Sankt Johannes Baptist in Oppenau (Landkreis Ortenau) / Johann Ludwig Weinbrenner / 1824-27
In Oppenau im gar schönen Renchtal findet man einen ungewöhnlichen Kirchenbau des Weinbrenner-Stiles. St. Johannes Baptist im übrigen stellt neben einem Stadttor die Hauptsehenswürdigkeit des Ortes.
Das Extravagante des Äußeren, für welches sich der Neffe Friedrich Weinbrenners, Johann Ludwig verantwortlich zeichnet, lässt sich auch mit nur flüchtigem Blick sofort erfassen: es ist die Spitze des Campaniles, das im Weinbrenner-Klassizismus ja immer das Auge fangende Glockengeschoss.
Zunächst aber, wir wollen denn doch nicht mit der Tür in Haus fallen, eine grobe Beschreibung der Gesamtkomposition. In der Enge des Renchtales findet man den am weitesten verbreiteten Kirchtyp des Weinbrenner-Stiles, namentlich den primären Grundtypus, welcher auf der Vorderseite des Langhauses, dieselbe kraftvoll durchdringend, den Campanile gen Himmel aufsteigen lässt. Als zweifellos reizvollen Aspekt gewahrt man statt des typischen optisch-weichen Verputzes einen Bau aus rotem Sandstein, welcher darüber zu mehr Härte und Strenge der Gestalt Anlass gibt. Während der Turm beinahe die sämtlichen veredelnden Details für sich beansprucht, steht das Schiff, sieht man einmal von den schön anzusehenden Pilastern der Vorderseite ab, wie immer vor allem nüchtern. Standardmäßig furchen hohe Rundbogen-Fenster (jeweils zweigeteilt) dessen Längsseiten. Von rauer Schönheit die Rückseite, wo der Chor in der Art einer romanischen Apsis symmetrisch an die Fassade "geklebt" — das Spiel klar gezeichneter Baukörper, ein Lieblingskind des Formenkanon von Friedrich Weinbrenner.
Die Hauptmusik freilich ertönt auf der Vorderseite. Zwei Eckpilaster und zwei vom Turme angeschnittene Pilaster "tragen" ein Gebälk, welches den Turm zweifellos gefällig einbindet. Dann ein Dreiecksgiebel, vom Campanile in zwei Abschnitte gegliedert. Auch die untere Partie des Turmes gefällt: zwei lange Pilaster markieren die Ecken (und tragen damit optisch das umlaufende Gebälk), außerdem der hohe, sich zurückstaffelnde Eingang in der gekonnten Art eines Triumphbogens.
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So weit so gut. Dann aber ein erstes formales Fragezeichen. Die obere Partie des Turmkorpus (ohne Glockengeschoss) zerfällt optisch in zwei Abschnitte, was einige Unruhe in den Turmaufbau bringt. Man findet hier schlicht eine Idee zuviel. Nichtsdestotrotz wird typischerweise eine Plattform für das nun folgende Glockengeschoss geformt.
Diese nun lässt den Weinbrenner-Kenner regelrecht stutzen. Ein polygonaler Aufsatz, welcher auch noch gedeckt von Welscher Haube mit verspielter Laterne? Dem polygonalen Aufsatz ein wenig mehr Schmuck, so müsste man eine barocke(!) Turmspitze konstatieren. Auch in tatsächlicher Gestalt kommt die Spitze dem von Friedrich Weinbrenner verpönten Barockstil nahe genug — und so verwundert man sich über ein Glockengeschoss, welches lustig-beschwingt auf einem ( trotz des "Zuviel" ) Weinbrenner-typisch kraftvollen Unterbau "balanciert".
Nicht dass das Glockengeschoss irgendwie hässlich wäre, nein, das scharf gekantete Oktogon, einen klaren Baukörper zeichnend, welcher auch von den vier Schallfenster eher belebt als gestört — und dazu das kunstvolle Dach — stellt ohne weiteres eine ansehnliche Gestalt, wie ja auch der streng definierte Baukörper dem Weinbrenner-Stil bestens hinnehmbar. Alleine das Glockengeschoss setzt eben nicht den kennzeichnend kraftvollen Schlussakzent der Gesamtkomposition.
Man wollte jenen architektonischen Gedanken als einen Standard für die Weinbrenner-Kirchen keineswegs für stilgerecht empfinden. Als Ausnahme aber, dem Kenner gleichsam eine erfrischende Kuriosität (was keineswegs abschätzig gemeint), ist sie ohne weiteres willkommen. Und der Stadt Oppenau hat der "Streich" Johann Ludwigs ein echtes Unikat beschert.
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Quellen 1) das Bauwerk selbst - Stilmerkmale und Wirkungen; Betrachtung des Gebäudes vor Ort
2) Dr. Emil Lacroix und Dr. Heinrich Niester "Kunstwanderungen in Baden", Chr. Belser Verlag Stuttgart, Ausgabe 1959; 1827 als Erbauungsjahr, Baumeister Johann Ludwig Weinbrenner
3) Website www.oppenau.de; 1824 Grundsteinlegung
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