Rathaus in Wallstadt (Mannheim) / Friedrich Dyckerhoff / 1837
Mitunter findet sich auch solches im Stile Weinbrenners: ein Klassizismus von durchaus spielerischer Natur. Für das Rathaus des Mannheimer Vorortes Wallstadt leistet Dyckerhoff erneut ansprechende Gestaltgebung — ganz nach Friedrich Weinbrenner schafft er ein wuchtiges, kraftvoll auftretendes Bauwerk; ihm hinzu gesellt sich ein figural-körperhaftes und lebendig-verspieltes Moment.
Dyckerhoff stellt eine "große weiße Skulptur" auf niedrigen Sockelstreifen — er verzichtet im Gegensatz zu Lehrmeister Weinbrenner auf ein optisch wirksames Sockelgeschoss, welches üblicherweise durch eine andersartige Oberflächenbehandlung (seien es rustizierende Putzrillen oder einfach eine andere Fassadenfarbe) des Erdgeschosses erreicht wird. Dyckerhoff verzichtete gerne, ja vielmehr lässt er das Piano Nobile durch die Halbkreis-Bögen geradezu aus den Mauerscheiben des Erdgeschosses "herauswachsen". Das umlaufende aber allenthalben durchstoßene Gurtband hat durch die verklammernde Wirkung der Rundbogen-Nischen nur eine gliedernde, keine trennende Funktion. Es ist dieses "Herauswachsen", das dem Gebäude die reizvolle figurale ("vielbeinige") Erscheinung ermöglicht. Diesem Kraftfluss in die Höhe vermag dann selbst der Dreiecksgiebel nicht standzuhalten, als gesprengte Ausführung lässt er die sich zuspitzende Masse passieren.
Da auch die Gebäudeecken, wie immer im Weinbrenner-Klassizismus (bei Verzicht auf Säulen- oder Pilasterbesatz der Ecken) freigelassen sind, läßt sich das Gebäude in seiner primären Eigenschaft als gebauter Körper unverfälscht wahrnehmen.
Kehren wir zurück zur (symmetrischen) Giebelfront der Eingangsseite: das lebendige, spielerische Moment ist augenscheinlich - die Freude an verschiedenen Formen. Auf die in Halbkreis-Bögen endenden Nischen folgen hohe rechteckige Fenster im (eigentlichen) Piano Nobile. Diese stehen auf einem Gesimsstreifen, der nicht umläuft, sondern dekorativ nur die Giebelfront überquert. Ebenso dekorativ schweben die Balkenverdachungen in einiger Höhe über den Fenstern. Der von den stark nach vorne tretenden Dachflächen umrissene Giebel besitzt wiederum ein Rundbogenfenster und zwei lustige kleinen runde Öffnungen. Der gestalterische Abschluss findet sich schließlich im für das Rathaus jener Zeit obligatorischen Dachreiter (eine kleine Glocke vor dem Wetter schützend).
Sehr interessant auch Dyckerhoffs Umgang mit der optisch wirksamen Tiefe der Fassadenöffnungen: im Erdgeschoss dringen die Nischen tief ins Mauerwerk — im Piano Nobile und Giebel dagegen treten die Fenster nur knapp hinter die Wandfläche. Hieraus folgt ein bestimmter und erstaunlicher Effekt: das Erdgeschoss wirkt schwer und massig, der Gebäudeteil darüber hingegen ungewöhnlich leicht und somit den oben eingeführten Eindruck des "Herauswachsens" von Piano Nobile aus Erdgeschoss vollendend.
Ein lebendiger skulpturaler Eindruck, der jedoch Eintrag erhält durch Maßnahmen unserer Zeit: Verkehrsschilder, Telefonzelle, Briefkasten, Schildchen (plus verschmutzte Fassadenstellen an denen einmal Schildchen hingen) und endlich ein abscheulicher Blech-Glas-Verschlag.
Man frägt sich, ob den Stadtteil-Verantwortlichen "Verschandelung" ein Begriff ist.
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_ Quellen
1) das Bauwerk selbst - Stilmerkmale und Wirkungen; Betrachtung des Gebäudes vor Ort
2) Andreas Schenk "Architekturführer Mannheim", Verlag Reimer Berlin, Ausgabe 1999
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