Baukunst in Baden
  Adelshofen Kirche (32)
 

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Sankt Nazarius in Adelshofen (Eppingen, Landkreis Heilbronn)   /   August Schwarz   /   1830-35

In Adelshofen nahe Eppingen trifft man auf einen der drei Geniestreiche des überaus talentierten Weinbrenner-Schülers August Schwarz. Namentlich auf das hiesige Gotteshaus, welches wie Schwarzes Rathaus in Eppingen und die Landvilla Schomberg (Badens Rotonda, gleichfalls in der Nähe des Fachwerk-prächtigen Eppingen) eines der vorzüglichsten Werke des badischen Klassizismus vor Augen stellt. Ja, man darf sogar noch weiter gehen, denn im den Weinbrenner-Stil dominierenden Kirchenbau (was die Qualität betrifft, an Quantität überflügeln die Bürgerhäuser natürlich billig) hat sich die Adelshofener Schöpfung nur vor Weinbrenners Karlsruher Großwürfen Sankt Stephan und Stadtkirche zu verneigen, und blickt auf gleicher Augenhöhe zu Christoph Arnolds Rippoldsauer Entwurf.
     Und noch mehr: vielleicht darf man im Adelshofener Bethaus die originellste Ausführung überhaupt sehen. Denn fußen die drei vorgenannten Beispiele nicht auf leicht auszumachenden Vorbildern — Sankt Stephan eifert dem antiken römischen Pantheon und die Stadtkirche dem antiken Tempel schlechthin nach; und die Doppelturm-Anlage Arnolds konnte auf zahlreiche Vorbilder von der Romanik bis zum Barock blicken. Adelshofen dagegen zeigt ein Gebilde, das ganz für sich steht: eine halbe Rotunde (als Kirchenschiff), gedeckt von einem halben Kegel und auf der Vorderseite, beide durchdringend, der Kirchturm. Eine Komposition, die, zumindest so weit der Autor weiß, ganz ohne bauhistorisches Vorbild erwuchs!
     Aber bleiben wir auf dem Boden und werden vor allem Friedrich Weinbrenner gerecht. Denn die Interpretation des Pantheons für St. Stephan ist von solcher Freiheit und Originalität, dass sie den trefflichen Entwurf Schwarzes ohne weiteres noch übertrifft. Gleiches gilt, wenn auch in abgeschwächter Form für Weinbrenners Stadtkirche, die auf eine unvergleichliche Turmkonzeption verweisen kann (während der Adelshofener Turm ganz dem weinbrennerschen Standard entspricht). Alleine Arnolds Rippoldsauer Doppelturm-Kirche wird in punkto Extravaganz übertroffen (nicht aber, wir sprachen davon, an Schönheit).
     Betrachten wir nun den Adelshofener Glücksgriff genauer. Zunächst nochmals das schon eingeführte Grundgerüst: eine halbe Rotunde (als Kirchenschiff), gedeckt von der Dachform eines halben Kegel und auf der Vorderseite, beide durchdringend, der Kirchturm. Ein effektvolles Bild! Und dieses umso mehr, als die Kirche am Ortsrand situiert und damit von einiger Fernwirkung. Dem nicht genug steht die Vorderseite dem beigeordneten Dorfe in erhöhter Position, was die Majestät und Monumentalität, wie man sich leicht ausmalen kann, bestens befördert. Der Standort, er ward überaus klug und berechnend auserkoren.
     Beide Ansichten, die Vorder- wie die Rückseite bieten viel Reiz. Die Rückseite lebt von der feinen Form der Rotunde, dem nicht allzu steilen Kegeldach — und der gleichsam bekrönenden Turmspitze. Die symmetrische Frontansicht dagegen von einem ungemein langen Dreiecksgiebel auf stämmigen Pilastern, welcher durchfurcht vom dynamisch aufstrebenden Campanile. Hat man zudem die Kirchenschiff-Form der Rotunde gewahrt (denn direkt der Eingangspartie gegenüber ist diese nicht auszumachen), dann wirkt die Front nur noch effektvoller als stehe man vor der glatten Schnittfläche der mit sauberem Schnitt halbierten Rotunde und Kegel! Ein mehrfach spannungsgeladener Entwurf.

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Sehr schön auch die Materialwahl der Außenflächen. Man gewahrt den im Sonnenlicht immer ein wenig silbrig-golden schimmernden gelben Sandstein. So recht das passende Fassadenmaterial für einen edlen Entwurf. Nimmer wollte der Autor etwas einwenden gegen die im Weinbrenner-Stil üblichen Putzfassaden (nicht nur für die Kirchen), denn die glatten und gleichmäßigen Flächen zeichnen in wünschenswerter Schärfe die Formen der Baukörper, unterstreichen also einen zentralen Entwurfsgedanken. Hier aber schickt sich der extravaganten Komposition der ungewöhnliche Fassadenstoff ohne weiteres. Dazu passend die Schieferdeckung der Dächer: schwarz zu gelb, der gewünschte Kontrast — ein Kontrast, nicht grell, sondern ruhig; und weil der Schiefer immer hautartig wirkt, den Baukörper-Gedanken unterstreichend.
     Führen wir uns nun die gewählten und das Baukörper-Spiel veredelnden Details zu Gemüte, beginnend mit dem Halbrund. Dieses ward der Fassade nach in zwei Geschossen angelegt, separiert von einem starken Gurtband. Der untere Abschnitt erscheint durch die Wahl kleinerer Öffnungen, den Verzicht auf Schmuck und Gliederungselemente zumindest latent in der Art eines Sockels. Schwarz aber war vor allem die Idee der Rotunde wichtig, einer in sich ruhenden Form, die auf horizontale Dynamisierung durch klare formale Trennung von Sockel und Hauptgeschoss lieber verzichtet. Und so sieht man im breiten Gesimsband eher das Fundament für die folgenden Pilaster und weniger eine Zäsur zwischen Fassaden-Stockwerken. Auf der Vorderseite führen zwei Türen (rechts und links des Turmes) durch die Erdgeschoss-Wand, ansonsten, rundum, lies Schwarz quadratische Fenster "einstanzen".
     Die obere Partie des Halbrundes, eingeleitet vom Gurtband, führt auf treffliche Weise stämmige Pilaster um die gesamte Form, also auch über die Vorderseite — was an den zwei Eckpunkten zu besonders kräftigen Eckpilastern Anlass gab. Letztere befördern gezielt das monumentale Auftreten der Vorderseite. Die Pilasterabstände werden konsequent von hohen Rundbogenfenstern beansprucht, dabei die eigene zurückhaltende Rahmung gefällig mit Kämpfergesimsen verschneidend. Im ganzen ergibt sich durch Pilaster und Fenster eine sehr angenehme Rhythmisierung nicht nur für den oberen Anteil, vielmehr nämlich für die Gesamtform.
     Die dorischen Pilaster tragen ein hohes Gebälk, welches gleichfalls ganz umläuft. Für die Rundform bedeutet es den Abschluss der Fassade, Anlass für das sogleich ruhig aufsteigende Kegeldach. Anziehend genug. Noch anziehender aber die Vorderseite. Denn hier ward der Dachkegel zugunsten eines breiten Dreiecksgiebels "aufgeschnitten", welcher hier also schicklich einem Gebälk aufsitzt. Zumeist vielleicht jener Giebel, wie immer im Weinbrenner-Stil nicht geduckt-streng sondern hoch und damit schwer, verleiht dem Frontprospekt die Respekt gebietende Monumentalität.
     Jener Breite des Giebels, also der Horizontalen, tritt energisch unser Campanile entgegen, wie ein Pfeil aufschnellend, durch Verschnitt mit dem Kirchschiff ein glänzendes Moment der Spannung in die ansonsten ganz und gar ruhevolle Vorderansicht "sprengend". Der Turmkorpus ist klar umrissener Baukörper, "eingefangen" von Gurtband und Horizontal-Geison, welche den strengen vertikalen Zug zu mildern wissen. Die Front des Turmkörpers zeigt ein kleines Formenlexikon, eine den Baukörper unterstreichende Lochfassade mit einer Vielzahl von Öffnungen. Darüber entsteht ein lustiges, ein lebendiges Bild, das der sonstigen Strenge eine Absage erteilt. Zu viele Fenster, eine gewisse Unruhe? Dem würde sich der Autor durchaus anschließen. Die Eingangsfassade bietet Reiz genug, hätte (für das Äußere!) auf die Hälfte der Turmfenster ohne weiteres und vermutlich zum formalen Nutzen des Gesamtprospektes verzichten können. Aber da war ja noch die Erfordernis, die Innenräume zu belichten — und so verbietet sich das Mäkeln erst recht bei einem solchen Werke eigentlich von selbst. Und so verwandelt es sich alsbald wieder in Freude über die Lebendigkeit der Turmfassade. Am schönsten im übrigen das dem Gurtband direkt aufsitzende Halbkreisfenster.

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Der Turmkorpus wird von einem Gesimsband optisch abgeschlossen, welches gleichzeitig die im Weinbrenner-Klassizismus geradezu berühmte Turmspitze einläutet. Es ist das gegenüber dem unteren Turmabschnitt zumeist Detail-edlere Glockengeschoss, den Baukörper gegen die konstruktive Wirkung vertauschend, welche typischer Weise konstituiert von vier mächtigen Eckpilastern, die dann Gebälk und geknicktes Zeltdach wuchten. Das ganze wie immer gekrönt vom erlösenden Kreuz. Die benötigten Schallfenster, symmetrisch in den Pilasterabständen, verzeichnen rundbogige Ausführung und ergänzende Details gleich den Bogenfenstern des Kirchenschiffes.

Dem Adelshofener Gotteshaus ward hier viel Lob zuteil. Gewiss zurecht. Alleine gewisse Ausführungsdetails geben denn doch Anlass zur Trübung — Details die wohl kaum im Sinne des talentierten Erfinders. Betroffen ist die Rückseite, die mit zwei, eigentlich drei abträglichen Momenten irritieren. Als erstes das Anschlussblech vom Kegeldach zum Turm: in gleicher Farbe wie das Schieferdach vermeint man dasselbe hilflos ein wenig hochgezogen, was die unbedingte Reinheit der Form (die Spitze des Kegels) ganz unangenehm verwischt. Am besten hätte man das zweifellos notwenige Abdeckblech der Farbe des Turmes angepasst.
     Nicht weniger kritikwürdig ein vermauertes Rundbogenfenster der Rotunde. Aus Bedürfnissen des Innraumes konnte man es nicht verglasen. Aber auf gleicher Ebene wie die Wandfläche und auch noch in gleicher Farbe? Der treffliche Rhythmus der Rotunde ist hierüber empfindlich gestört! Man hätte die Vermauerung zumindest zurücksetzen müssen — der Schattenwurf vermag vieles. Hätte man dieselbe dann auch noch grau gestrichen oder am besten durch ein Standardmittel unserer Zeit, undurchsichtiges Glas, ersetzt, so wäre man beiden Aspekten gerecht geworden: dem Inneren wie dem Äußeren.
     Schon geschickter die Vermauerung des hinteren Schallfensters des Kirchturmes, welche nämlich gegenüber der Wand zurückweicht. Alleine auch sie verzichtet auf den formal notwendigen Kontrast Wand — Öffnung. Warum hat man hier überhaupt vermauert?
     Diesen nachteiligen Maßnahmen wird hier nur deshalb Raum geschenkt (wobei die gleichfalls ungeschickt platzierten Fallrohre noch nicht einmal erwähnt wurden), weil sie summa summarum der Wirkung der Rückseite tatsächlich spürbaren Eintrag leisten, der großartigen architektonischen Idee des Baumeisters Hindernis bereiten. Die Adelshofener Kirchen zählt zu den originellsten klassizistischen Kirchen keineswegs nur von Baden — nein, auch deutschlandweit muss man sie in die Führungsriege zählen. Wenn allerdings der Schönheit durch unangepasste Details nicht geringer Schaden zugefügt wird, so fällt solches Ansinnen natürlich umso schwerer.
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Quellen
1) das Bauwerk selbst - Stilmerkmale und Wirkungen; Betrachtung des Gebäudes vor Ort
2) Website  
www.heimatverein-kraichgau.de 

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