"Villa Hamilton" (früher Großherzogliches Palais) in Baden-Baden / Friedrich Weinbrenner / 1809
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Es blieb also Friedrich Weinbrenner vorbehalten unter den Stadtpalais zur besten Ausführung zu gelangen. Freilich spielten ihm auch die Umstände zu, so durfte er vor den Toren der Stadt Baden-Baden die gerade für diesen Typus glückliche freistehende Anordnung wählen — eine Gelegenheit die der Meister zu nutzen wusste (wir kommen später darauf zurück).
Zunächst zur zentralen Geste der Villa Hamilton, zu einer Geste, die aus dem einfachen Hause das Stadtpalais schafft: die auf einem Sockel stehende Tempelfront, die sich beinahe brutal aus dem Gebäudeköper drängt — in diesem zur Vollendung geführten kraftvollen, wuchtigen Auftreten findet der Mittelrisalit unter seinesgleichen keinen Ebenbürtigen.
Betrachten wir die gelobte Tempelfront im Detail. Der Sockel tritt weit nach vorne, kubisch angelegt (das besorgt "Wucht") verpflichtet er sich einer einzigen Geste: tief schneidet er im Halbkreis den Haupteingang aus und unterstreicht damit die massige Wirkung. Dieser Eingang kann ohnehin als Ereignis gelten, besitzt er doch dergestalt geringe Höhe und markante Form, dass man sich, im Eindrucke eine Höhle zu betreten, unweigerlich ausreichender Kopfhöhe versichert!
Aus dem Sockel "schießen" mächtige gerundete Konsolen, den auskragenden Balkon haltend. In ihrem abwehrend-stacheligen Aussehen steigern sie nochmals des Besuchers Unwillen einzutreten. Eine Idee entstanden im Bannkreis der Revolutionsarchitektur; namentlich Blondel gelangte zur Auffassung, dass der Eingang eines Gebäudes als Inszenierung drückender Monumentalität dem eintretenden Besucher Respekt einflössen sollte.
Die eigentliche Tempelfront — wie immer bei diesem Typus aus drei Interkolumnien bestehend — weicht (mit sich die Fassade der Obergeschosse führend) gegenüber dem Sockel deutlich zurück. Die glatten kolossalen Halbsäulen mit den ungewöhnlichen tellerartigen Kapitellen dorischer Natur, genauso wie das mächtige Gebälk scheinen aus dem strahlend weißen Körper herauszuwachsen oder monolithisch aus einem Stück gefertigt zu sein. Den eleganten Dreiecksgiebel sehen wir mit dem für Weinbrenner typischen Gebälk, das als einfacher Streifen mit umlaufenden abgerundeten Balkenköpfen schließt.
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Der gesamte Vorbau erscheint als vehement in die Höhe strebende Skulptur und so wird beinahe selbst-verständlich das Dachgesims des Hauptbaukörpers durchstoßen. Die Seitenflügel selbst geraten notwendig zurückhaltend, nicht jedoch ohne der Gedrängtheit zu entsagen: die jeweils zwei Fensterachsen rücken von den Gebäudeecken ab in Richtung der beschriebenen Mittelpartie. Die gesamte Eingangsfassade widmet sich also der Ausdruckssteigerung hin zur Gebäudemitte.
Die Rückseite zeigt bei gleicher Grundkonzeption einen nicht minder brachialen Mittelrisalit, erfährt aber in wesentlichen Teilen Verstellung durch einen modernistischen Anbau.
Kehren wir schließlich zum eingangs beschrieben glücklichen Umstand der freistehenden Anordnung zurück. Weinbrenner nutzte die Eigenschaft des Solitärs um Palladios Villa Rotonda, wenn auch nur auf subtile Weise, anklingen zu lassen. Von der Vorder- und Rückseite mit ihrer Mittenbetonung sprachen wir bereits — auch die Seitenfassaden besitzen sie, wenn auch nicht in gleichwertiger Dimension, durch jeweils eine sehr große Gaube, die aus der spannungsvollen schiefergedeckten Dachlandschaft förmlich herauswachsen. Da freilich auch die notwendige Sichtbarmachung des Gebäudezentrums fehlt, kann tatsächlich nur von leichtem Anklange gesprochen werden.
Aber diese Idee war ohnehin nur Beigabe. Die formale Hauptaufgabe wurde oben beschrieben: die ausdrucksstarke monumentale Geste der Eingangsseite, die das Gebäude in dem ihm zukommenden Stand beruft, einst Baden-Badener Wohnsitz der großherzoglichen Familie gewesen zu sein.
Auf dem Wege zum gleichfalls von Weinbrenner errichteten Kurhaus (Sammlung '1') bedeutet die Villa Hamilton die schönste Einstimmung.
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_ Quellen
1) das Bauwerk selbst - Stilmerkmale und Wirkungen; Betrachtung des Gebäudes vor Ort
2) Dr. Emil Lacroix und Dr. Heinrich Niester "Kunstwanderungen in Baden", Chr. Belser Verlag Stuttgart, Ausgabe 1959
3) Arthur Valdenaire "Friedrich Weinbrenner: Sein Leben und seine Bauten", C. F. Müller Verlag, 4. Auflage Heidelberg 1985 (Original: Braun Verlag, Karlsruhe 1926)
4) Website www.bad-bad.de
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