Großherzogliche Münze (Münzprägeanstalt) / Friedrich Weinbrenner / 1826-27
Es war die Bauaufgabe, die Friedrich Weinbrenner nochmals in altem Formwillen "schwelgen" lies.
Das Großherzogtum Baden als wunderlich geformte Landmasse — wunderlich, da in seiner ausgesprochen langen und schmalen Proportion tatsächlich nur aus Grenzen bestehend und deshalb im Ernstfall aus eigener Kraft nicht verteidigbar (erst recht nicht gegen das damals immer wieder beunruhigte Frankreich) — musste von den Landesbürgern ob seiner Lebensfähigkeit immer kritisch beäugt werden. Solches galt umso mehr für die Institution der die Aufgabe der Geldmittel-Produktion oblag — die Potenz des Staates, hier musste sie unbedingt deutlich werden.
Friedrich Weinbrenner nahm sich die (nicht nur) symbolische Bedeutung der in Karlsruhe neu zu gründenden Münzprägestätte zu Herzen, und so schuf er der großherzoglichen Vorzeige-Institution eine lange Straßenfront mit einer beinahe schlossartigen Schauseite, die ganz an das eigene Frühwerk gemahnend von Wucht und kraftvollen Gesten durchdrungen ist.
Lang musste sie also sein, die dem fragenden Bürger zugewendete Schauseite — lang, aber natürlich nicht monoton, sondern wie es uns Weinbrenner immer wieder zur Freude reicht, lebendig gegliedert. In diesem Falle führt uns der Meister eine gar siebenteilige Komposition vor Augen und um diese optisch nicht auseinander fallen zu lassen, um dem Betrachter die Ordnung auf verständliche Weise zu vermitteln, wählte er ( zeitgemäß ) die symmetrische Anlage.
Die alle Blicke auf sich ziehende Mitte wird von einem (wie beim Schlossbau) erhöhten "Corps De Logis" eingenommen, natürlich den Haupeingang bereit haltend. Ihm zur Seite gestellt gewahrt man zwei folgerichtig zurückhaltend gestaltete Seitenflügel — dann folgen rechts und links je eine Tordurchfahrt, deren Bögen die Verbindung schlagen zu den abschließenden Gebäudepartien, zu zwei freistehenden tempelartig proportionierten Nebengebäuden. Die Münze besteht bei sieben Gliedern letztlich aus drei einzelnen Gebäuden und setzt die gestalterischen Akzente in der Mitte und (zurückhaltender) an den Enden.
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Diese Art der gestalterischen Führung hatte Weinbrenner spätestens bei seinen römischen Studien verinnerlicht — der seinerzeit nach Karlsruhe übersendete Entwurf für das dort neu zu erbauende Rathaus wartet jedenfalls mit einer nicht unähnlichen Komposition auf. Möglicherweise machte er sie sich unter Zuhilfenahme von Andrea Palladios "Quattro libri" schon früher zu eigen — unübersehbar nämlich die Affinität des Münze-Arrangements zu Palladios mit Nebengebäuden ausgestatteten Landvillen, wenngleich diese ob der für Weinbrenner typischen Zusammendrängung der einzelnen Abschnitte durch Verzicht auf lange Seitenflügel nur zur Inspiration und nie zu genauer Übernahme "taugten".
Dem Gebäude Gedrängtheit und damit Wucht verliehen, sollten die drei wichtigsten Partien Mitte und Enden durch ihre Ausformung in Baukörper und Detail das Gebäude endgültig der monumentalen Wirkung zuführen.
So erhielt der "Corps de Logis" selbstverständlich durch den fein gearbeiteten Dreiecksgiebel die ihm zustehende würdevolle Form, bleibt zuvörderst aber bestimmt von der kraftvollen vertikalen (und für Weinbrenner typischen) Geste der Mittelpartie. Als lange Rundbogen-Nische stellt sie sich der horizontalen Wirkung des Giebels förmlich entgegen, sprengt ihn gar. Die Nische scheint beinahe gewaltsam in den Baukörper gedrückt und verschafft auch den beiden anschließenden Abschnitten des Mittelbaus vertikale Geltung. Auch deren Details: Säulen, Pilaster und stehende Öffnungsformate spielen der Vertikalen zu. So sorgt gerade die klar formulierte vertikale Kraftrichtung für den monumentalen Ausdruck des "Corps de Logis". Der abschließende horizontale Giebel bündelt die drei vertikalen Abschnitte dann wieder. Aus dem Gesamt der siebenteiligen horizontalen Komposition wird der "Corps de Logis" spannungsreich in die Höhe geführt und schließlich vom großen Dreiecksgiebel als neuerlicher horizontaler Gegentendenz gekrönt.
Die Seitenflügel zeigen an dieser Stelle wohltuende Zurückhaltung und bei Sockelübernahme der Mittelpartie und damit ausgesprochen niedrigem Piano Nobile klare Horizontalität.
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Die Toreinfahrten sind Verbindung und durch niedrige Höhe Zäsur, wobei ihr formaler Abschluss mit weit auskragendem Gesims und kräftigen Konsolen zu gefallen weiß.
Die beiden Enden der Anlage sollen also (ohne dem "Corps de Logis" Eintrag zu leisten) den gefälligen abschließenden Akzent setzen. Zunächst erfüllen sie die Aufgabe durch ihre (über die deutlich niedrigeren Torabschnitte hinweg) erfassbare Eigenschaft als Solitäre, denen durch gebilligte Dreiecksgiebel die notwendige Würdeform zukommt. Mehr noch — dank geschickter Proportion und Detailarbeit entsteht die angepasste Variation antiker Tempelchen, oder besser antiker Schatzhäuser, die tatsächlich in solcher Dimension errichtet wurden. Für die Detailierung wichtig, neben dem mit Gebälkstreifen versehenen Giebeln, der Sockelstreifen und die Fassadenbehandlung des Sockelgeschosses: die tiefen Nischen evozieren Mauerabschnitte, die durch Kapitelle (Kämpfergesimse) zum Würdebauteil Pfeiler aufsteigen, ihrerseits elegant die Rundbögen tragend.
Weithin sichtbar die lange Karlsstraße (eine der längsten Straßen Karlsruhes) abschließend und dabei entlang der mit Modellhäusern bebauten Stephanienstraße in Richtung des stadtgründenden Schlosses zeigend (die Stephanienstraße ist eine der zahlreichen strahlenartig vom Schloss ausgehenden Strassen), sollte der Landesbürger dem gerade in finanziellen Angelegenheiten stets besonnenen badischen Hofe immerhin noch fast 100 Jahre das Vertrauen schenken.
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_ Quellen 1) das Bauwerk selbst - Stilmerkmale und Wirkungen; Betrachtung des Gebäudes vor Ort
2) Dr. Emil Lacroix und Dr. Heinrich Niester "Kunstwanderungen in Baden", Chr. Belser Verlag Stuttgart, Ausgabe 1959
3) Arthur Valdenaire "Friedrich Weinbrenner: Sein Leben und seine Bauten", C. F. Müller, 4. Auflage Heidelberg 1985 (im Original: Braun Verlag, Karlsruhe 1926)
4) Website www.karlsruhe.de
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