St. Philippus und Jakobus in Oberhausen(-Rheinhausen, Landkreis Karlsruhe) / 1813
Eine der ersten Kirchen im Stile Weinbrenners — ein Vorbild sozusagen, ein wirklich gelungenes Vorbild für die vielen Kirchen selbiger Stilart, die in den folgenden 30 Jahren im Großherzogtum Baden entstanden. Die Kirche Oberhausens wählte die Zugehörigkeit zum Primär-Typus und gefällt darin sehr durch ihre Mischung aus disziplinierten, kraftvollen und lebendigen, bildhaften Zügen.
Kraftvoll wirkt (wie immer) der aufstrebende Turm, welcher weit in das Kirchenschiff eingesteckt vor allem durch seine Basis, welche in Form zweier zyklopenhafter Pfeiler die Höhe des Turmes zu wuchten hat, wobei der Turm dank des Bogens der Eingangsnische aus denselben herauszuwachsen scheint. Auch das Kirchenschiff besitzt einen kraftvollen Zug durch den von plastischen Profilen geformten Dreiecksgiebel, welcher ausladend einen für das Bild der Kirche dominanten Beitrag leistet. Zusammen mit dem Gesimsband unterhalb der langen Rundfenster der Seitenfassaden weiß der horizontale Geison des Dreiecksgiebels den Turm "einzufangen". Der Turm strebt wohl kraftvoll empor und vermag die beiden Bänder immerhin zur Verkröpfung zu bewegen, dennoch muss er sich gefallen lassen von diesen gehalten zu sein, was zum einen die Härte der Durchdringungsgestalt mildert und zum anderen dem Kirchenschiff ein aufwertendes Moment verleiht. Die Eingangsseite wird nun nicht einzig bestimmt durch die Vertikale des Turmes sondern auch (und dieser entgegenarbeitend) durch die durchlaufende Horizontale der beiden Bänder. Das Schiff hinterlässt somit und auch unter Zuhilfenahme ihrer beinahe öffnungslosen Eingangsfassade einen kraftvollen und zugleich wuchtigen Eindruck.
Das sich beimischende Gefühl von Lebendigkeit und Bildhaftigkeit, welches zusammen mit der Monumentalität einen also ausdrucksstarken Bau entwirft, manifestiert sich in der Verteilung und Ausführung der Öffnungen der Eingangsfassade und zuvörderst natürlich im beherrschenden Blickfang, der sorgsam und auffällig arrangierten Turmspitze.
Ein kurzer Blick genügt um des Entwurfes Vorliebe für das Doppel-Motiv zu gewahren, welches der Architekt durch die Wahl verschiedener Formate nur noch lebendiger gestaltete. Von oben nach unten: die Öffnungen des Glockengeschosses als rundbogiges Doppel, darunter zwei tief einschneidende nischenartige Fenster, dann ein Doppel aus großen rechteckigen Formaten mit Sandstein-Rahmung (die oberen Abschnitte kragen leicht aus, wodurch das konstruktive Element glücklich befördert), schließlich zwei wirkliche Mini-Schlitze stark vertikaler Proportion, die gemeinsam eine kurze Fensterbank nutzen; die gleichen Schlitze tauchen im Dreiecksgiebel rechts und links des Turmes nochmals auf und finden sich auch in etwas verbreiterter Proportion unterhalb des ersten Gesimsbandes (wiederum beiderseits des Turmes). Die Anordnung des Zweiermotivs erfolgt zwar diszipliniert, vermittelt aber durch die unterschiedlichen und z.T. ungewöhnlichen Formate ein in erster Linie bildhaftes Antlitz.
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Das Glockengeschoss setzt auf den bewährten (genauer den sich in der Folgezeit bewährenden) Kontrast zum körperhaften Schiff und zur gleichfalls körperhaften unteren Turmstrecke indem es die konstruktive Ausstrahlung wählt, also wie ein aus verschiedenen Baugliedern zusammengesetztes Element erscheint. In diesem Falle tragen vier Eckpfeiler und die gleiche Anzahl einfacher Pfeiler die insgesamt acht wie die dorisierenden Pfeilerkapitelle (Kämpfergesimse) fein profilierte Bögen. Da das zwischen unterem Turmabschnitt und Glockengeschoss separierende Gesimsband auf der Eingangsseite eine dachartige Neigung aufweist, scheinen hier die Pfeiler spannungsvoll herauszuwachsen. Ein weit ausladendes Balkenkopfgesims bereitet den Übergang zum Dach, welches für die nüchternen weinbrennerschen Verhältnisse geradezu als verspielt gelten muss. Auf den ersten flach geneigten Zeltdach-Abschnitt folgt erstaunlicherweise ein vertikaler Anteil und endlich ein vom Kreuz abgeschlos-senes steil geneigtes Zeltdach. Markant dreigeteilt, aber durchgehend in schwarzem Schiefer gefasst wirkt das Dach wie ein eigener beinahe fremdartiger Körper, der dem Turme schlicht aufgesetzt.
Insgesamt entstand ein origineller Kirchenbau, der vor allem in seinem kraftvollen Auftreten und weniger im Spielerischen, welches also die Originalität ausweist, reichlich Nachfolge fand.
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_ Quellen
1) das Bauwerk selbst - Stilmerkmale und Wirkungen; Betrachtung des Gebäudes vor Ort
2) Dr. Emil Lacroix und Dr. Heinrich Niester "Kunstwanderungen in Baden", Chr. Belser Verlag Stuttgart, Ausgabe 1959; Kirche 1813 erbaut
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