"Belvedere" in Badenweiler (Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald) / Friedrich Weinbrenner / 1811-13
Welch' Kleinod! Kein anderes Werk Friedrich Weinbrenners kann sich dieser Tage noch solch' reizvoller Umgebung rühmen (das einst billig übertreffende Baden-Badener Kurhaus hat diesbezüglich viel eingebüßt). Jene Umgebung konstituiert sich aus viel Natur, von einem ab 1824 angelegten Kurpark und der umringenden Bergwelt des Hochschwarzwaldes. Dieses nun nimmt sich umso vorzüglicher aus, als das Konversationshaus gemeinsam mit seinem kongenialen Partner, der mächtigen Festungsruine Baden, seinerseits auch einen Berg erklimmt, von welchem der besagte landschaftliche Reiz von bester Einsicht.
Sucht man nun das kraftvolle kleine Gebäu an einem sonnigen Februartag auf, blickend auf den winterkahlen, schwarzgrün-dumpfen Gebirgssaum, die mächtige Burgruine "drohend" zur Seite, findet dann noch die Perspektiven, die die zu Füssen liegende Stadt Badenweiler ausschließen, so wähnt man sich leicht und umso reizvoller in arkadischen Tagen, ja man wähnt sich an antiker Kultstätte, vermeinend griechische Luft zu atmen.
Jener Effekt, er beruht natürlich auch auf den Qualitäten Weinbrenners, und so sieht man in dem kraftvollen Gebäu den typischen Weinbrenner schlechthin. Kurz gesagt: Portikus ... und gut! Was nämlich ansonsten zu sichten, ein kleiner, schmuckloser Gebäudekörper, wäre ohne den Säulen-Portikus eingehender Betrachtung kaum die Mühe Wert. Und so will man sich endlich verwundern, von welcher Tragfähigkeit die klassizistischen, respektive die antiken Gestaltungsmittel, die auch bei bescheidener, zurückhaltender Ausführung leicht in der Lage wahre Baukunst zu gewinnen. Dieses allerdings nur aus Hand des talentierten Baumeisters.
So profitiert das Belvedere nicht alleine vom Portikus, mehr nämlich noch von der Originalität der Gesamtkomposition — und eben jene war es, die Weinbrenner zeitlebens auszeichnete (während er die einfache Wiedergabe der antiken Säulenordnungen schlicht als nicht ausreichend erachtete — was ihm Kritiker zu seinem Nachteil auslegten, gleichsam als würde er aus Unkenntnis verfahren; ihn als Intimkenner des antiken Rom focht das freilich nicht an).
Man trifft also auf einen in der Tat kleinen Gebäudekörper, länglich, eingeschossig und mit Satteldach. Wenige Öffnungen durchbrechen ihn: je zwei auf den Quer- und je drei auf den Längsseiten. Die Steinrahmungen für neun Fenster und eine Tür wurden immerhin profiliert und das Satteldach darf sich an den Querseiten zu freilich einfachen Dreiecksgiebeln aufschwingen — mehr aber gab es von Weinbrenner nicht! Wie gesagt, kaum der eingehenden Betrachtung verlohnend.
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Dann aber die formale Wendung, welche erzwungen durch unseren Säulen-Portikus. Glänzend tritt er vor die im Sonnenlicht glänzende Südwest-Seite, die dem Kurpark zugewendete Längsseite (die andere "balanciert" über hohem Abhange). Er nimmt beinahe die gesamte Breite des Gebäudekörpers ein, weicht nur insoweit zurück als es reicht den Eindruck des Heraustretens aus dem geschlossenen Baukörper zu erzielen. Auch er ist das schmuckloseste Ding, das man sich denken mag. Zunächst, gleichsam als Fundament drei Treppenstufen, dann vier dorische Säulen, basislos. Markant die Kapitelle, polsterartig, wulstig (auch sie sind frei komponiert, können sich nicht auf römisch-antike Vorbilder berufen). Ein jedes trägt seinen Abakus (die quadratischen Platten), die ihrerseits beansprucht von hohem Gebälk, welches durch nichts bereichert außer einem einzigen Gesimse. Dann der Dreiecksgiebel, wie immer bei Weinbrenner durch relativ steile Dachneigung von nicht geringer Höhe. Der Dreiecksgiebel — Horizontal- und Schräggeison sind leicht profiliert, das große Giebelfeld wie immer leer — gewinnt durch seine Höhe leicht einen schweren, lastendenden Ausdruck, der den bereitstehenden Säulen sehr gut ansteht.
Es ist die typische Weinbrenner-Schwere, die auf kraftvolle, wuchtige Art aus ist, und eben nicht auf Strenge und Eleganz z.B. des Berliner Helden Schinkel. Spiele man sie nicht gegeneinander aus!
Jener Portikus, so gezielt das Gebäu aufwertend, er bedeutete auch nicht geringen Bonus für die Fassade des Hauptbaukörpers. Zur (formalen) Abtragung der vier von den Säulen in dessen Richtung spannenden Balken fand sich nämlich die gleiche Zahl Pilaster ein, dorisch und basislos, welche die Fassade trefflich rhythmisieren, aufwerten.
Beachte man auch das Dach, für welches wir insgesamt drei Dreiecksgiebel zählten. Da alle drei von gleicher First- und Traufhöhe, ergibt sich ein effektvolles Vor-und-Zurück.
Der Autor stand so einige Zeit vor der im Sonnenlicht glitzernden Seite, abwägend, ob man dies wirklich machen "könne", einen so großen Dreiecksgiebel aus einem so kleinen Gebäude heraustreten zu lassen. Aber eigentlich war es längst entschieden, denn dass das Gebäu vom ersten Moment weg ergriff, stand außer Frage.
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_ Quellen 1) das Bauwerk selbst - Stilmerkmale und Wirkungen; Betrachtung des Gebäudes vor Ort
2) Arthur Valdenaire "Friedrich Weinbrenner: Sein Leben und seine Bauten", C. F. Müller Verlag, 4. Auflage Heidelberg 1985 (Original: Braun, Karlsruhe 1926)
3) Dr. Emil Lacroix und Dr. Heinrich Niester "Kunstwanderungen in Baden", Chr. Belser Verlag Stuttgart, Ausgabe 1959
4) örtliche Informationstafel
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