"Stephanienbad" in Karlsruhe / Friedrich Weinbrenner / 1811
Weinbrenner baut ein gewaltiges Gebäudevolumen und stellt dessen Masse unverhohlen zur Schau. Alle weiteren Eingriffe dienen der Inszenierung vertikaler Kraft — das Gebäude wird mit weinbrennerhafter Sicherheit in den Stand der Monumentalität erhoben; dass es dabei zu wuchtiger, fast brachialer Ausstrahlung getrieben wird, liegt in der gewollten Natur der Sache.
Das Stephanienbad will immer und überall monolithischer Block sein. Die Gebäudeecken sind, den Baukörper unverhohlen zur Schau stellend und den Eindruck der Massivität herbeirufend, freigehalten, und die Seitenfassaden mit ihrer geradezu monotonen Fensterreihung tragen außer dem dünnen umlaufenden Gesimsstreifen zur Gliederung der Gebäudemasse bewusst kaum bei. Genauso bewusst verzichtet Weinbrenner auf Sockel und abgesetztes Sockelgeschoss — alles soll der einen großen Masse zugeschlagen sein. Fehlt noch das Dach: verwundert erblickt man in ihm vor allem Kontinuität zu hiesiger Bauhistorie. Das Satteldach wird nicht etwa antikisierend flach geneigt, sondern hat im Vergleich dazu als steil zu gelten — malt man sich das Gebäude im Geiste ohne Tempelfront und in anderem Material so hat man unversehens eine große Dorfscheune vor Augen!
Doch kehren wir, also die Giebelfassaden in den Blick nehmend zum klassizistischen Bauwerk zurück. Beide Seiten tragen ein imposantes Antlitz — die des Haupteingangs weiß dabei (noch) besser zu gefallen. Um noch mal auf das Dach zurückzukommen — hier wird deutlich, dass es Weinbrenner auch nicht einfach um die Repitation einheimischer Formideen geht, vielmehr dient die steile Neigung, einen hohen und großen Giebel ermöglichend, wiederum der bloßen Sichtbarmachung von Masse.
Man gewahrt eine weitere bewundernswerte Geste in der Tempelfront: zwei Pilaster (außen) und zwei Rundsäulen (innen) — lang und kraftvoll und mit der typischen dorischen Kapitellausbildung — schieben das Gebälk dergestalt geschickt in die Höhe, dass es den Dachrand trifft um doch noch einen (kleineren) Dreiecksgiebel zu bieten. Eine originelle Geste — jedenfalls kreiert sie ein hohes Maß an Spannung auf die Fassade!
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Schön anzusehen auch die anderen Maßnahmen: das Halbkreisfenster, im Giebel auf dem Gebälk ruhend und die breite symmetrische Treppenanlage. In letzterer befinden sich weitere zwei Halbkreisfenster und der eigentliche grottenartige Eingang, durch den man nicht anders als den Nacken einziehend in das Gebäude "schlüpfen" will. Nun, das Bauwerk flößt Respekt ein, da will der Eingang nichts nachstehen.
Auch die Rückseite pocht auf eine symmetrische Treppenanlage und die gleiche Pilaster- , Säulenordnung — beide jedoch eine Nummer kleiner: die Treppe in der Breite, das Tragwerk in der Höhe. Letzteres formt auch einen anderen Ausdruck. Pilaster und Säulen tragen einen Balken, der nicht mehr den Dachrand touchiert, sondern nur noch den horizontalen Geison des nun plötzlich ausgebildeten konventionellen Dreiecksgiebels. Dieser besitzt enorme Größe und wird von dem dünnen Dachrand merkwürdig scharf gezeichnet. Dazu passt auch das riesige Halbkreis-Fenster, dessen Glasfläche schön mit den in den Säulen-Pilaster-Abständen stehenden Fenstern korrespondiert.
Diese Fassade könnte genauso gut die Eingangsfassade geben — es das noch höhere Maß an Originalität, welches der tatsächlichen den Vorzug verschafft.
Fazit: Verzicht auf Sockel, markante Gliederung und hohe Giebel dienen dem Zweck ein letztendlich nicht wirklich großes Gebäude als gewaltigen Block auszugeben — das ist durchaus Revolutionsarchitektur im Kleinformat. Die Zurschaustellung des nackten Baukörpers scheint nicht minder wichtig als die veredelnden, die Monumentalität vollendenden klassizistischen Applikate.
Heute hat in dem ehemaligen Badehaus — diesen stand nach Weinbrenner, die römischen Badeanlagen vor Augen, eine solche Monumentalität durchaus an — eine Gemeinde ihre würdevolle Kirche gefunden.
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_ Quellen 1) das Bauwerk selbst - Stilmerkmale und Wirkungen; Betrachtung des Gebäudes vor Ort
2) Dr. Emil Lacroix und Dr. Heinrich Niester "Kunstwanderungen in Baden", Chr. Belser Verlag Stuttgart, Ausgabe 1959
3) Arthur Valdenaire "Friedrich Weinbrenner: Sein Leben und seine Bauten", C. F. Müller, 4. Auflage Heidelberg 1985 (Original: Braun Verlag, Karlsruhe 1926)
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