"Alte Kanzlei" in Karlsruhe / Friedrich Weinbrenner / 1806-16
Die Kanzlei des großherzoglichen Karlsruhe stellt ein ganz und gar merkwürdig überformtes Gebäude dar — überformt, da es entgegen dem Entwurfe Weinbrenners ausgeführt und letztlich einer nur wenig glücklichen Wirkung unterworfen wurde. Entsprechend der anderen (barocken) sogenannten "Zirkelbauten", welche im Stadtgrundriss die ersten in kreissegmentförmiger Anordnung vis-à-vis des Residenzschlosses platzierten Baublöcke darstellen, durfte die Kanzlei die gesamte Schauseite (Richtung Schloss) zum homogenen Entwurf nehmen.
Der heute eher zusammenhanglos nach vorne tretende Mittelrisalit war eigentlich und dieser Geste erst Sinn verleihend einer Komposition mit Säulenportikus gewidmet, welche zudem durch ein zusätzliches (drittes) Geschoss weitere Hervorhebung erfahren hätte. In diesem Falle hätte die Kanzlei eingedenk ihrer Funktion eine durchaus gebührliche Geste gegenüber dem Residenzschloss gemacht. Der Großherzog zeigte sich nicht dieser Ansicht und strich kurzerhand den Säulenportikus und das dritte Geschoss der Mittelpartie. In diesem Zusammenhang sollte allerdings auch angemerkt werden, dass die Kanzlei bei ursprünglicher Konzeption ein zwar zustehendes würdevolles Aussehen erhalten hätte, aber mit der markanten Mittenbetonung des Säulenportikus aus der Riege der ansonsten ruhigen und nur dem Motiv der Fensterachsen-Reihung verpflichteten Zirkelbauten wenig angenehm, da dominierend herausgetreten wäre.
Wie dem auch sei, das Gebäude wurde ohne den Säulenportikus ein gebauter Torso, dem man später auch noch insgesamt ein drittes Geschoss aufsetzte. Letzteres geschah immerhin diszipliniert und der Fassade wohltuend in der Art niedriger Mezzaninfenster und ersetzte das von Weinbrenner verachtete Mansarddach, welches man ihm in Angleichung an die restlichen Zirkelbauten aufgezwungen hatte, durch das von Weinbrenner preferierte nüchterne Walmdach.
Im besonderen Maße erwähnenswert bleibt nur der Arkadengang im Erdgeschoss, welcher in der Ausführung massiger Quadratpfeiler und gleichfalls massiger Rundbögen einzig im Oeuvre Weinbrenners. Auch trotz der Risalitausbildung macht er einen in typischer Weinbrenner-Schwere sehr gelungenen Eindruck.
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_ Quellen 1) das Bauwerk selbst - Stilmerkmale und Wirkungen; Betrachtung des Gebäudes vor Ort
2) Arthur Valdenaire "Friedrich Weinbrenner: Sein Leben und seine Bauten", C. F. Müller, 4. Auflage Heidelberg 1985 (im Original: Braun Verlag, Karlsruhe 1926)
3) Website www.karlsruhe.de
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