Baukunst in Baden
  KA Stadtpalais (13)
 

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Stadtpalais ("Munck'sches Palais") in Karlsruhe  /   Friedrich Arnold   /   1827

Zu den weisen Entscheidungen Friedrich Weinbrenners gehörte — bei aller mit Vehemenz geführten Kritik am barocken Stil — die Akzeptanz des Karlsruher Stadtgrundriss selbiger Stilart.
     Ein wichtiger Baustein darin bildete das Modellhaus, auf das Weinbrenner gerne zurückgriff, entsprach dieses doch ganz seiner Konzeption der gestalterischen Einheit in der Vielfalt für das unvermeidliche Fleisch der Stadt, dem bürgerlichen Wohnhaus. Wir sehen Weinbrenner also auch hier in Kontinuität mit der Entwicklung, die zu Beginn des 18. Jahrhunderts in der alten Residenz Durlach ihren Anfang nahm und in der neuen von Karlsruhe ihre Fortsetzung fand, dem markgräflichen Wunsch nach gestalterischer Harmonisierung des Stadtkörpers mit Hilfe des barocken Modellentwurfs entsprechend. Diese entsprach damals ganz dem Zeitgeist — auch der badische "Bruder", die Markgrafschaft Baden-Baden ließ die residenziale Planstadt Rastatt durch Modellgebäude auffüllen; nicht anders die benachbarte Kurpfalz in Mannheim oder der württembergische Herzog in Ludwigsburg; und, in die Ferne schweifend, Friedrich der Große in Potsdam. Mit Beginn des 19. Jahrhunderts fand diese Form des Städtebaus ihr Ende, einzig Friedrich Weinbrenner unter den klassizistischen Architekten vermochte dieses Konzept im alten Umfange fortzuführen.
     Friedrich Arnolds Gebäude zeichnet sich dadurch aus, dass es — um das Ergebnis vorweg zu nehmen — das wohl schönste Beispiel eines Modellhauses in Baden darstellt. Auch dessen Lage zeichnet sich vorteilhaft: in der Stephanienstraße konnte die Planstadt Karlsruhe das letzte Mal einen modellhaften Straßenzug verwirklichen. Karlsruhe, erschüttert von den zerstörerischen Wellen des Historismus, des zweiten Weltkriegs und schließlich vom Modernismus, hat den ehedem modellhaften Charakter bis auf wenige "Ecken" verloren.
     Einzig die Sophienstraße konnte (Eingriffen zum Trotze) ihren Charakter halten. Zwischen den Prunk-Bauwerken der staatlichen Münze (von Weinbrenner) und dem stadtgründenden Schloss finden sich fast ausnahmslos Modellhäuser, und in deren Mitte gelegen, gleichsam in der ihm zustehenden Position liefert Arnolds Modellhaus das beste Ergebnis.
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Ruhe und Erhabenheit — Noblesse, aus denkbar einfacher Grundstruktur erwirkt. Dem ohnehin horizontal proportionierten Stadthaus, das sich durch die angemessenen Applikate Sockelstreifen, breites (graziöses) Gesimsband und das Dachgesims in der gewählten Wirkrichtung bestärkt sieht, stellte Arnold in Form des hervorgehobenen Mittelrisalits einen vertikalen Akzent entgegen.
     Neben dem geschmackvoll ornamentierten und zwischen Sockelgeschoss und Piano Nobile scheidenden Gesimsband erweist sich jener Risalit einer genaueren Betrachtung wert. Zeigt sich dessen mit rustizierenden Putzrillen behandelter Sockel noch in angenehmer Zurückhaltung, erscheinen darüber die Würdeformen Balkon, Pilaster (mit ionischen Kapitellen), Gebälk mit sparsamen Schmuck und endlich der Dreiecksgiebel. Hier begeht Arnold eigentlich Unschickliches: die Mitte der kleinen Tempelfront wird nicht von einer eigentlich obligaten Öffnungsachse eingenommen, sondern von einem Pilaster. Tatsächlich aber stört diese Anordnung ob des nur verkleidenden Charakters von Pilastern und Gebälk (nur unwesentlich vor die Fassade tretend) überhaupt nicht. Da man eine Anordnung dieser Art nur selten sieht, hat sie gar etwas Erfrischendes. Der Balkon hat, da er die gesamte Breite des Risalits einnimmt und damit glücklich betont genau die richtige Länge. Als gute Maßnahme erweist sich auch das Weglassen der Fensterrahmungen — sie hätten nur die Ruhe der Weihefront gestört. Für das sorgfältige Maß an Spannung sorgt die optische Durchdringung des breiten horizontalen Gurtes durch den vertikalen Risalit — eine beinahe gewaltsam wirkende Durchdringung.
     Noblesse: nirgendwo ein Zuviel oder Zuwenig; Horizontale und Vertikale ruhig und nicht ohne Spannung geführt und alles in guter Proportion — auch die eigentlich Asymmetrie erzeugende Toreinfahrt kann so verschmerzt werden.
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Quellen
1) das Bauwerk selbst - Stilmerkmale und Wirkungen; Betrachtung des Gebäudes vor Ort
2) örtliche Informationstafel
3) Friedemann Schäfer: Klassizismus - Stadtspaziergänge in Karlsruhe, G. Braun Verlag Karlsruhe, 2008

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