Osterburken, ein Städtchen im Nordwesten Badens, namentlich im sogenannten Bauland, sehr nahe dem gleichfalls kleinen Adelsheim (Wanderungen Band ‘1’). Gehen wir gleich in die vollen: nach Pforzheim zeigt der Ort wohl die größte bauliche Absurdität Badens! Zur Erinnerung: Pforzheim (Wanderungen Band ‘1’) besitzt die mit Abstand größte Schmuckindustrie Deutschlands, errichtete aber die vom Zweiten Weltkrieg zerstörte Innenstadt ganz im Stil des Modernismus, der für seine Fassaden bekanntlich nichts mehr verabscheut wie Schmuck. Einerseits wird also in Pforzheim auf den Wert von Schmuck gepocht, andererseits empfindet man ihn für die gebaute Lebenswelt als Freveltat!
Und Osterburken? Einerseits verkündet man mit lauter Stimme den Wert gebauter Historie, andererseits aber hat man denselben geringgeschätzt wie nur selten in Baden! Wie kommt es zu solcher Absurdität, die wieder mal dunkle Wolken über unser Geschlecht führt?
Alles begann schon im Jahre 160 nach Christi Geburt, als nämlich Osterburken wichtiger Ort des weltberühmten Limes, ausgestattet gleich mit zwei Kastellen. Rund 100 Jahre später, nach Eroberung durch die Alemannen wurden diese zerstört. Bis heute aber haben sich gut sichtbare Reste (Grundmauern, Gräben) erhalten. Im berechtigten Stolz auf solche die Historie dokumentierenden Bauwerke legten die Osterburkener (zusammen mit dem Land) ein großes Museum an, welches denn auch mit zahlreichen römischen Funden der näheren Umgebung bestückt.
Ein vorbildliches Verhalten! Die Historie wird anschaulich, gleichsam zum Leben erweckt; der Mensch vergegenwärtigt sich seine Vergangenheit — hierüber wird er recht eigentlich zum von tierischer Existenz unterscheidbaren Wesen. Osterburken also ein Hort der so wichtigen Nachvollziehbarkeit von Geschichte? Mitnichten! Alles nämlich gilt einzig der Kuriosität, der weit zurückliegenden Exotik der Antike. Ansonsten nämlich gab man herzlich wenig Wert auf die eigene Historie, auf die Historie der seit 1356 mit Stadtrechten versehenen und seinerzeit auch mainzisch gewordenen Stadt. Kriegerische Drangsäle musste auch diese kleine Stadt genugsam durchleiden. Zerstört aber ward sie ganz und gar aus eigenen Reihen, namentlich in den Jahren nach 1950, als nämlich die Altstadt erschreckend und konsequent geringgeschätzt!
Das arme Pforzheim ward vor allem ein Opfer des mit Luftangriffen gerächten Nazi-Wahnsinns. Am ehesten lässt sich die willentliche Missbilligung historischer Bausubstanz mit Sinsheim im Kraichgau (Wanderungen Band ‘1’) vergleichen. Aber selbst dort war man nicht so konsequent wie in Osterburken. Hier nämlich wurde die gesamte Altstadt in modernistischen Allerweltsbrei verwandelt! Was trotzdem erhalten, lugt jetzt aus dem modernen Getöse, der zeitgemäßen Gesichtslosigkeit genauso kurios hervor wie die Grundmauern der römischen Kastelle aus dem Erdboden. Mit der Altstadt ging auch aller Charme; und endlich will man daran irre werden, wie solche Zerstörungswut möglich, wo man doch am liebsten alle Welt herbeirufen würde um den Wert römischer Ruinen zu schätzen. Auf seine römischen “Fetzen” gibt man sehr viel, für die Historie der Stadt aber gab man überhaupt nichts! Ein Absurdität, die am Ende milde lächeln macht.
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