Baukunst in Baden
  KA Haus Weltzien (09)
 

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"Haus Weltzien" in Karlsruhe, Kreuzung Herrenstraße mit Karlstraße  /  Friedrich Weinbrenner zugeschrieben  /  1822-23

Das weinbrennersche Schaffen hatte Karlsruhe eine ganze Reihe ausgezeichneter Bürgerhäuser, bzw. Stadtpalais  geschenkt. Dem Bombardement des Zweiten Weltkriegs jedoch hielt keines stand — einzig das dem Meister zugeschriebene Haus Weltzien (und ein Stadtpalais am Inneren Zirkel, siehe Sammlung '2' unter "KA Stadtpalais") blieb erhalten.
     Weinbrenners Entwurf gelangte gerne zu individuellen Lösungen — der Karlsruher Stadtgrundriss mit seinen fast beständig spitzen oder stumpfen Blockecken leistete diesen ohnehin Vorschub. Auch das Baugrundstück des Hauses Weltzien bedeutete diesbezüglich eine Herausforderung: auf die spitz zulaufende Situation reagierte Weinbrenner mit einem zweiflügeligen Gebäude in V-Form dergestalt, dass die Spitze abgestumpft und mit der repräsentativen Fassade des Gebäudes ausgezeichnet wurde. Das Haus ist im Sinne des Meisters denkbar klar strukturiert: über dem Sockelstreifen erhebt sich das Sockelgeschoss mit rustizierenden (optisch schwer machenden) in den Putz eingegrabenen Rillen; durch ein Gesimsband getrennt folgt das Piano Nobile mit unterstreichenden farblich abgesetzten Fensterrahmungen; dann das Dachgesims mit nur schwach hervortretenden Balkenköpfen und endlich die aufregende Dachlandschaft.
     Zurück zur Schauseite, welche zu aller erst vom Piano Nobile und dem förmlich aus dem Dach auftauchenden Dreiecksgiebel zur solchen erklärt wird. Das Piano Nobile fällt auf durch Fenster und Tür mit steingefassten Rahmungen endend in Rundbögen, welche auf Kapitellbändern stehen, die ihrerseits die einfachen Mauerabschnitte zwischen den Öffnungen zur pfeilerartigen Würdeform erheben. Wichtig natürlich auch der Balkon, der bei dieser Anordnung immer die "Adelung" des Gebäudes bewirkt. In Verbindung mit dem Giebel und dessen feinem Halbkreisfenster, sowie dem ob der bereits erreichten Detailfülle wohltuend zurückhaltenden Sockelgeschoss, finden wir das von Weinbrenner immer wieder scheinbar mühelos erzielte Fassadenbild ausgewogener Natur. Ruhigen oder zumindest zurückhaltenden und den Baukörper unterstreichende Partien — in diesem Sinne treten die Seitenflügel auf — sind kraftvolle und in ihrer Anzahl nie übersteigerte Details beigeordnet.
     Bis zu diesem Punkt haben wir ein "nur" schön gestaltetes Gebäude vor Augen. Der entscheidende Schritt hin zur beeindruckenden Monumentalität Weinbrenners erfährt das Haus Weltzien (und darin keine Ausnahme beanspruchend) durch das Dach, oder besser durch die Dachlandschaft. 

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Aller Ablehnung zum Trotze hatte der Barock-Stil auch für Weinbrenner einen Maßstab gesetzt. Und eines seiner wichtigen Stilmittel war stets die freundlich-verspielte Dachlandschaft, die zudem durch immer wieder beachtliche Höhen für die Gesamtwirkung des barocken Gebäudes entscheidende Bedeutung besaß. Davon in Kindheit und Jugend geprägt, und nach seiner Rückkehr aus Italien als den Klassizismus propagierender Architekt herausgefordert, gab er die unvermeidliche Antwort. Das Dach durfte (und musste) seine Bedeutung für die Gesamtgestalt behalten, es wurde lediglich das verspielte Moment zu Gunsten klarer geometrischer Formen ersetzt  — "Purifizierung" der Dachlandschaft kann man diesen Umgang nennen. Im Falle des Hauses Weltzien bedeutete das eine Modellierung des Daches hin zur repräsentativen Schauseite. Die Seitenflügel erhielten niedrige Satteldächer, aus denen sich zur genannten Seite das Dach kraftvoll nach oben entwickelt, geradezu bekrönt von aus dem Dach auftauchenden Sandstein-Blöcken mit Geländer. Dann fällt das Dach wieder ab, doch nur um als endlicher Höhepunkt im Dreiecksgiebel zu münden, der die Dachflächen förmlich aufzufalten scheint. Diese letzte Geste, die man ob ihrer kraftvollen Wirkung gerne Weinbrenner zuschreiben möchte, kommt nichtsdestotrotz wiederum aus dem Barock - lokale Beispiele hierfür findet man u.a. in der alten Wache Freiburgs (beim Münster) [21] oder beim Torhaus des Klosters Sankt Blasien [22] .
     Weinbrenner sah durchaus die Möglichkeiten barocker Formvorstellungen und nutzte sie, ihrer Schnörkel entkleidet, für sein strenges klassizistisches Formenvokabular — uns die urtümliche Wucht des weinbrennerschen Stiles schenkend.
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[21], [22] siehe Kapitel "Anhang"
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Quellen
1) das Bauwerk selbst - Stilmerkmale und Wirkungen; Betrachtung des Gebäudes vor Ort
2) Dr. Ernst Otto Bräunche, Dr. Manfred Koch "Karlsruhe in alten Ansichten", Europäische Bibliothek Zaltbommel/Niederlande, Stadtarchiv Karlsruhe 1995; Weinbrenner als Baumeister genannt

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