Kreuz-Kirche in Auggen (Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald) / Christoph Arnold? / 1835
An der Kreuz-Kirche Auggens, einem Orte südlich Freiburgs, erfreut zunächst die landschaftliche Situierung. Majestätisch auf einer Anhöhe über dem historischen Kern Auggens, erwirkt es keine geringe Fernwirkung für die Rheinebene. In der zwischen letzterer und dem hier aufragenden Hochschwarzwald vermittelnden Hügelwelt fand das Gotteshaus eine sehr glückliche Heimstätte. Nur wenige Kirchen des Weinbrenner-Stiles können auf ähnliche Fernwirkungen aufmerksam machen.
Diesem Umstand tritt die Grundkonzeption des Gebäudeentwurfes unterstützend zur Seite. Der Baumeister nämlich griff zum primären Typ der klassizistischen Kirchen Badens: auf der Vorderseite des Gotteshauses tritt der vertikale Campanile kraftvoll aus dem horizontalen Kirchenschiff. Diese strenge und klar gezeichnete Geste, ungestört von wie immer nur moderater Schmuckanbringung ist bestens geeignet auch auf viele Kilometer Entfernung noch gute Ablesbarkeit zu bieten.
So weit so gut. Das ist die "halbe Miete". Wie aber ist es um die Betrachtung aus nächster Nähe bestellt? Aus dem Dorfe nähert man sich dem Gebäu auf einem durchaus längeren Wege. Zeit genug also; Zeit genug dem Entwurf um schrittweise die reife Gestaltung, die gekonnte Detailsprache zu entfalten. Das nun umso mehr als man vor allem die Vorderseite im Blick hat, welche wie in aller Regel die beste, aufwendigste Ansicht bedeutet. Am Ende schält sich der kraftvolle Prospekt effektvoll zwischen niedrigen Bäumen hervor.
Der Weinbrenner-geübte Blick hat schon seit geraumer Zeit eine durchaus ungewöhnliche Harmonie im Aufbau des Frontprospektes bemerkt. Und die bei langsamer Annäherung fast zwangsläufige Analyse legt alsbald den entsprechenden Anlass offen. Die auf den Eingang zuführende Freitreppe ist noch zu gewinnen, dann aber baut sich das in der Tat sehr reife Fassadenarrangement ganz ungestört in die Höhe. Harmonie, begriffen als Gleichmaß — das bedeutete diesem Entwurf eine Milderung des für gewöhnlich scharfen Gegensatzes Turm und Vorderseite Langhaus.
"Für gewöhnlich", das heißt eine Konzentration der verwendeten Fassadendetails auf den Turm. Der durch denselben führende Haupteingang erhält in aller Regel edle Details, mitunter in Gestalt der hoch aufstrebenden Rundbogennischen mit eingestellter, "freier" Konstruktion auch eine umso stärkere Betonung. Noch "berühmter" aber die Turmspitzen, welche zumeist eine detailreiche Aufgliederung des Baukörpers in ein Gerüst konstruktiver Glieder vorsehen, darüber sehr oft zur edelsten Gebäudepartie des gesamten Kirchenbaus aufsteigen.
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Nicht dass man dies alles nicht auch an der Kreuz-Kirche vorfände — alles aber abgemildert. Und noch wichtiger die sorgfältig formulierten Fenster des Langhauses rechts und links des Campanile. Wo dieselben bei den anderen Kirchen des primären Grundtyps, falls überhaupt vorhanden, in aller Regel sehr bescheiden ausfallen, weil die Vorderseite des Langhauses eigentlich nur die eine formale Aufgabe besitzt, vom Turme scharf durchschnitten zu werden, keineswegs durch besonderen Detaileinsatz von dieser Geste abzulenken — da zeigt die Kreuz-Kirche zwei hohe Rundbogennischen, deren jeweils oberer Anteil von kunstvollen Fenstern ausgefüllt sind. Je zwei gekuppelte Rundbogenfenster und ein Rundfenster zeigen an dieser Stelle nicht nur ungewöhnliche Formenfreude, bringen sogar je eine kleine Vollsäule und zwei angeschnittene Säulen ins Spiel. Unter den Kirchenschifffenstern des Weinbrennerstiles zählt dieses Arrangement zu den reifsten Leistungen. Unser Gotteshaus zeigt zwar die typische hohe Rundbogennische für den Haupteingang durch den Turm; die Ausfüllung derselben, obgleich keinesfalls kärglich, nimmt sich im Vergleich mit anderen Beispielen (Scherzheim, Wössingen, Zähringen — alle Sammlung '1') aber insofern bescheidener aus, als keine besondere Dominanz über die beschriebenen Langhausfenster ausgeübt wird. Die Detailtiefe ergibt vielmehr ein Zusammenspiel, das auf Gleichmaß deutet. Verbleibt noch die Turmspitze. Für sie gilt das gleiche — obwohl keineswegs kärglich, rückt sie von der üblichen Detailfülle ab. Interessanterweise zeigen die hohen gekuppelten Glockenöffnungen sogar ein Arrangement, welches bei anderer Proportion den beiden Langhausfenstern nachstrebt. Turmspitze, Eingang und Vorderseite Langhaus zeigen also insgesamt eine zumindest ähnliche Detailtiefe, darum also Gleichmaß, Harmonie.
Die Reife des Entwurfes zieht aber noch weitere Kreise. Auf den klar gezeichneten Dreiecksgiebel, durchstoßen vom Campanile, sei verwiesen. Oder auf die Überführung der Wandpartien rechts und links der Eingangsnische in zwei mächtige Pfeiler (dank Kapitellausbildung auf Höhe des Horizontalgeisons), was dem Eingangsprospekt die für den Weinbrenner-Entwurf typische kraftvolle Wirkung reichlich befördert.
Die Längsseiten des Kirchenschiffes zeigen lange Rundbogennischen, ausgefüllt im Gegensatz zur Vorderseite von weit zurückhaltenderen Fenstern. Hier also keineswegs eine Überraschung. Eine solche hat wiederum die Rückseite zu bieten: kein Chor auszumachen! Dafür eine ungewöhnliche Häufung verschiedenster Fenster- und Nischenformen. Das ganze ist schön anzusehen, zumeist dank der sehr großen zentralen Öffnung, welche feingliedrig verglast. Eine gewisse Trockenheit kann dieser Prospekt dennoch nicht ganz abschütteln. Indessen nirgendwo zum Schaden. Das Hauptstück des äußeren Entwurfes ist die Eingangsseite — eine Hierarchie, die Beachtung findet.
Wenn man die Kreuz-Kirche umrundet, erzeigt sich von der Westseite der Umkehrschluss der Fernwirkung dieses Gotteshauses: ein trefflicher Blick in die Rheinebene. Und so sind sie auch am Ende dieses Beitrages glücklich vereint — Gotteshaus und Landschaft.
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_ Quellen
1) das Bauwerk selbst - Stilmerkmale und Wirkungen; Betrachtung des Gebäudes vor Ort
2) Website www.auggen.de; Jahreszahl angeführt; Christoph Arnold als Baumeister vermutet (von mir): Arnold war von 1819 bis 1835 in Freiburg Oberbaudirektor, damit für einen Kirchenbau in Auggen zuständig
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