere nicht vorhanden — gemäß dem primären Grundtypus findet sich der Kirchturm aus dem Langhaus strebend, dabei die Haupt-, die Eingangsseite formierend. Endlich aber gewahrt man die Dachform: das übliche (und zumeist einen würdevollen Dreiecksgiebel ausbildende) Satteldach des Langhauses wich einem geradezu profanen Walmdache! Dasselbe jedoch nicht zu einem ästhetischen Eintrag — lässt dieses doch die Schnittlinie mit dem Turm als eine Schräge überaus markant werden; durchaus markanter gar als die horizontale Schnittlinie, die sich in der Kombination mit dem Satteldach abzeichnet. Kurzum, die schräge Schnittlinie (und damit das Walmdach) verbessert die Gestalt der Durchdringung. Eine einfache (fast profane), aber eben besondere Idee. Auch werden die Blicke durch den Wegfall des Würdebauteils Dreiecksgiebel nun um so stärker auf den hoch-, bzw. durchschießenden Turm kapriziert.
Die Detailsprache. Weinbrenners Worte der Abrechnung mit dem spätestens zu Beginn des 19. Jahrhunderts auch in Baden überlebten Barock-Stil im Ohr (siehe Einleitung), reibt man sich einigermaßen verwundert die Augen in Anbetracht einer ohne weiteres barockartigen Gedrängtheit der Vielzahl lang aufstrebenden Pilaster (mit dorischen Kapitellen) auf den Längsseiten des Kirchenschiffes. Man stutzt, muss sich schließlich aber an der kraftvollen konstruktiven Ordnung erfreuen — tatsächlich ein originelles Moment im Stile Weinbrenners: barocke Gedrängtheit verbunden mit stämmigen Pilastern. Im übrigen bedeutet ein Pilastereinsatz für die zumeist nur mit Lochfassaden aufwartenden Langhäuser des Weinbrennerstiles eine eher seltene Anwendung. Ansonsten aber beansprucht das Kirchenschiff den vertikalen Pilastern zum Trotze auch einen horizontalen Effekt, namentlich eine deutlich ablesbare horizontale Schichtung aus Sockelstreifen, Sockelgeschoss (mit Rundbogen-Nischen im Kontrast zu den Rechteck-Fenstern des Hauptgeschosses), Gesimsstreifen, Hauptgeschoss und Dach mit auskragendem Rand.
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Die lobenswerte Detailarbeit zieht sich um das gesamte Gebäude. Man beachte das zäsierende Gesimsband auf welchem die dorischen Pilaster optisch aufstehen, Schiff und Turm zusammenbindend, letzterem durch "hochknicken" gar einen veredelnden Dreiecksgiebel über dem Eingang gewinnend.
Der Eingang selbst ist Ereignis, steht hier doch nichts geringeres als die kraftvollste Pfeilerausbildung im gebauten Oeuvre Weinbrenners! Und kraftvoll müssen die beiden Rechteck-Pfeiler (mit dorisierenden Kapitellen) auch sein, schließlich haben sie (optisch) die anstrengende Aufgabe, den gesamten Campanile zu wuchten!
Dieser besitzt ansonsten die vom Weinbrenner-Stil gewohnte Aufteilung in Turmkorpus und, von diesem durch ein Gesimsband auf Rollwerk-Konsolen separiert, das Glockengeschoss — wobei letztere den langen Unterbau durchaus als eine Art riesiger Sockel nutzt. Die Turmspitze zeigt auf jeder Seite rundbogige Schallfenster und endlich das Turmdach in der typischen geknickten Zeltform, welches dann das obligatorische Kreuz hält. Auffällig, dass dem Glockenstockwerk die zumeist verwendeten Eckpilaster fehlen. Dadurch kommt diese Partie nicht in die übliche konstruktive Ordnung (als sei sie aus einzelnen Baugliedern zusammengesetzt), sondern in der Wirkung eines Baukörpers. Man kannte den daraus resultierenden markanten Effekt schon von Weinbrenners Gotteshaus in Renchen (Sammlung '2'). Statt des Kontrastes Baukörper (Turmkorpus) zu konstruktiver Ordnung (Glockengeschoss), gewahrt man nun die vertikale Stapelung der Baukörper: Turmkorpus - Glockengeschoss - pyramidales Dach. Auch diese Gestalt, wenngleich sie des Kontrastreizes entbehrt, beweist nicht geringe Ansehnlichkeit. Der Campanile erlangt darüber ein noch wuchtigeres Aussehen.
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Aber die typische Zweiteilung des quadratischen Turmes ist nicht mehr als eine Grundmatrix, auf der sich ein betrachtenswertes lebendiges Bild erst noch entfaltet. Über dem monumentalen Eingang folgt das stets ein wenig "geheimnisvoll" wirkende Halbkreisfenster; dann ein Gesimsband, dem eine Rechtecköffnung aufsteht (veredelt mit "abstrahiertem" Dreiecksgiebel auf Rollwerk-Konsolen); seitlich jeweils eine wiederum rechteckige aber ausgesprochen kleine Öffnung; schließlich das schon beschriebene Zäsur-Gesims, die Rundbogen-Öffnungen, deren Bögen von vorgeblendeten Kapitellen gehalten werden und endlich die runden Zifferblätter. Eine Vielzahl verschiedener Formen sorgt also für das lebendige Bild des ansonsten von klaren Kanten definierten zweigeteilten Baukörpers. Natürlich herrscht der monumentale Ausdruck vor, das kraftvolle Emportreten, nicht jedoch ohne sich eines spürbar bildhaften Momentes zu erfreuen.
Friedrich Weinbrenner, einer der größten Baumeister Deutschlands, er verstarb 1826. Wohl konnte der schon von Krankheit gezeichnete Weinbrenner noch den Entwurf für die Ludwigskirche liefern; dann aber schloss die so erfolgreiche irdische Laufbahn. So oblag es August Schwarz den Entwurf bis 1828 in real existierende Baulichkeit zu überführen. Schwarz hatte zu diesem Zeitpunkt sein bedeutendes Talent als Weinbrenner-Schüler schon nachgewiesen. Das Rathaus von Eppingen, Schloss Schomburg und die Kirche in Unteröwisheim (alle Sammlung '1') zeugten von stilsicherer Originalität. Und mit der Kirche Sankt Nazarius in Adelshofen (bei Eppingen, Sammlung '1') sollte ihm wenige Jahre später sein größter "Wurf" überhaupt, eines der aufregendsten Bauwerke des Weinbrenner-Stiles, gelingen.
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Quellen 1) das Bauwerk selbst - Stilmerkmale und Wirkungen; Betrachtung des Gebäudes vor Ort
2) Dr. Emil Lacroix und Dr. Heinrich Niester "Kunstwanderungen in Baden", Chr. Belser Verlag Stuttgart, Ausgabe 1959
3) Arthur Valdenaire "Friedrich Weinbrenner: Sein Leben und seine Bauten", C. F. Müller, 4. Auflage Heidelberg 1985 (im Original: Braun Verlag, Karlsruhe 1926)
4) örtliche Informationstafel
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