Baukunst in Baden
  Eichtersheim
 


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Das kleine Eichtersheim, heute ein Ortsteil von Angelbachtal, findet man in der sanft dahinschwingenden Hügelwelt des Nordkraichgaus, nahe bei Sinsheim (Wanderungen Band ‘1’). Bis zur Einverleibung durch den aufstrebenden badischen Staat im frühen 19. Jahrhundert war Eichtersheim Hauptort einer kleinen reichsritterschaftlichen Besitzung, welche unter den im Kraichgau sehr einflussreichen "von Venningen".
     Diese geschichtliche Einordnung scheint uns zu Beginn umso ratsamer, als alles Ansehnliche dieses Ortes aus der Hand eben der Venninger überreicht. Das zweifellos der Grundzug des schönen Eichtersheim, welchem vor allem das 20. Jahrhundert wie allerorts viel funktionale Hässlichkeit beigeordnet hat. Eichtersheim ist heute kein kleiner Ort; spricht man aber vom schönen Eichtersheim, so alleine von dessen Zentrum, ja selbst von nicht mehr als einem einzigen Straßenzug und einem Parkgrün. Auf solch kleinem Raume aber stehen mehrere sehr ansehnliche Bauwerke, ergänzt durch weitere zumindest anständige Gebäude. Allesamt entstammen dem 18. Jahrhundert. Die furchtbaren Zerstörungen des 17. Jahrhunderts, die auslöschend auch nach dem 838 im berühmten "Lorscher Codex" erstmals genannten Dorfe schlugen, wollten älteres nicht zulassen. Alleine im Hinblick auf ein steinernes und stark gebautes Wasserschloss musste die niederbrennende Zerstörungswut von 30jährigem und Pfälzer Erbfolgekrieg eine Ausnahme zulassen. Jedoch ward selbst dieses im 18. Jahrhundert stark umgebaut.
     Um das Jahr 1200 gehörte Eichtersheim noch den Rittern von Steinach. Später aber kam es an die Venninger, welche die kleine Wasserburg errichteten und den Ort im 18. Jahrhundert zu einer neuerlichen Blüte führten. Trefflich genug, dass jene Hochzeit noch heute ohne weiteres nachvollziehbar!
     Eine unaufgeregte, aber durch ständige Hügelbewegung keineswegs leblose Landschaft fasst in der typischen Manier des Kraichgaus auch unser Eichtersheim. Es ist eine Beschaulichkeit landschaftlicher Verhältnisse, die von ganz eigentümlichem Charakter; ein Reiz, der ohne besondere Brüche und natürliche Spektakel zu gewinnen vermag. Und solche Ruhe strahlt denn auch nach Eichtersheim hinein.
     Das Herz nämlich des Ortes zeigt seinerseits viel Natur und den damit einhergehende Frieden: eine Parkanlage. Auch das merkwürdig genug, dass ein Garten das Herzstück eines Dorfes. Freilich entstand solcher nicht durch Zufall, sondern legte sich als Verschönerungsmaßnahme um das schon eingeführte Wasserschloss, die Residenz der besitzenden Venninger Linie.
     Was im Zentrum Eichtersheims vor Augen wüsste man sich malerischer nicht zu denken. Ein Gebäu, eine geradezu märchenhafte Wasserburg, wie man sie melancholischen Sagen und Mythen, als ein modern-nüchterner Geist aber keineswegs gebauter Realität für möglich halten will! Ein Gebäu, halb noch trutzig, halb schon geöffnet, umflossen von einem See, auf seiner kleinen Insel von längst untergegangenen Zeiten klagend, versteckt und verwunschen in einem Grün mit knorrigen alten Bäumen. Alleine das Lichte, die Offenheit des Parkes versperrt dem romantischen Gemüt den Weg in Schwermut und Traurigkeit. Entrückt freilich wird man von solchen Prospekten nur allzu leicht.

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Das alte mittelalterliche Wasserschloss, errichtet im späten 16. Jahrhundert, stark umgebaut und entfestigt rund zweihundert Jahre später, es ist gleichsam das Herz im Herzen Eichtersheims, das allerinnerste Organ. Und als solches von bedeutender Schönheit. Eine Schönheit, die, wie die Landschaft des Kraichgaus, alles auf Ruhe und Gediegenheit gibt, nichts auf das Spektakuläre verschwendet.
     Man gewahrt eine Dreiflügelanlage, vierstöckig. Zwei unmittelbar verbundene Hauptflügel und ein kurzer Seitenflügel, kaum mehr als ein Fortsatz und Anhängsel, formen auf also asymmetrische Weise einen kleinen rechteckigen Ehrenhof. Eine Steinbrücke überwindet den Wassergraben und führt direkt auf denselben. Hier gewahrt man eine große Freitreppe, welche vor das Haupt- und ein Seitenportal bringt. Der Barockstil gab für die Treppenanlage, Portale und auch Fenster die Formensprache vor, also der Umbau von 1767. Dieser zeitigte denn auch die mittelalterliche Geschlossenheit der Außenansichten, welche demnach großzügig befenstert wurden. Das Erhaltene wurde über diesen durchaus gestrengen Eingriff zum schönsten Bestandteil: ein runder Eckturm mit polygonalem zweistöckigem Aufsatz zeigt nicht nur feine Renaissance-Details, sondern fungiert gleichsam als optisches Gelenk zwischen den beiden Hauptflügeln.
     Durch den Garten vom Schloss getrennt, jedoch nicht ferne beginnt die barocke Hauptachse des Ortes. Verfügt man eine solche aber in ein gelindes Dorf, so musste darüber ganz von selbst ein charaktervoller Eindruck entstehen, wie er einer kleinen Ansiedlung sehr ungewöhnlich. Dergestalt viele steinerne Barockbauten deuten noch entschiedener als das Wasserschloss auf einen herrschaftlichen Hauptsitz. Und dieser wollte denn auch von dörflicher Lockerheit der Bebauung wenig wissen, gab der Hauptachse vielmehr eine fast urbane Dichte, also eine enge Aneinanderreihung der auszuführenden Bauwerke. Die Hauptstraße bedeutet Eichtersheim nach dem Märchenschloss eine zweite dezidierte Besonderheit, einen zweiten Ruhm.
     Schreiten wir die barocke Hauptachse ab. Auch wir konnten nicht umhin zuerst von der Sagenburg mit Macht angezogen zu werden, weshalb also von demselben als Ausgangspunkt die Prachtachse betreten wird. Hier trifft man zunächst auf das 1779 errichtete Rentamtsgebäude. Was aber so unprätentiös und trocken klingt, ist nicht weniger als ein kleiner barocker Schlossbau, sehr gefällig. Eine durch zwei Lisenen abgetrennte und per Dreiecksgiebel akzentuierte Mittelpartie gliedert symmetrisch die lange zweistöckige Vorderseite. Das monumental hohe Mansarddach ergreift — wenngleich als ein heute allgemeines Ungemach die schreiend roten Dachflächen, in der Perfektion und dem Glanz der Ziegel wie ein Kunstoffüberguss wirkend, nicht wenig abstoßen. Jahrzehnte hat man auch hier zu warten, bis die vermoosend abmildernde Bewitterung die Verhältnisse wieder zurecht rückt und die verputzte Fassade optisch wieder die Hauptrolle spielen darf. Jetzt nämlich reißt die große Dachfläche im “Charme” der roten, der strengsten Signalfarbe alle Blicke an sich. Die Größe des Bauwerks und der gezielte Einsatz barocktypischer Gliederungselemente verleihen den schlossartigen Eindruck. Fassadenschmuck dagegen ist bis auf das Wappen im Dreiecksgiebel Fehlanzeige.

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Weit schmuckvoller die direkt benachbarte ehemalige Schlosskirche. Auch sie und wie die noch folgenden Gebäude ein Werk des formenfreudigen Barock, des lebenslustigen 18. Jahrhunderts. Der kleine, wiederum gelbe Putzbau weiß um zahlreiche Gliederung und Zierelemente, die aus edlem gelben Sandstein verfertigt. Pilasterreich und mit prächtigem Portal die geschweift übergiebelte Vorderseite. Ein feingliedriger und dank "Welscher Haube" hoher Dachreiter beschließt effektvoll die sehr erbauliche, in Richtung Schloss weisende Vorderansicht. Viel Reiz gibt auch ein dichter Efeubewuchs ein. Da will denn der romantische Eindruck des Schlosses auch nach dem edlen Kirchlein greifen.
     Sogleich springt das nächste Gotteshaus ins Auge: die hoch erhobene evangelische Pfarrkirche. Die Hauptstraße steigt nämlich vom Schloss wegführend um mehrere Meter an — und das diesmal ganz gelbsandsteinerne Bauwerk liegt seitwärts noch weiter erhöht. Ein monumentaler, fast wehrhafter Anblick. Das kurze Langhaus mit langen Rundbogenfenster stammt aus 1790. Der ursprüngliche Turm aber musste 1882 abgebrochen werden, zu sehr hatte er sich der anziehenden Hauptachse "zugeneigt". Vier Jahre später der neue, noch aktuelle Campanile, im Historismus neobarocker Manier um Stilkontinuität mit dem Bestand bemüht. Nicht im Historismus-typischen Makel übermäßigen Ornamentbehangs fügt er sich angenehm ein.
     Die nächste Gebäulichkeit das kleine zweistöckige Rathaus (heute Privathaus). Dessen Mittelpartie mit Portal wölbt sich in Rokokomanier lustig nach vorne. Errichtet 1773 zeigte es außerdem das Wappen der Freiherren von Venningen, als zunächst für Gefängniszwecke(!) genutzter Bau kein Mitleid mit Schurken.
     Dem ehemaligen Rathaus gegenüber das nicht weniger ehemalige Pfarrhaus. Auch hier ohne Überschwang barocke Kunstfertigkeit (wenn auch leider mit späterem Fassadeneingriff).
     Auch auf dem Wege zum nicht fernen, die Prachtachse gleichsam beschließenden "Hofgut" findet man mehrere zurückhaltende Steinbauten aus barocken Tagen, welche das "Gerüst" der Achse auf angenehm bescheidene Weise auffüllen. Auch sie zeigen gelungen gegliederte Fassaden, dergestalt aber, dass sie den vorgestellten Hauptwerken den Rang keineswegs ablaufen möchten.
     Obgleich die Straße weiteren Weg nimmt, tritt das ehemalige Hofgut der Venninger als Abschluss der Hauptachse auf, was seiner palaisartigen Schönheit, aber auch dem Fehlen weiterer Sehenswürdigkeiten geschuldet. Der lange eingeschossige Bau profitiert zumeist von den kräftigen Eckpilastern an beiden Gebäudeenden und dem seinerseits pilasterbestückten, um ein Geschoss erhöhten Mittelrisalit. Ein effektvoll schlundartiges Rundbogentor führt durch denselben ein. 1768 wurde gebaut. Auch hier ein trefflich hohes Mansarddach (und auch hier die signalroten "Plastikziegel", denen allerdings die Bewitterung schon den ersten "Kunststoffglanz" genommen hat).
     Das Märchenschloss und die Anzahl barocker Prachtbauten, welche endlich eine veritable Barockachse konstituieren, bedeuten ein extraordinäres Dorfbild, eines der schönsten Dorfbilder Badens obendrein. In der Hoffnung diese Eigentümlichkeit in Wort und Bild ausreichend überliefert zu haben, beschließt der Autor den angenehmen Gang durch das schöne Eichtersheim.


Quellen
1) die Bauwerke selbst - Stilmerkmale und Jahreszahlen; Ort und Landschaft
2) Dr. Emil Lacroix und Dr. Heinrich Niester  "Kunstwanderungen in Baden", Chr. Belser Verlag Stuttgart, Ausgabe 1959
3) Website 
www.angelbachtal.de
4) Website
www.burgeninventar.de

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