Sehr reizvoll steht die ehemalige Klosteranlage Oberried in einem Seitental des auf Freiburg zuführenden Dreisamtales. Der Hochschwarzwald türmt gewaltige Massen um die vom Brugga durchflossene und nach dem Ort alsbald sehr eng werdende Senke. Mag es an solchem Naturschauspiel liegen, dass man von der Vierflügelanlage, die schlichter schlichtweg nicht gedacht werden kann, zu echter Anteilnahme angeregt wird. Bleckend weiß hebt sich das 1684-88 errichtete Gebäu von seiner Umgebung ab.
Auch der Name der Erbauer macht aufmerksam: die Wilhelmiten. Hierbei handelt es sich keineswegs um eine preußisch-kaiserliche Vereinigung, sich im Glanze vor allem Wilhelm II. sonnend, vielmehr um einen mönchischen Orden, der im frühen 13. Jahrhundert seinen Ausgang in Italien nahm. Stifter Wilhelm, möglicherweise ein französischer Adeliger, soll in seiner Pilgerschaft bis ins Heilige Land vorgedrungen sein; später fand man ihn als Eremiten in Norditalien wieder. Nach Ordensgründung blühten die Wilhelmiten noch im Mittelalter, je länger aber, desto unscheinbarer. Auf dem später badischen Territorium sind sie unter den verbreiteten Orden zweifellos ein "Exot". Schon im 13. Jahrhundert tauchten Wilhelmiten in Oberried auf. Dann aber bezogen sie Hauptquartier in einem heutigentags nicht mehr erhaltenen Gebäude in Freiburg. In entschlossener Abneigung zum französischen Okkupanten, welcher Freiburg 1677-97 inne, entschied man sich alsbald nach dem nicht fernen Oberried auszusiedeln. Möglicherweise bis zum 30jährigen Krieg ward hier noch eine Dependenz unterhalten; für den Klosterneubau entschied man sich jedoch an anderer, zentralerer Stelle. Und man beauftragte den erfahrenen und baulustigen Franziskaner-Mönch Vitus Rastpichler mit der notwendigen Planung.
Zunächst entstanden die drei Klosterflügel, welche dann ab 1687 das Gotteshaus als Südflügel zu einem klassischen viereckigen Klosterhof komplettierte. Sparsamkeit und Gediegenheit reichten sich die Hand. Sehr gefällig erhebt sich die Kirche — bei konsequenter Fluchtwahrung — mit ihrer Fassade (und Dach) über die anderen Flügel; man bemerkt die immer reizvolle skulpturale Wirkung, die bei solchem Fluss ungegliederter Baumasse entsteht. Folgerichtig nimmt sie für die wichtigsten Baupartie — eben das Gotteshaus — den Weg nach oben.
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Oberried ward seinerzeit der Hauptort dreier Wilhelmiten-Niederlassungen in Südwestdeutschland. Endlich aber hatte die auf sich selbst gestellte Abtei den Punkt erreicht, an welchem die Anlehnung an einen entschieden bedeutenderen Partner umso gebotener erschien. Ab 1724 schloss man sich der einflussreichen und großen Benediktinerabtei Sankt Blasien an. Mag die Nähe des nicht allzu fernen Klosters, welches gleichfalls im Hochschwarzwald situiert, den Ausschlag gegeben haben.
Oberried blieb mit Mönchen "bestückt", öffnete die Klosterkirche später aber zu einer der gleichnamigen Ortschaft dienenden Pfarrkirche "Mariä Krönung". Auch unter den Benediktinern ging alles einen beschaulichen, einen soliden Gang. Bis Baden kam.
1806 fiel die vorderösterreichische Besitzung an die dank Napoleon aufstrebende, alsbald zum Großherzogtum bestimmte Markgrafschaft. Das Aus auch für diese klösterliche Niederlassung — Säkularisierung! Glücklicherweise fand die Gebäulichkeit neue Nutzung: das Gotteshaus hatte seinen Weg als Pfarrkirche ja bereits eingeschlagen; ansonsten zogen Gemeindeverwaltung und Pfarrer ein. Solch erhaltendes Glück hätte man sich auch für viele weit größere und ansehnlichere Abteien wie Schwarzach, Schuttern, Allerheiligen (alle Wanderungen Band ‘1’) oder Tennenbach (Band ‘2’) gewünscht!
Das bis ins 21. Jahrhundert Überlieferte könnte als Fassadengestaltung kaum zurückhaltender gedacht werden. Und dennoch treten einige Schmuck- oder zumindest auffällige Elemente hinzu, die gleichsam als ein Mindestmaß die strengen Fassaden beleben; und das abwägende Auge auch über die spannungsvolle Einbettung in die Landschaft hinaus, für eine gewisse Zeit zu beschäftigen vermag. Sparsamkeit bedeutet hier keineswegs Kunstlosigkeit! So gewahrt man dem Gotteshaus einen kleinen Dachreiter mit Zwiebeldach, außerdem zwei sehr ungewöhnlich gestaltete Strebepfeiler, welche benötigt um den Schub des Deckengewölbes abzufangen. Die gesamte Anlage schwankt lustig zwischen Renaissance und Barock, atmet durch die an die Gotik gemahnenden Strebepfeiler gar noch Mittelalter.
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Als weitere Bereicherung erhielten alle vier Blockecken eine strenge Quaderung. Edler als die ganz einfach gerahmten Klosterfenster stellt sich der Haupteingang im Norden mit seinen Gewänden zur Anschauung. Reizvoll tief in die Mauermasse greifen dagegen die mit einem Hauch von einem Bogen versehenen Fenster in das Gotteshaus. Hier denn auch das schönste Detail des gesamten Flügelbaus: das Portal.
Das feine Sandsteinarrangement zeigt im Stile der Spätrenaissance zwei Pilaster, welche Gebälk und einen per Wappen gesprengten Dreiecksgiebel tragen. Der eigentliche Eintritt formt gar noch einen gotischen Spitzbogen. Mag das Portal tatsächlich vom Freiburger Vorgängerbau, welcher der gewaltigen barocken Festungsanlage aufgeopfert, herrühren. Zum Neubau nämlich verhält es sich durchaus als Anachronismus. Verschiedene Öffnungsformate zeichnen der übergiebelten Eingangsseite insgesamt zweifellos ein ansehnliches, weil lebendiges Antlitz.
Betritt man dann die Kirche, so ist die Überraschung keine geringe! Denn was außen so unprätentiös, das findet innen zu einem veritablen Reichtum. Hier zieht denn der Barock seine schmuckvollen Fäden, präsentiert den Glanz seiner Möglichkeiten. Bis auf die Altäre und die Kanzel jedoch ohne Überschwang. Letzterer wird denn auch von einer ungewöhnlich lebensnahen Statue des Gekreuzigten unterminiert. Der Schrecken und die Qual werden untypischerweise offen gezeigt. Und dem muss das säkulare Herz schon vollkommen erkaltet sein, der hier nicht mit Jesus von Nazareth mitleidet! Der sehr alte Kruzifixus stammt im übrigen spätestens aus dem 15. Jahrhundert.
Mag man abschließend noch einen Blick in den kleinen, darüber aber sehr heimeligen Innenhof werfen. Auch er ganz im gediegenen, unaufgeregten Stil der äußeren Fassaden.
Ruhe war das Gebot der wilhelmitischen Eremiten, und Ruhe wurde auch zum Gebot ihres glücklich überlieferten Klosterbaus.
Quellen 1) das Bauwerk selbst - Stilmerkmale; Ort und Landschaft
2) Kleiner Kunstführer "Oberried, Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt", Prof. Dr. K. Suso Frank OFM, Verlag Schnell & Steiner Regensburg, Auflage 1999
3) Dr. Emil Lacroix und Dr. Heinrich Niester "Kunstwanderungen in Baden", Chr. Belser Verlag Stuttgart, Ausgabe 1959
4) Website www.dreisamportal.de
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