Das alte Deutschordensschloss Beuggen liegt ausgesprochen malerisch in der Uferlandschaft des noch "jungen" Rheines. Zwischen Bad Säckingen und Lörrach ward hier eine Uferpartie durch einen breiten Graben, welcher direkt mit dem väterlichen Strome verbunden, in eine veritable Insel dem Festlande in mittelalterlicher Manier abgerungen. Man mag sich leicht ausmalen, dass dieser Graben in jüngeren Zeiten zugeschüttet, die wehrhaften Mauern abgetragen; was freilich nicht zu ändern — die Lage der Gebäude: wie einst der Wasserkanal, die trutzige Mauer einen gestreckten Halbkreis in den Rheinsaum schnitten, so zeichnen heute eben jene Bauten diese Form noch erkennbar genug nach.
Zum Flusse hinabschreitend, noch mehrere Meter über denselben erhoben, vermag man aus geringer Ferne die Schönheit der landschaftlichen Einbettung leicht abzuwägen. Alsbald fällt auch eine Heterogenität der baulichen Verhältnisse ins Auge. Eine Anzahl einzelner Bauwerke ordnet sich im Halbkreis an, und als größtes Bauvolumen tritt das eigentliche Schloss nebst Kirche aus der Mitte der Anlage neugierig in die Höhe. Wie letztere dem Stil des neuzeitlichen 18. Jahrhunderts zuneigen, den feinsinnigen Barock gewähren lassen — so treten diesem andere Partien noch im mittelalterlichen Gewand von Rustikalität und Wucht entgegen. Man gewahrt die in solchen Fällen immer spannungsvolle Heterogenität der Verhältnisse im kontrastierenden Gegeneinander von Barockstil und Mittelalter.
Der Deutschritterorden erbaute sich hier von 1246-68 eine seiner unzähligen Burgen (einen Vorgängerbau teilweise nutzend oder aus dem Weg räumend). Für über 200 Jahre Landkomturei und mit entsprechendem Reichtum bedacht, ward die Veste gleichzeitig der Hauptort einer sehr kleinen Ordensbesitzung, die sich entlang des Rheines erstreckte. 1525 als die hiesige Bauernschaft dem allgemeinen Aufruhr folgte und die Burg alsbald gewann, hatte diese das erste Mal baulich zu leiden. Umso entschiedener betrieb der Orden die gründlichere Befestigung des Ortes, zu welchem Behufe der schon bestehende halbkreisförmige Graben deutlich verbreitert und eine ernstliche Ringmauer mit gleich sieben Rondellen verfügt wurde. Das zweifellos der mittelalterliche Höhepunkt der Anlage, trutzig die Verteidigungsmöglichkeiten jener Zeit präsentierend. Weil denn solche Maueren einige Sicherheit verhießen, sollte auch einer neuer Schlossbau nicht fehlen; wie überhaupt schon im ausgehenden 16. Jahrhundert aus der wehrhaft-klösterlichen Nüchternheit die Entfaltung eines fürstlichen Herrschaftssitzes zu erwirken das Ziel.
Doch dann brachen auf ganz andere Weise neue Zeiten an. Mit Beginn des 17. Jahrhundert zogen Tod und Teufel als die nunmehr eigentlichen Regenten des Deutschen Reiches auch durch die südwestdeutschen Lande. Das Verderben kam durch Mord, durch Hungersnot, die Pest. Und es kam im Gefolge neuster Waffentechnologie; die Feuerkraft der Kanonen war nun endgültig auf mauerbrechendem Standpunkte. Verschanzungen in sternförmigen Anlagen wurden mit dem seit 1618 wütenden großen Krieg, der 30jährigen Drangsal, dringendes Gebot der Stunde. Weit schoben sich die kanonenbestückten Bastionen, die abgeschrägten Glacis ins Vorland der befestigten Anlage um des Feindes Geschütze vom Inneren fernzuhalten.
Davon jedoch in Beuggen keine Spur. Mauern und Wassergraben waren mittelalterlich, damit Spielball der heranziehenden Eroberer. Schweden und Kaiserliche wechselten sich ab, machten die günstig gelegene Veste gerne zu einem regelrechten Stützpunkt. Da hatte die Anlage denn genug zu leiden. Und als dann im letzten Drittel noch des gleichen Jahrhunderts der "Sonnenkönig" das modernste Heer Europas über den Rhein setzte, um rechts desselben ein echtes Niemandsland zu schaffen, kurzum hier alles kurz und klein schlug, da hatte gewiss auch Schloss Beuggen wie das nicht ferne Bad Säckingen einmal mehr starke Beschädigung zu beklagen.
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Für manch andere Anlagen, wie zum Beispiel die wiederum nicht ferne und bedeutend mächtigere Veste Rötteln, kam nach solchem Schicksalsschlage gar das endgültige Aus, ein Fortbestehen alleine in ruinösem Stande. Nicht so jedoch in Beuggen, wo man nicht nur wiederaufbaute, auch nämlich neuen Glanz verbreiten wollte. Als einem Herrensitz, und mittlerweile im 18. Jahrhundert angelangt, war es also dem Barockstil vorbehalten neue Akzente zu setzen. Das eigentliche Schlossgebäude fand Umbau, beträchtliche Erweiterung, denn auch einen baulichen Fortsatz, der dem Gottesdienste überschrieben.
Als diese Baumaßnahmen abgeschlossen, war die Anlage zu einem neuerlichen Höhepunkt ihrer Gestalt aufgestiegen. Nun als eine, die der mittelalterlichen Abgeschlossenheit als Anteilnehmer auf gleicher Augenhöhe den barocken Freisinn nach Großzügigkeit und Schöngeist zur Seite stellte. Die Heterogenität, die noch heute der eigentliche Reiz von Schloss Beuggen, ward geboren.
Doch noch fehlten rund 200 Jahre zum beginnenden 21. Jahrhundert. Und die sollten denn nicht ohne Eintrag, einer spürbaren Verwässerung der Prospekte vorüberziehen. Im frühen 19. Jahrhundert griff die um sich greifende Markgrafschaft — alsbald Großherzogtum — auch nach Beuggen. Die Territorien der Johanniter und des Deutschen Ordens, die zunächst noch auf Fortbestand hoffen durften, kamen doch noch früh genug an die aufstrebenden Fürstentümer: 1809 wurden sie in den napoleonischen Satelliten der Rheinbundstaaten kurzerhand aufgehoben. Das zynische Spiel des neuen Besitzers trieb auch in Beuggen sein unordentliches Wesen mit Ordensgut. Alles ward verschachert und ausgeschlachtet, indessen auch verödet. Für eine neue Funktion erbot sich zunächst wiederum der Krieg, welcher bald nicht mehr mit Napoleon — sondern gegen den mächtigen kleinen Korsen geführt: Beuggen wurde Lazarett. Österreicher vor allem wurden hier mehr abgestellt als versorgt. Es waren die furchtbarsten Tage Beuggens, verseucht vom typischen Nebeneffekt der Lazarette, der Aufzucht tödlicher Krankheiten. 1814/15 siechten hier 3000 Österreicher und 300 Deutsche zu Tode. Das dann mal wieder eine typisch badische Karriere eines Ordensgutes: zunächst ausgeraubt, die Bewohner vertrieben, dann mehr tötendes als rettendes Verwundetenlager. Mag man sich ausmalen in welch desolatem Zustand die Anlage nur kurz nach ihrer Blüte!
Wie viele Klöster wäre wohl auch Beuggen bis auf die weiterverwendete Kirche in den folgenden Jahrzehnten ganz abgegangen, hätte sich nicht eine neue Funktion gefunden. Diese dann auch nobel, wie sie nobler nicht gedacht werden kann: ein christliches Kinderheim zog in die Gebäulichkeiten ein, welches von 1820 sage und schreibe 160 Jahre bis 1980 bestand. Als dieses aufgelöst, verblieb die Anlage dennoch in kirchlicher Obhut, sorgte für eine Tagungsstätte. Und seit 2005 bereichert sogar ein evangelische Kommunität, welche also die Ordensvergangenheit nach rund 200 Jahren reichlich unerwartet wiederbelebte.
Zwar hat die Schlossanlage aus verschiedensten Gründen seit ihrer zweiten Hochzeit Mitte des 18. Jahrhunderts eine Schmälerung ihrer Ansehnlichkeit hinnehmen müssen — was aber heute besichtigt werden kann, paart zur erhaltenen Schönheit auch einen sehr fürsorglichen Umgang: zusammen mit der trefflichen landschaftlichen Einbettung gewahrt man eines der schönsten Landschlösser Badens!
Nicht von ungefähr fühlt man sich an das alte Johanniter-Schloss in Heitersheim (Wanderungen Band ‘1’) und Schloss Bödigheim (Wanderungen Band ‘2’) erinnert. Hier wie dort erbaut sich das Sehenswürdige aus gegenseitiger Befruchtung von mittelalterlichem und barockem Formengut. Betrachten wir aus der Nähe.
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Nachdem der schönste Prospekt Beuggens schon gewonnen — die sich sanft einbettende Gesamtansicht — mag das Gefallen leicht aufrecht erhalten werden. Man steht beim Eintritt zugleich vor einem mittelalterlichen Torhause, das zumindest in Teilen 1534 errichtet. Zinnen pochen noch auf die längst vergangene Wehrhaftigkeit; auch besitzt das Gebäude keine geringe Länge, so dass der Eindruck einer abschottenden Mauer vermittelt. Dieser nun wird allerbestens beflügelt von einem Abschnitt reaktivierten Wassergrabens! Rechts der Brücke stößt dieser nicht nur gegen den Südflügel des Torbaus, auch nämlich gegen ein erhaltenes Rondell. Letzteres ward wohl bedeutend gestutzt, wie auch zahlreiche Fenster in die Mauern gebrochen; und dennoch wird hier sehr erfolgreich, unbedingt malerisch auf das wehrhafte Mittelalter zitiert. Auch der Nordflügel des Torbaus gefällt sehr. Das Gebäude gewinnt hier ein zusätzliches, das dritte Geschoss, welches kontrastierend zu den verputzten Steinmauern aus feingliedrigem Fachwerk verfertigt. Überdies gewahrt man auf dessen Nordseite ein reizvoll "angeklebtes" Treppenhaus-Halbrund, das die Verteilung — zwei Steinstockwerke, ein Fachgeschoss — bei leichtem Versatz spannungsvoll wiederholt. Im ganzen atmet das Eingangsgebäude also noch reichlich Mittelalter.
Hat man den Torbogen durchquert, bemerkt man ein zwiefach Auffälliges. Zum einen tritt das Hautgebäude, das eigentliche Schloss mit seiner westlichen Schmalseite sogleich energisch entgegen, entschieden bemüht den mittelalterlichen ersten Eindruck unverzüglich um den barocken zu erweitern. Zum anderen aber gewahrt man eine nicht geringe Großzügigkeit des Schlosshofes. Obgleich Beuggen als mittelalterliche Veste errichtet, von typisch mittelalterlicher Enge keine Spur; gleichsam als hätte man schon in der Tiefe des Mittelalters den viele Jahrhunderte später vom Barock eingeforderten Freiraumbedarf mitbedacht! Offenkundig maß der Deutsche Orden dem Schloss von allem Anfang große Bedeutung bei, welcher folgerichtig eine gewisse Weitläufigkeit einzugeben. Nicht umsonst befand sich hier für 200 Jahre die wichtige Institution einer Landkomturei.
Das Hauptgebäude ist auf markante Weise dreigeteilt. Zunächst aber fällt das wuchtige Volumen auf; wie auch gleich vier Geschosse einem barocken Schlossbau durchaus ungewöhnlich. Und so erklären sich letztere am besten aus dem spätmittelalterlichen Bestand. Ende des 16. Jahrhunderts wurde hier im Stil der feinen Renaissance ein noch deutlich kleinerer, dafür eben schon vierstöckiger Palast direkt am Rheinlauf errichtet. Bis heute konnte dieser sein raues spätmittelalterliches Antlitz bewahren, am schönsten in Richtung des Stromes (vom Schlossareal leider nicht zu sehen): ein gotischer Treppengiebel monumentalisiert und ein zweistöckiger Fassadenerker belebt. Dieser eine der drei Gebäudepartien.
In gleicher Flucht und Höhe aber wurde von 1752-57 vom talentierten Ordensbaumeister J.C. Bagnato angebaut, erheblich erweitert. Im Stile der Zeit folgt hier also auf die feine Renaissance der monumentalere Barock. Sehr schön anzusehen das schmuckvolle, karyatidengesäumte Portal. Ansonsten aber tritt der gerne schmuckprunkende Baustil durchaus nüchtern auf, ja beinahe kasernenartig. Weil aber mancherlei Gliederungselement wie Fassadenbänder, Dachgesims und Ecklisenen ergänzt; auch Fensterrahmungen nebst Holzklappläden nicht fehlen durften, ja auf der Rückseite die Ausbuchtung eines Halbkreises bereichert; so will man ohne weiteres eine Ansehnlichkeit attestieren. Als dritte Partie tritt dann ein schmales Kirchenschiff aus der Rückseite des langen Gebäudes. Auch dieses von Bagnato ausgeführt. Eine noch konsequentere Bescheidenheit kommt hier nur mit wenigster Belebung. Alleine ein hoher Dachreiter bereichert.
Noch mehrere Nebengebäude, wie dargelegt in einem Halbrund angelegt, können besichtigt werden. Allen gemeinsam ist die Zurückhaltung; eine Zurückhaltung, wie sie den ehemaligen Bauten wie Kornschütte, Scheune und Pferdestall gebührte.
Nach Torhaus und dem dreiteiligen Schlossbau ergreift aber noch ein weiteres Bauwerk im besonderen. Der "Storchenturm", ein mittelalterlicher Torturm, ragt abweisend wie in besten Tagen auf der Südseite des Halbrunds in die Höhe. Aus dem mit Buckelquadern gemauerten unteren Abschnitt der Außenseite, durch welcher der Durchgang führt, steigt eine Eckquaderung empor. Auch besitzt er noch mehrere Schießscharten und ein Zeltdach.
Mit diesem Torturm blieb der alten Veste also auch das zweite Torgebäude. Nachdem die Ringmauer weitgehend abgetragen, obliegt es — neben dem Wassergraben-Abschnitt — den beiden Eingangsbauten, die wehrhafte Vergangenheit in ansehnlicher Manier in Erinnerung zu halten.
Ergänzend treten die mancherlei Nebengebäude hinzu — und gleichsam als Krönung der große Schlossbau. Das bei sehr gutem Erhaltungsgrad die bauliche Rezeptur der Schönheit Beuggens, welche denn von der umgebenden Landschaft vollendet.
Quellen 1) die Bauwerke selbst - Stilmerkmale; Schloss und Landschaft
2) Dr. Emil Lacroix und Dr. Heinrich Niester "Kunstwanderungen in Baden", Chr. Belser Verlag Stuttgart, Ausgabe 1959
3) Homepage www.schloss-beuggen.de
4) Informationstafeln vor Ort
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