Rathaus der Stadt Eppingen (Landkreis Heilbronn) / Karl August Schwarz / 1823-24
Mit einem Worte: monumental! Unter den kleinen Rathäusern wird einzig dem Eppinger eine Säulenordnung zugestanden; und die hat es in sich: viereckige Pfeiler von fast unerhörter Proportion!
Doch gehen wir den vorgezeichneten Weg. Das Rathaus ist zunächst der gewohnt kubische Baukörper, freistehend, aus seiner wuchtigen Köperhaftigkeit keinen Hehl machend. Dominant tritt dann der mittlere Gebäudeabschnitt risalitartig nach vorne. Dessen Sockelgeschoss übernimmt die rustizierenden (Schwere verleihenden) Putzrillen des Hauptbaus, in der Wirkung lediglich aus letzterem "herausgeschoben" zu sein, und gibt schließlich mit einem Rundbogen den Eingang frei (reizvoll die strahlenförmig vom Bogen ausgehenden graphischen Putzrillen). Ein Eingang freilich, der ob der über ihm "bedrohlich" vorsprießenden Balkon-Konsolen alles nur nicht einladend und optisch niedriger scheint als tatsächlich der Fall! Die Haken-Konsolen sind paarweise angeordnet (entsprechend der Säulenanordnung) und tragen die Balkonscheibe, die sich aus dem umlaufenden zwischen Sockel und Piano Nobile scheidenden Gesimsband herausschiebt. Schließlich setzen die bereits bewunderten kolossalen Rechteck-Säulen ein — in einer Proportion, einem Querschnitt als müssten sie atlasgleich ganze Welten wuchten. Sie sorgen für eine geradezu brachiale Monumentalität, die dem unter ihnen "einschlüpfenden" Besuchern beinahe zwangsläufig den für den Eintritt gebotenen Respekt für die staatliche Institution auflädt — eine Idee der Revolutionsarchitektur, die auch Weinbrenner selbst mehrfach verarbeitete. Auch den in den Pfeilerabständen "eingeklemmten" Fenstern lassen sie kaum "Luft zum Atmen".
Die Pfeiler mit den dorisierenden Kapitellen tragen ein nicht minder gewichtiges Gebälk. Die Krönung übernimmt der bei dieser Konstellation obligatorische Dreiecksgiebel, der einen Balkenkopf-Fries unter sich hält. Dieses Balkengesims erscheint wie das Sockelgeschoss aus dem Hauptbau herausgerückt — fast unerwartet also ein Moment der Mäßigung: der Mittelrisalit durchstößt den Dachrand nicht, sondern schiebt ihn nur nach vorne; der Mittelrisalit bleibt also bei aller Kraft und Wucht durch Sockel und Dachgesims eingefangen.
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Doch erweist sich diese Maßnahme als die einzige Zurückhaltung — zum Hauptbaukörper zurückkehrend, muss festgestellt werden, dass die je zwei flankierenden Fensterachsen der Eingangsseite zur Mitte gedrängt, zum Risalit geordnet wurden, denselben in seinem Ausdruck nochmals bestärkend und die Gebäudeecken dem Eindruck der Massivität zuführend.
Ein verspieltes Detail findet sich im das geknickte Zeltdach und insgesamt das Gebäude formal abschließenden Dachreiter (erst 1830 aufgesetzt) — in seiner filigranen Holzkonstruktion bildet er einen merkwürdigen Kontrast zum kraftstrotzenden Risalit.
Ohne die letzte Überhöhung zu suchen holte Architekt Schwarz aus einem eigentlich kleinen Gebäude mit verhältnismäßig einfachen Mitteln ein beachtliches Maß an Monumentalität heraus — Schwarz handelte damit ganz im Geiste des Lehrmeisters. Von diesem hatte er auch die Inspiration für die mächtigen Pfeiler, namentlich von Weinbrenners frühwerklichem Kornhaus zu Gernsbach (Sammlung '1', Nummer 23).
Website-interner Link auf Eppingen (Altstadt im Gesamtüberblick): http://www.badischewanderungen.de/Eppingen.htm
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_ Quellen 1) das Bauwerk selbst - Stilmerkmale und Wirkungen; Betrachtung des Gebäudes vor Ort
2) Dr. Emil Lacroix und Dr. Heinrich Niester "Kunstwanderungen in Baden", Chr. Belser Verlag Stuttgart, Ausgabe 1959
3) Website www.eppingen.de
4) örtliche Informationstafel
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