Baukunst in Baden
  Rotenfels Schloss (07)
 

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Landhaus ("Schloss") in Bad Rotenfels (Gaggenau, Landkreis Rastatt)   /   Friedrich Weinbrenner   /   1816-27

Friedrich Weinbrenner erhielt (in badischen Gefilden) dreimal die Chance ganz auf den Spuren der Inspirationsquelle Palladio zu wandeln (ein viertes Mal nahe Straßburg). Dessen große Werke des Villenbaus besitzen großen Reiz im Zusammenspiel mit freier, freilich der Landwirtschaft dienstbar gemachter Natur — Gebäude weit außerhalb befestigter Städte, die gleichsam zum Zentrum der großen zugeordneten Ländereien wurden. Genau dieses konnte Weinbrenner beim vorliegenden Landgut in der Nähe Bad Rotenfels' (Murgtal) einlösen. Palladio vor Augen muss Weinbrenner eine nicht geringe Freude über diese Bauaufgabe verspürt haben - nicht von ungefähr darf man das Schloss (so nennt es sich heute) zu den besten Leistungen Weinbrenners zählen.
     Dabei gab es für Weinbrenner nicht einmal besonders viel zu tun, vielmehr beschränkte sich der Auftrag im wesentlichen auf die Schaffung eines repräsentativen Entrees. Da der Klassizismus (im Stile Weinbrenners) gerne gerade hier Akzente setze, bedeutete Bad Rotenfels eine willkommene Aufgabe.
     Doch verweilen wir zunächst bei der Gesamtanlage. Weinbrenners Arbeit war eine Arbeit im Bestand, da hätte es schon eines großen Zufalls bedurft, wenn daraus eine im strengen Sinne palladianische Landvilla geworden wäre. Diese folgten in den bewundernswertesten Variationen dem gleichen Grundtypus: der Hauptbau als stets mächtiger Kubus von leicht rechteckiger oder quadratischer Grundform stellt sowohl auf der Empfangs- als auch der Gartenseite einen vornehmen Säulenportikus symmetrisch in die Fassadenmitte. Ausgehend vom Hauptbau ziehen sich langgestreckte Seitenflügel (mitunter jedoch nicht ausgeführt), deren Zweck der Landwirtschaft diente. Diese Konstellation finden wir in Bad Rotenfels nicht — einzig der Säulenportikus des Einganges bildet eine direkte Parallele. Wie anders dagegen der Hauptbau, wie aufregend anders dagegen der Hauptbau, der als langgestreckter Baukörper einer auffällig abweichenden Proportion Tribut zollt. Bereits von Weinbrenner geplant, aber erst nach dem Tode des Architekten ausgeführt, stehen die den (einst) landwirtschaftlichen Aufgaben verpflichteten Seitenflügel senkrecht zum langgezogenen Hauptbau. Ergo bildet sich eine Art Ehrenhof aus, der tatsächlich dem Charakter eines Schlosses entspricht. 

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Hofausbildungen solch strenger Natur findet man bei Palladio im übrigen nicht. Zieht man also ein Zwischenfazit, so entspricht die Vorgabe an Weinbrenner, Schaffung eines repräsentativen Landsitzes (Auftraggeber war kein geringerer als Markgraf Wilhelm von Hachberg) durchaus der Hauptaufgabe des großen Baumeisters Palladio — die konkrete Ausformung dagegen ist alles andere als stupende Kopie, vielmehr gelangt Bad Rotenfels (bei Berücksichtigung des Bestandes) zu einer erfrischenden Interpretation des palladianischen Themas.
     Der von Weinbrenner vorgefundene Bestand einer Mitte des 18. Jahrhunderts erbauten Manufaktur von demnach barocker wenngleich sehr zurückhaltender Natur musste in erheblichem Umfange beibehalten werden und leitete, wie schon angedeutet, den markanten Langbau her. Dieser, als eindeutig horizontaler Wirkung verpflichteter Baukörper bedeutete den glücklichsten "Hintergrund" für den auf markgräfliches Geheiß zu entwerfenden repräsentativen Säulenportikus. Die kaum enden wollende Horizontale des Hauptbaus besitzt nämlich den notwendigen kontrapostischen Charakter zu der klassizistischen "Standardmaßnahme" Tempelfront, die durch ihre Säulen stets der emporstrebenden Vertikalen zuspielt.
     Horizontale und Vertikale sind in ein spannendes Verhältnis gesetzt, in ein Verhältnis, das zugleich ausgewogen erscheint. Jedoch wird ein Gebäude dieser lagernden Gesamtproportion immer der Horizontalen verpflichtet sein, das heißt die Vertikale kann grundsätzlich keine Gleichberechtigung erwarten. Weinbrenner reagiert entsprechend, setzt also die Vertikale nicht mit Gewalt dagegen — etwa durch mögliche kolossale Säulen — vielmehr baut er einen breit gelagerten Treppensockel mit einem Säulenportikus von gleichfalls liegender Proportion. Wir haben hier einen der seltenen Fälle, in denen Weinbrenner für diesen statt römisch-vertikaler auf die griechisch-horizontale Proportion zurückgreift.


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Schauen wir uns besagten Vorbau genauer an. Die breit gelagerte Treppenanlage wurde symmetrisch konzipiert: zwei breite zweiläufige Treppen führen rechts und links in die Höhe. Dort angekommen fällt der Blick ganz zwanglos in den "Ehrenhof" und weiter schweifend in die anziehende Landschaft des hier geweiteten Murgtals. Optisch die Funktion eines Sockels einnehmend finden sich mittig der Treppenanlage entsprechend den darüber stehenden Säulenabständen fünf Rundbogen-türen. Ganz in "hartem" Sandstein gehalten erzeugte Weinbrenner einen reizvollen Kontrast zu den "weichen" Oberflächen des nun folgenden Gebäudeteils. Dieser stellt sich als edler Tempelportikus dar, als weinbrennersche Interpretation des antiken Themas, dem aber signifikant die "obligate" Wuchtigkeit abgeht — nicht zum Schaden der Wirkung. Ein flacher Dreiecksgiebel mit ionischem Gebälk liegt auf dorischen Säulen, welche in ihrer Proportion wiederum eher ionisch scheinen — deshalb also die ruhige und edle und eben nicht wuchtige kraftvolle Ausstrahlung. Wichtig dabei, die Kapitelle sowohl der Säulen als auch der Pilaster sind für Weinbrenner geradezu zierlich dimensioniert. Dankbar wird der Giebel über den Dachrand des Hauptbaus gehoben — auf Fassadenebene durch die Pilasterreihung trefflich vorbereitet. Von diesen ausgehend spannen starke Balken nach vorne zu den Säulen und erwerben der Giebeluntersicht ansehnliche Tiefenwirkung.
     Weinbrenner antwortete adäquat auf die vorgefundene Substanz, stellte sich ihr nicht entgegen, arbeitete  vielmehr für sie durch Hinzunahme eines repräsentativen Eingangs — eines Säulenportikus', dem zwar der typisch urwüchsige kraftvolle Ausdruck fehlt, der aber in der Art der Komposition zu den besten in Weinbrenners Oeuvre zählt.
     In unmittelbarer Nähe des Landhauses fanden sich drei Nebengebäude, gleichfalls von Weinbrenner konzipiert. Das Badehaus und das sogenannte Römische Haus wurde bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts abgetragen, wobei vor allem der Verlust des originellen Römischen Hauses sehr schmerzt. Einzig erhalten also ein gleichfalls originelles Bauwerk mit der Bezeichnung Schießpulverturm — ein schiefergedeckter von dichtem kontrastierendem Grün umgebener Holzturm (einst Jagdzwecken dienend), welcher als markantes Unikum Eingang in das Oeuvre Weinbrenners findet.
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Quellen
1) das Bauwerk selbst - Stilmerkmale und Wirkungen; Betrachtung des Gebäudes vor Ort
2) Dr. Emil Lacroix und Dr. Heinrich Niester "Kunstwanderungen in Baden", Chr. Belser Verlag Stuttgart, Ausgabe 1959
3) Arthur Valdenaire "Friedrich Weinbrenner: Sein Leben und seine Bauten", C. F. Müller Verlag, 4. Auflage Heidelberg 1985 (Braun Verlag, Karlsruhe 1926)
4) Homepage  
www.akademie-rotenfels.de

5) örtliche Informationstafel

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