Friedhofskapelle in Wintersdorf (Rastatt, Landkreis Rastatt) / 1859
Ein letztes erstaunliches Kleinod weinbrennerscher Gotik, welches noch erstaunlicher durch die Zeit der Entstehung: 1859! Also 33 Jahre nach dem Tode des Meisters und rund 20 Jahre nach dem allgemeinen Verebben dessen Stils, atmet ein Bauwerk nochmals den Geist Weinbrenners.
Die kleine Kirche spiegelt den typischen Umgang Weinbrenners mit dem Stil der Gotik ausgezeichnet wider. Es werden gotische Elemente adaptiert und für das eigentliche Anliegen Weinbrenners, also dem körperhaften, wuchtigen Ausdruck eine monumentale Geste formend, dienstbar gemacht. Daraus entspringt eine markante Gestaltung, verschieden von der eigentlich preferierten Antike, aber dennoch getragen von der vorbeschriebenen die beiden Richtungen verbindenden Intention.
Dem folgend ist auch die Kapelle zunächst Baukörper und keineswegs gotischer Versuch die Masse in eine unüberschaubare Zahl himmelwärts strebender Bauteile aufzusprengen. Der geschaffene Baukörper trägt gar alle Zeichen originellen Wesens, lässt er doch auf ungewöhnliche Weise die beiden (kleinen) Baukörper Schiff und Turm miteinander verschmelzen. Auf der Eingangsseite befinden sich die beiden Protagonisten nämlich in gleicher Fassadenebene, so dass der Turm aus dem Schiff herauswächst. Wichtig dabei die zwei kurzen Gesimse überhab der spitzbogigen Eingangstür, welche in Flucht des Turmaufsatzes den Turmgedanken aufrecht erhalten und somit dessen Herabsinken zum einfachen Dachreiter verhindern.
Entsprechend dem Eingang (und der Nische mit schmückender Heiligenfigur darüber) besitzt der auf niedrigem Sockelstreifen sitzende Baukörper des Schiffes an den Seitenfassaden je zwei Spitzbogen-fenster in Steinrahmung (ebenfalls gestrichen).
Das gefälligste Bauelement stellt zweifellos die Turmspitze, die ganz im Sinne der Kirchen im Stile Weinbrenners als konstruktive und edle Komposition im Kontrast steht zum Körperhaften und Schlichten von Schiff und unterem Turmabschnitt. Vier Pfeiler (durch Kämpfergesims als solche ausgewiesen) und in deren Abstand die gleiche Anzahl von Rundsäulen tragen jeweils zwei Spitzbögen, dem Glockenschlag insgesamt also 8 lange Öffnungen in gotischer Manier des Spitzbogens zum Durchlass anbietend. Von der unteren Turmstrecke durch ein umlaufendes Gesims getrennt, dasselbe als eine Art Plattform nutzend, stellt auch die Spitze eine gelungene und originelle Form, welche einzig durch das Zeltdach, das einen wenig eleganten Eindruck hinterläßt, einen gewissen Eintrag erhält.
_
_
_ Quellen 1) das Bauwerk selbst - Jahreszahl, Stilmerkmale und Wirkungen; Betrachtung des Gebäudes vor Ort
_
_
_
_
_
_
_
_
_
_
_
_
_
_
| Heute 275 Besucher (359 Hits) | | 1.295.320 Besucher, 5.952.200 Hits seit September 2006 |