Baukunst in Baden
  Wintersdorf Kirche (33)
 



ein Bild

Sankt Michael in Wintersdorf (Rastatt)   /   1821

Eine Masse, eine Geste — und fertig die "Geheimnis" atmende Kultstätte. Das kleine Wintersdorf am Rhein nahe Rastatt bedurfte einer Kirche, besaß aber — wie so oft in den badischen Gemeinden — keine Mittel für großartige Sprünge. Für so manchen Architekturstil hätte dieser Mangel Planung und Ausführung geradezu verunmöglicht, nicht so dem klassizistischen Stil Weinbrenners. Ihm hielt die erzwungene Reduktion stets die Chance bereit durch blanke Massenwirkung respektable, ausdrucksstarke Monumentalität zu erzielen.
     In diesem Sinne kann Wintersdorf als ein Paradebeispiel gelten. Das 1821 entstandene Kirchenschiff ist einfachster Putzbau, gedeckt durch Satteldach und an den Längsseiten die bekannten langen Rundbogen-Fenster führend. Einzig die Eingangsseite wird einer originellen Geste unterzogen, welche dem kleinen Kirchenbau aber erstaunliche Monumentalität einbringt — mit einem Male steht auf dem niedrigen Sockelstreifen eine spannungsvolle Skulptur, deren hoher geisonfreier Giebel die Massenwirkung des reinen Körpers steigert, ihn umso wuchtiger erscheinen lässt und in einem ausgewogenen Verhältnis zur zentralen Eingangsgeste steht.
     Auch der Eingang wurde im Grunde einfach, dabei aber bildhaft und gezielt inszeniert durch die typische in das "Fleisch" des Baukörpers eindringende Weinbrenner-Nische. Dabei sind die vertikalen Anteile effektvoll durch ein langes Kämpfergesims vom Rundbogen separiert. Zusammen mit dem Sockelstreifen sorgt es für ein spürbares horizontales Moment im Fassadenaufbau, welches in feinem Kontrast zu dem des vertikalen steht, wobei letzteres zuvörderst durch Nische und hohen Giebel bedient wird. Der Eingang erhält immerhin eine Balkenverdachung auf Rollwerk-Konsolen, der große Rundbogen wurde mehrfach profiliert, das (leider vermauerte) Halbkreisfenster bedeutet eine reizvolle und glücklich auf dem Kampfergesims liegende Formenwiederholung des Bogens, und endlich werden die Mauerabschnitte seitlich der Nische durch den Kapitellstreifen (Kämpfergesims) in Richtung Pfeiler aufgewertet.
     Die Eingangsseite besitzt nur im Eingang selbst eine Öffnung, der Rest ist sparsamst gegliederte leere Fläche. Die eindrückliche kraftvolle Wirkung steht in keinem Verhältnis zum minimalen Aufwand.
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Quellen
1) das Bauwerk selbst - Stilmerkmale und Wirkungen; Betrachtung des Gebäudes vor Ort
2) Dr. Emil Lacroix und Dr. Heinrich Niester "Kunstwanderungen in Baden", Chr. Belser Verlag Stuttgart, Ausgabe 1959


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