Stadtpalais in Mannheim (Haus Schott/Bumiller) / Friedrich Dyckerhoff / 1833/34
In diesem Stadtpalais sehen wir ein ahnsehnliches Stück urbaner klassizistischer Architektur — es ist der Grundtypus des weinbrennerschen Stadtpalais'. In seiner Gesamtwirkung fällt dem Gebäude Lob zu, bei eingehender Betrachtung offenbart sich aber auch die eine oder andere Schwäche.
Aber erfreuen wir uns zunächst am Friedrich Dyckerhoff zugeschriebenen Palais, schließlich bietet es ein vornehmes, ausgewogenes Bild aus Horizontale und Vertikale.
Ersterer sind Sockelgeschoss und Piano Nobile durch lagernde Situierung ganz natürlich gewidmet — als Applikate dienend finden sich (von unten nach oben) Sockelstreifen, rustizierende Einkerbungen, das die Geschosse scheidende profilierte Gesimsband, der Gebälkstreifen und das mit markanten Balkenköpfen ausgestattete Dachgesims.
Die Vertikale hingegen kommt zur Anschauung in der typischen gelungenen Herausarbeitung der Mittelpartie: im Sockelgeschoss wird der Baukörper schlicht nach vorne geschoben, wobei der Eingang reizvoll in die Masse eingeschnitten wurde; im Piano Nobile geht's dank der Pilaster kunstvoller zu, im Dachbereich schließlich erneut das einfache Vortreten der angewandten Stilmittel und endliche "Bekrönung" vom im Fall des Typus Stadtpalais beinahe obligatorischen Dreiecksgiebel. Gleichfalls der Vertikalen dienend die Fensterumrahmungen des Piano Nobile, die durch verputzte Hervorhebungen sowohl den Anschluss an das Sockelgeschoss finden, als auch die über den Fenstern verbleibende leere Fläche unter weiterer Zuhilfenahme von Balkenverdachungen beleben.
Das weniger anregende: zwei Punkte. Im Piano Nobile treten die Balken über den Fenstern dergestalt aus der Fassade, dass sie einen horizontalen Effekt erzeugen, wo er schlicht unangebracht wirkt, nämlich zwischen den Pilastern. Diese Fassadenfläche lebt von einer klar akzentuierten Vertikalen und bedarf keiner horizontalen Gegentendenz. Der zweite Punkt betrifft den Giebel — er tritt zu stark nach vorne, ist zudem nicht ausreichend vom seitlich angrenzenden Dachgesims geschieden und insgesamt in keiner glücklichen Proportion. Das ständige Bestreben, beim Typus des Stadtpalais, auf einen risalitartige vortretenden Sockel eine Tempelfront zu stellen, ist zwar auch hier deutlich formuliert, erscheint aber ob des übersteigerten Giebels in nicht ausgewogenem Verhältnis. Sehr schön sind dabei jedoch die Pilaster (mit fein gearbeiteten ionischen Kapitellen), die kraftvoll, will heißen weit vor die Fassade treten und somit konstruktiven, weil über die Wandfläche dominierenden Charakter wiederspiegeln.
Es mag an der kraftvollen Formulierung liegen, dass die Nachteile nicht recht ins Gewicht fallen. Den guten Gesamteindruck vor Augen überwiegt das erfeuende Moment.
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Quellen
1) das Bauwerk selbst - Stilmerkmale und Wirkungen; Betrachtung des Gebäudes vor Ort
2) Andreas Schenk "Architekturführer Mannheim", Verlag Reimer Berlin, Ausgabe 1999
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