Odenheim, einen Ort diesen Namens wollte man wohl im Odenwald vermuten. Aber weit genug gefehlet, zu finden ist das große Dorf nämlich im hügellustigen Kraichgau, nicht ferne, nordöstlich von Bruchsal. Ein gewaltig’ Gebäu dominiert den Ort: Sankt Michael.
Man staunt nicht schlecht über die "Kathedrale", bei solch überspanntem Maßstab sofort den Historismus verdächtigend. Und es ist wahr: 1909/10 hat man mächtig "aufgewertet". Immerhin aber gab der Bestand zum Denken auf: eine kleine Barockkirche des Jahres 1792. Und so schlüpfte der in Stilfragen so unbefangene Historismus für Odenheim in ein neo-barockes Kleid. Der mittelalterlicher Bestand, namentlich eine uralter Campanile ward nicht geachtet, abgerissen. Statt dessen ein neuer, aufwendigerer Kirchturm; und das Langhaus mit Chor erhielt Vierung, ward deutlich nach Westen erweitert; wo denn zwischen südlichem Querarm und Vorderseite der durchaus auch Jugendstil atmende Campanile unter seine gedrungene Haube (mit zwei Laternen) kam. Das ausgreifende Gebäudevolumen, welches dabei entstand, beruft sich überdies auf begünstigende Topographie, welche die "Kathedrale" nämlich aus dem Ort gleichsam hervorhebt. Am Ende ein Bild der Monumentalität.
Odenheim ansonsten das übliche Dorfbild. Eine Anzahl von Fachwerkhäusern gefällt, jedoch fast immer nur vereinzelt. Die erst vollendende Ensemblewirkung, welche zumindest zwei oder drei der Erbaulichkeiten aneinanderfügt, sie wird fast allenthalben vereitelt. Schon nicht mehr allzu ansehnliches Gebäu des ausgehenden 19. Jahrhunderts, langweilige Putzbauten, vereiteln — und freilich auch in Odenheim die "Modernisierung" oder "Sanierung" oder "Aufwertung" ab den 1950ern, der verwässernde, gleichmacherische Etikettenschwindel, der in Baden beinahe alle einst selbstverständlichen Dorfidyllen getilgt hat. Mag man noch auf das alte Rathaus verweisen, wiederum ein Historismus-Gebäu, welches in Neo-Renaissance-Manier durchaus zu gefallen vermag, umso mehr als es ein lustig kompaktes Gebäu, ein wenig "verschroben", tatsächlich also ein wenig mittelalterlich.
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Die schönste Partie des schon historisch großen Dorfes gewahrt man im Zusammenhang mit Sankt Michael. Nachbar der südlichen Langhausseite eine kleine Hofanlage, welche um zwei großvolumige Fachwerkhäuser weiß (an der Amtsgasse). Da geht denn vor allem das im fränkischen Fachwerkstil prächtige östliche Gebäu, gar effektvoll einer hohen Hofmauer aufsitzend, in einen schönen Prospekt mit dem höher situierten Chor. Gebogene Andreaskreuze mit Putzaugen, der freundlich und oft grüßende "Fränkische Mann" zeichnen einem dörflichen Fachwerkexempel die ungewöhnliche Zierfreude. Das längliche Gebäu weiß überdies um zwei im rechten Winkel aufeinanderstoßende Satteldächer, damit um drei von Fachwerk ausgefüllte Giebel. Das Mauer-Aufsitzen, der Strebenschmuck, die Dachdisposition geben dem Bauwerk neben der Schönheit auch eine gewisse überregionale Bedeutung.
Interessanterweise besitzt Odenheim noch eine zweite Hofanlage von Ansehnlichkeit und Bedeutung. Zwei Kilometer nordöstlich trifft man nämlich auf den "Stifterhof". Die Anlage gefällt, besitzt überdies eine illustre Geschichte. Eine Benediktinerabtei nahm hier ab 1122/23 ihren Anfang als Kloster Wigoldesberg. 1494 ward es in ein freiadeliges Ritterstift verwandelt, welches aber nichts eiligeres zu tun, als sich schon 1507 nach Bruchsal (Liebfrauenkirche) zu verfügen. Der Bauernkrieg 1525 verwüstete. 1670 nochmals ein Wiederaufbau nebst Kirche. Dem trat dann 1803 der badische Großherzog, dem das Hochstift Speyer als (zunächst) treuem Vasallen Napoleons wie eine reife Frucht in den noch markgräflichen Schoß fiel, säkularisierend entgegen; alsbald den Abtrag von Kirche und Prälatenkapelle möglich machend.
Nichtsdestotrotz konnte selbst noch dem frühen 21. Jahrhundert eine ansehnliche Hofanlage vermacht werden. Das historische Geviert, obgleich es außer einem Speicher und Wappensteinen um nichts wirklich altes (originäres) weiß, steht reizvoll genug in der Landschaft. Vegetation fasst malerisch nach den sich teilweise burgartig abschottenden Baulichkeiten. Dann aber treten außerhalb des Gevierts noch zwei mittelalterliche Wehrtürme in den Prospekt, welcher darüber einem schauerlich-romantischen Bild sich zuneigt. Welch’ effektvolle Vermittler der Vergänglichkeit, die beiden Türme. Staunend bemerkt man ihre Entfernung zum Geviert, wie also die Anlage sehr geschrumpft, ja wie diese Anlage einst groß, für ein Kloster ungewöhnlich wehrhaft gewesen sein muss!
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Ohne Bezug zum Geviert stehen die beiden Rundtürme in der Landschaft, gleich einer romantischen Laune, als ans Mittelalter erinnernde Ruinenwerke, wie sie manch Landschaftsgarten des 18./19. Jahrhunderts gerne in Anspruch nahm. Hier aber ist alles genuin, zurückreichend vielleicht bis ins 12. Jahrhundert, nur umso erbaulicher! Der Zahn der Zeit biss vor allem in den südlichen Turm, nagte ihn nicht wenig, aber auch nicht zuviel ab. Efeu rutschte auch hier hoch, eine Schießscharte späht. Wahrlich malerisch!
Noch poetischer aber der Nordturm, der vollends allein’ auf weiter Flur. Ein offenkundig solide gebautes Werk, dem die seit vielen Jahrhunderten zusetzende Zeit kaum mehr als das Dach zu nehmen vermocht’. Das Obergeschoss hier also noch vorhanden, schön einem Rundbogenfries aufsitzend; auch hier Schießscharten und außerdem noch der Eingang, in luftiger Höhe.
Was diesem ohnehin fesselnden Anblick aber gleichsam die Krone aufsetzte, war die soeben untergehende Novembersonne, das runde Gebäu in ein Licht setzend, das man sich milder und rötlicher nicht zu denken wüsste. Der Turm in diesem Lichte, alleine in der freilich auch verzauberten Landschaft, ein vollendet trauriges Vanitas-Symbol! Und obendrein diese Stille, nirgendwo Leben! Als ginge die Welt nun unter, verabschiedete sich das Licht, die Sonne, nicht nur für den anstehenden Abend…
Quellen 1) die Bauwerke selbst - Stilmerkmale; Ort und Landschaft
2) Dr. Emil Lacroix und Dr. Heinrich Niester "Kunstwanderungen in Baden", Chr. Belser Verlag Stuttgart, Ausgabe 1959
3) Website www.oestringen.de (Odenheim ist Ortsteil von Östringen)
4) Informationstafel vor Ort (Stifterhof)
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