Etliche Meter höher situiert, aber immer noch Teil der vorzüglichen, gleichfalls im frühen 19. Jahrhundert angelegten Parkanlage, das dritte architektonische Glanzstück der baden-badischen "Renaissance": die Stourdza-Kapelle. Kein geringerer als der bayrische Hofbaumeister Leo von Klenze, neben Preußens Karl Friedrich Schinkel und Badens Weinbrenner der große Baumeister des deutschen Klassizismus, lieferte einen hervorragenden Entwurf im Auftrage des rumänischen Fürsten Stourdza. Das edle und kompakte Gebäu gefällt zumeist durch seinen Säulenportikus. 1864-66 ausgeführt ein regelrechter Nachzügler des Klassizismus, ein darüber umso reiferes Werk, gar das letzte überhaupt des alsbald sterbenden von Klenze! Baden-Baden ward darüber die einzige Stadt Deutschlands, welche Bauwerke von zweien der drei großen Klassizisten Deutschlands auf sich vereinigen konnte.
Diese sechs Bauwerke sind die schönsten, die Vorzeigebauten der Stadt. Was aber die Stildurchmischung anbelangt so hat der Historismus, ja selbst der (nur in Baden-Baden) unscheinbare Barock gewichtige Worte mitzureden. Den Gebäuden der Gründerzeit, also ab 1860/70, nämlich ist das Gros des historischen Baden-Baden vorbehalten. Die Schwächen dieses zusammen mit dem Jugendstil letzten Flackerns der Baukunst wurden oben schon entbreitet. Sei zur Anerkennung denn doch vermerkt, dass die Bauwerke ja nicht umsonst die originalen Stile von Romanik, Gotik, Renaissance, Barock und Klassizismus kopierten. Wenn auch alles Neuschöpferische abgeht, die Zusammenstellung der Fassaden immer ohne den entscheidenden originären Geist vollzogen werden musste, so findet man an den getreulich nachgezeichneten Schmuckelementen dennoch seine Freude. Und was im Falle des Stadtzentrums zu einem echten Vorzuge gereicht, leistet der reizvoll geschwungene Stadtgrundriss des Mittelalters, der nämlich im 18./19. Jahrhundert (notgedrungen) respektiert ward.
Darüber entstanden nämlich malerische Züge, ja auch eine den Prospekten wohltuende Dichte — Ansichten ferne von Rigidität und Einfallslosigkeit. Weil hier und da auch Gebäulichkeiten des frühen 19. Jahrhunderts überdauerten, welche mit niedrigerer Etagenzahl, ergibt sich stellenweise ein sehr lebendiges und freundliches Aussehen der Straßenzüge. Am Ende findet man sich beinahe versöhnt mit dem Historismus! Während der Stil der Gründerzeit auf den strengen barocken Straßenrastern Mannheims und Karlsruhe weit mehr Fragwürdigkeit aufwarf (wovon heute freilich fast alles zerstört), verdankt er in Baden-Baden dem Grundriss aus den alten Residenztagen nicht geringe Gunst. Das dabei ansehnlichste Einzelbauwerk zeigt das imposante Friedrichsbad, ab 1869 nahe der Stiftskirche ausgeführt: ein langgestreckter schmuckbeladener Bau mit monumentalem Mittelrisalit.
Sehr reizvoll geht ein "Riss" durch das nach der Zerstörung 1689 wiedererrichtete Baden-Baden. Je näher man nämlich der Stiftskirche und dem Neuen Schloss kommt, desto älter werden die Gebäude, reichen endlich bis in die Tage des ersten Wiederaufbaus zurück! Hier kommen die Häuser deutlich kleiner und niedriger und mit gänzlich unprätentiösen Fassaden. Kaum will man glauben, dass man sich durch barocke Quartiere bewegt. Der Baustil des Barock, bekannt vor allem für seine üppigen und schmuckprunkenden Arrangements, man wüsste sich ihn nicht ärmer zu denken als an den Stadthäusern Baden-Badens. Alle Not und Armut nach der Zerstörung tauchen hier nochmals auf — welch’ wertvolles Zeugnis also!
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