Baukunst in Baden
  Donaueschingen
 

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Donaueschingen, erstmals im Jahr 889 genannt, besaß schon im ausgehenden Mittelalter, wie ein Kupferstich Matthäus Merians aus der Mitte des 17. Jahrhunderts aufzeigt, einige Schönheit. Wenig, ja sehr wenig hat sich aus dieser Zeit als befestigte Stadt erhalten; und doch legt auch dieser Überrest solchen Schluss nahe. Die eigentliche Bedeutung aber setzte erst ab 1720 ein, als der günstig an den Verkehrswegen gelegene Ort zur neuen Residenz des Fürstentums Fürstenberg auserkoren wurde.
      Es war gleichsam auf dem Höhepunkt dieses Adelshauses, das ab dem 15. Jahrhundert durch kluge Politik zu nicht geringem Landbesitz gelangt und seit 1716 in den Reichsfürstenstand berufen, dass die Residenz desselben durch Fürst Joseph Wilhelm Ernst von Stühlingen an der Wutach nach Donaueschingen verlegt ward. Die Stadt lag recht genau in der Mitte der Hauptbesitzung der Fürstenberger, der Landschaft der Baar, welche sich mehr lang als breit und ohne die beiden zu tangieren zwischen Freiburg und dem Bodensee erstreckte. Zum Behufe der Residenz wurde die Stadt erheblich modernisiert, was denn im 18. Jahrhundert nichts anderes bedeuten konnte als den Einzug des Barock. Das Zeitalter des Absolutismus musste freilich unweigerlich auch einen großen Schlossbau mit sich führen. Und so mag man in der bedeutendsten Zeit Donaueschingens auch ihre größte Schönheit gefunden haben: ein Stadtgebilde, belebt von zweierlei Vorzug: mittelalterlicher und barocker Baukunst.
     Mit dem Ende aber der politischen Bedeutung, welches durch die napoleonischen Umwälzungen des frühen 19. Jahrhunderts das Fürstentum ins Großherzogtum Baden mediatisierte, kam alsbald auch ein erster bedeutender Eintrag für die Stadtgestalt: ein Großbrand. Ein Großbrand, der genau hundert Jahre später sein Zerstörungswerk wiederholte, die bedeutende Minderung der Schönheit des 18. Jahrhunderts vollendete.
     Doch lohnt sich ein kurzes Verweilen bei der Auflösung der Fürstentums. Als unabhängige weltliche Herrschaft nämlich wurde ausgerechnet Fürstenberg der Hauptverlierer schlechthin auf dem Territorium des rasant anwachsenden Großherzogtums. Die beiden anderen weltlichen Hauptabtretungsgebiete, Vorderösterreich und die Kurpfalz, waren nur Teilgebiete Habsburg-Österreichs oder Bayerns, welche ja fortbestanden, sich spätestens nach der Bezwingung Napoleons sogar bedeutend vergrößert hatten. Fürstenberg aber, und das galt auch für die anderen Besitzungen in Württemberg oder Hohenzollern, musste seine unabhängige Existenz ganz aufgeben. Den Fürstenberger wollte dies freilich umso weniger gefallen, als ihre Besitzungen zumindest nicht bedeutend kleiner als die des glücklichen Nutznießers, der Markgrafschaft Baden. Der Hauptanteil des Herrschaftsgebietes lag traditionell, namentlich seit 1283 auf der Baar, als nämlich dieselbe als Landgrafschaft von König Rudolf von Habsburg verliehen. Vom 15.-18. Jahrhundert konnten mehrere kleinere Regionen hinzugewonnen werden, teils durch Heirat, teils durch Wiedereingliederung von Seitenlinien. In Baden waren dies die Herrschaft Hausen, welche große Teile des Kinzigtals und das Wolfachtal umfasste, die Landgrafschaft Stühlingen an der Wutach und die Herrschaften Meßkirch und Heiligenberg nahe des Bodensees. Kurzum Fürstenberg war ein munter aufstrebender Staat, der zu Beginn des 19. Jahrhunderts von einem nur wenig größeren, dafür umso muntereren Staat geschluckt wurde. Da nutzte denn auch das hohe Alter nichts mehr. Gesichert bis ins 11. Jahrhundert als Grafen von Urach, vielleicht sogar bis ins 8. Jahrhundert lässt sich dem Haus nachspüren. Fürstenberg sah sich immer gerne in der Nähe des Habsburger Kaiserhauses, was über viele Jahrhundert klug genug, hohe Reichsämter und die Gebietszuwächse begünstigte. Baden dagegen agierte im entscheidenden Moment überaus geschickt im revolutionären/napoleonischen Paris. Letzteres im frühen 19. Jahrhundert das alleine Gewinnbringende: die Markgrafschaft ward Großherzogtum, Fürstenberg dagegen aufgelöst.

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Aber die Markgrafschaft war generell kein brutal überrollendes Großherzogtum. Solch harsches Verhalten galt alleine den in alter Raubrittermanier ausgeplünderten und zerschlagenen Abteien und Klöster. Im Falle der Fürsten aber, und hier sei auch der Fürstbischöfe von Speyer und Straßburg gedacht, deren Hauptbesitzungen von Baden okkupiert, wurde ein ruhiger Lebensabend vergönnt. Wie jene als freilich nachkommenslose denn schlicht und bald genug “ausstarben”, so blieb den Fürstenbergern solches Schicksal erspart. Die Residenz, ja selbst das Residenzschloss ließ man den Fürsten, und so nahm denn in Donaueschingen manches seinen Lauf, als wehte nicht auch hier die großherzoglich-badische Flagge.
     Donaueschingen, respektive die mittelalterlich-barocke Schönheit der Stadt, soviel ward schon verraten, hatte unter zwei verheerenden Stadtfeuern zu leiden. Bedeutende Zäsuren. Wo immer man nämlich heute die Worte Donaueschingen und Schönheit in ein und denselben Satz bringen möchte, so spricht man nur noch von Partien, von Bruchstücken der Stadt. Der letzte große Stadtbrand des Jahres 1908 erbrachte einen historistischen Wiederaufbau. Man mag diesem und damit dem historischen Stadtbild die Ansehnlichkeit nicht unwirsch zur Gänze absprechen; alleine an die einstige Schönheit wird kaum herangereicht.
     Soll jene große Stadtpartie sodann der genaueren Stadtbetrachtung den Anfang leisten. Man findet hier eine merkwürdige Mischung aus schon wieder kraftlosem Jugendstil, späten Versatzstücken des Historismus und eines aufziehenden heimatgebundenen Bauens. Im ganzen wird geschwankt zwischen Monumentalität und Folklorismus. Im Grunde bedarf es des Modernismus und den Abgründen seiner Fehlleistungen, also der sattsamen Anti-Ästhetik unserer Tage um diesen Gebäude noch Ansehnlichkeit zu bescheiden. Im Lichte nämlich der vorangehenden Baukunst fällt hier schon dunkler Schatten.
     Die zahlreichen Gebäude, die immerhin noch angenehme Stadträume wirken, und vor allem deren auffälligste Erzeugnisse stehen durchaus ohne Parallele in Baden. Am ehesten fühlt man sich an das spätwilhelminische Bauen Berlins erinnert. Und von dort erklingt denn auch das “Vögelchen, ick hör dir trapsen”, denn die innige Verbindung Wilhelm II. und Haus Fürstenberg ist allgemein bekannt. Der Kaiser war gern gesehener Gast im fürstenbergischen Schlosse. Wie man sich einst an die Habsburger Kaiser gelehnt, so denn nun an die Hohenzollern. In diesem Sinne wurde das Schloss per pompösem Umbau in “herrliche Zeiten” geführt — und in diesem Sinne war das Berliner Bauen auch Vorbild für die wiederzuerstehende Stadt. Und wenn auch das Gebaute, was ebenso für die Schlossumwandlung gilt, die Baukunst nur noch mehr oder weniger streifte, so liest sich die kaisergrüßende Geschichte dahinter doch ganz trefflich.
     Soll man nun vom gerade noch Ansehnlichen gleich zum entschieden Unansehnlichen weiterschreiten, oder zuerst den heilsamen Aufstieg zur Baukunst, zum wirklich Ansehnlichen machen? Ich vermeine, ersteres würde den Eindruck gleich zu Beginn zu sehr dem negativen zuwenden, und solcher wäre denn gewiss ein unnötig überspannter. 
     Ruft, ja lockt uns also zunächst die echte Baukunst. So tritt man den Weg aus dem Westen in den Osten des historischen Stadtkörpers an. Es ist durchaus ein Weg mit steigerndem Charakter. Zunächst trifft man auf drei Bauwerke, eines nach dem anderen, die den kleinen Überrest des Mittelalters markieren. Zum bauhistorischen Wert tritt glücklich nicht geringe Ansehnlichkeit. Die Rustikalität des Mittelalters ergreift: drei wuchtige Steinbauten mit gotischen Treppengiebeln und teilweise erhaltenen Renaissance-Rahmungen für die Fenster. Sie dürften allesamt dem 15./16. Jahrhundert entstammen und haben üblicherweise allesamt Fassadeneingriffe der späteren Jahrhunderte erdulden müssen. An der trefflichen mittelalterlichen Ausstrahlung, Monumentalität und Ruhe gleichermaßen verheißend, wurde dabei erfreulicherweise nicht gerüttelt. Mit den schönsten, respektive am besten erhaltenen Details wartet das längliche dreistöckige Haus an der Haldenstraße auf, auch gleich drei Stufengiebel in die Höhe streckend. Mit insgesamt bester Wirkung aber das kompakte Gebäu in der Straße “An der Stadtkirche”. Jener Eindruck verdankt sich der hier gegenüber der Weststadt abfallenden Topographie, der das Gebäude durch Terrassierung entgegenwirkt, damit wie auf einem Präsentierteller seine kantigen Stufengiebel vorzeigt. Insgesamt lassen diese drei auffälligen Bauwerke denn auch eine gewisse Bedeutung schon des mittelalterlichen, des vorresidenziellen Donaueschingen anklingen.

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Auf dem Wege zwischen den beiden Bauten, entlang der Haldenstraße, gab es eine weitere Sehenswürdigkeit zu erhaschen. Und hier lebt denn auch zum letzten mal der einst allgemeine Kontrast Mittelalter versus Barock wieder auf. Gleich nach unserem Drei-Staffelgiebel-Bau trifft man nämlich auf eine wenn auch kurze barocke Achse. Drei Gebäude nur formen hier ein markantes Bild, allesamt durch großes Volumen auffallend. Der Barock schwang sich für keines zu besonderem Schmuckreichtum auf. Was aber für die jeweils dreistöckigen Häuser durch Lisenen, Fensterrahmungen und schöne Portale aufgebracht, mag ausreichen um die großen Kuben notwendig zu beleben. Und wie die drei wuchtig und militärisch stramm aneinandergereiht, das ergibt ohne weiteres einen sehenswerten Prospekt. Unter ihnen übrigens auch das vom Hofbaumeister Salzmann 1756-65 ausgeführte Fürstenbergarchiv, welches ob seiner relativ frühen Erbauungszeit eines der ältesten eigens für solchen Zweck errichteten Archivgebäude Deutschlands (Gebäudeumwidmungen also nicht eingerechnet).
     Hat man dann den Treppengiebelbau “An der Stadtkirche” erreicht, so kann nur mit einiger Schwierigkeit die Aufmerksamkeit auf dasselbe kapriziert werden. Denn weit mehr trumpft eben an dieser Stelle das schönste Bauwerk Donaueschingens auf: wie der Straßenname schon verkündet, es ist die Stadtkirche.
     Ein wirklich anmutiges Werk wurde hier bis 1747 durch den vielbeschäftigten Architekten Franz Maximilian Kanka aufgerichtet. Kanka, Prager, auch noch Schüler des berühmten Kilian Dientzenhofer, überführte denn als liebe Kuriosität den böhmischen Barock nach der Baar. Zweifellos hat man die verputzte Doppelturmanlage unter den ansehnlichsten Barockgotteshäusern Badens zu führen, wenn auch nicht an vorderster Spitzenposition, was nirgendwo gegen Sankt Johann, vor allem aber für die Qualität badischen barocken Kirchenbaus spricht.
     Auch Sankt Johann profitiert von einer Terrasse, die einen gar noch größeren Höhenversatz ausgleicht. Umso monumentaler leuchtet die Vorderseite mit den Zwillingstürmen und ihren Dachzwiebeln in der Südsonne. Während das saalartige Langhaus und der gerundete Chor mit sparsamen Fassadenschmuck auskommen müssen (ohne dabei unansehnlich zu werden), so zeigt die Eingangsfassade indessen als entscheidende Prachtpartie nicht geringe Detailvielfalt. Plastische Gesimsbänder trennen der Höhe nach in drei Fassadenteile ab; auch die horizontale Ausdehnung ward gedrittelt, indem nämlich die giebelbekrönte Mittelpartie markant nach vorne geschoben, rechts und links aber die Türme um so mehr in die Höhe treten. Zahlreiche Gliederungselemente, auch einiger Schmuck verfeinern in barocktypischer Weichheit diese Ansicht. Am schönsten das schmucke Portal und die köstlich gewölbten Zwiebeln und Laternen der Turmdächer. Sankt Johann wurde dank der exponierten Stellung das Wahrzeichen Donaueschingens und auch für die unaufgeregt dahinschwingende Hügelwelt der Baar ein reizvoller Blickfang. Freilich markiert sie heute einen ab 1950 unansehnlich in die Landschaft gewucherten Stadtkörper und nicht mehr wie einst einen klar definierten Stadtumriss. Aber das ist “nur” allgemeines Schicksal, der gewonnenen Stadtgröße des 20. Jahrhunderts beständig die Ansehnlichkeit zu verweigern, durch das selbstbewusste (und wie wir heute sehen: verfehlte) Verwerfen der zuvor für Jahrtausende gültigen Regeln historischer Stadtbaukunst.
     Sankt Johann im übrigen trat nicht auf die grüne Wiese, sondern schob einen gleichfalls ansehnlichen gotischen Vorgänger beiseite. Zur neuen Residenz sollte nach Ansicht des Gründers Joseph Wilhelm Ernst zu Fürstenberg auch ein moderner Kirchenbau schicklich sein. Dies Gebot nun schien umso dringlicher, als direkt benachbart das gleichfalls ab den 1720ern zu erbauende Stadtschloss. Wie letzteres einen herrschaftlichen Vorgängerbau des 16. Jahrhunderts aus dem Weg räumte, so ward dem Kirchenbau gleichfalls die spätgotische Herrschaft gründlich zu entreißen. Das die fürstenbergische Hauptmaßnahme für die neue Residenz: Kirche und Schloss des Mittelalters hatten zu gehen, Kirche und Schloss des Barock die moderne, die Residenz-Zeit zu verkünden.

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Sankt Johann ist das mit weitem Abstand schönste Bauwerk Donaueschingens, aber es bedeutet nicht wirklich das Herz der Stadt, obgleich es dasselbe als ein säumendes Bauwerk ohne weiteres mitbegründet. Der eigentliche Mittelpunkt der Baar-Hauptstadt, zumindest will es der Autor so, schlägt nämlich zwischen Kirche und Schloss; das zumindest rät das abwägende Auge, welches genau an diesem Punkte am meisten zufrieden gestellt. Links türmen sich die Türme Sankt Johanns in schwindelerregende Höhen, und rechts schiebt sich der voluminöse Schlossbau in die Länge. Freilich wäre denn diese Mitte keine echte Mitte, fehlte ihr die eigentliche Akzentuierung. Solche aber, und nur sehr schwer zu überbieten, liefert nichts geringeres als: die Donauquelle!
     Das berühmteste Stück Donaueschingen konnte gar keinen besseren Platz finden. Ein trefflicher Dreiklang: Kirche, Quelle, Schloss! Die Karstaufstoßquelle wird schon seit sage und schreibe dem Jahr 15 vor Christus, als der römische Feldherr Tiberius auf “Stippvisite”, als Donauquelle erachtet. Da sollte denn das bis dato weit unprätentiöser emportretende Quellwasser wie der Schlossumbau, der Stadtwiederaufbau in einem prunkvollen historistischen Gewande solchen Ruhm verkünden. Und die reinliche Fassung und eine große Skulptur (“Mutter” Baar weist der jungen Donau den Weg) beanspruchen nicht zu Unrecht Ansehnlichkeit. Was freilich die bauliche Umwahrung, die Ansicht des sanft aufsprudelnden Wassers deutlich genug übertrifft, ist die alleine dem Geist fassbare Geltung und Ausstrahlung dieses Punktes: der Geburtsort der Donau, der Geburtsort einer der wichtigsten Ströme Europas zu sein!
     Das Quellwasser plätschert als gelindes Bächlein noch eine Wegstrecke durch den Park des Schlosses. Dann markiert eine weitere Baulichkeit die nächste Besonderheit. In wiederum historistischer Manier wurde ein Tempelchen aufgerichtet: vier korinthische Säulen stehen auf einem vom Quellwasser durchflossenen Sockel, tragen ihrerseits einen pyramidalen Baldachin. Alles aus feinem Naturstein.
     Was hier so trefflich inszeniert, macht auch irritiert. Wir sehen nämlich wie das wenige Quellwasser in einen breiten Bach einfließt. Stehenden Fußes wird man sich keiner geringen Willkür bewusst. Mit weit mehr Wasser und schon vielen Kilometern “im Gepäck” tritt hier der Schwarzwaldfluss Brigach heran. Und kaum ist das Quellelement eingetröpfelt, ruft man aus: “Donau”. Die eigentlichen (Kräfte-)Verhältnisse sind damit auf den Kopf gestellt. Ein Nebenärmchen, kaum geboren, siegt über den kräftigen Hauptarm. Und so will der Nachdenkliche den eigentlichen Quellort der Donau viel eher in die Nähe von Triberg und Sankt Georgen verlegen, wo nämlich die Brigach ihren Lauf beginnt. Freilich weit poetischer ist das säuberlich gefasste Aufquellen zwischen Sankt Johann und Schloss — und so lässt man’s gelten, umso mehr als der “Nachdenkliche” hier in Donaueschingen keine Anhänger finden wird.
     Das Schloss Fürstenberg. Von dem geplanten mehrflügeligen Bau wurde ab 1723 alleine der Hauptflügel realisiert, und auch dieser schlicht genug. Sie ist ein gar lustiges Markenzeichen des fürstenbergischen Schlossbaus, diese Schlichtheit. Denn auch die Barockschlösser in Wolfach und Hüfingen zeigten und zeigen noch heute vor allem Zurückhaltung. Solcher Bescheidenheit der Fürsten will man ohne weiteres Sympathie entgegenbringen; offenkundig war man sparsam, realistisch. Bedenke man solche Zurückhaltung auch vor dem Hintergrund der deutlich aufwendigeren Fassaden von Sankt Johann.
     Solche Bescheidenheit jedoch schickte sich im 19. Jahrhundert je länger desto weniger. Als dann auch noch die Beziehung zum prunkverliebten Wilhelm II. eine immer freundschaftlichere, da war denn das zurückhaltende Gebäu fast schon ein Ärgernis. Die Blicke des Kaisers jedenfalls, wären wohl mit einer Irritierung über die glatte Fassade des Schlosses gerutscht, wie sie den “Nachdenklichen” bei der Verbindung Quellwasser — Brigach anfällt. Nein, so konnte das Schloss kaum den Sprung in “herrliche Zeiten” wagen; ein Umbau musste her. Gesagt, getan — nur dass am Ende vom Alten kaum noch etwas auszumachen. Was hier neben der Donauquelle wuchtig in die Höhe steigt, den Schlossgarten aufspannt, das ist denn ganz und gar ein Gebäu des Historismus. Gewählt wurde ganz zeitgemäß und immerhin den Stil des Vorgängers als Vorbild nehmend: Neo-Barock. Von 1893-96 ward ausgeführt.

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Hat man bei Betrachtung der langen Gartenfassade die badischen Schlösser echten Barocks im Geiste: Mannheim, Bruchsal, Karlsruhe und Rastatt, so wird man nur wenig Gefallen finden. In historistischer Manier waren wohl die barocken Schmuck- und Gliederungselemente nachzuahmen, nicht aber der auf weiche Komplexität bedachte Geist des 18. Jahrhunderts. Und so haftet dem Schloss durchaus eine dem Barockstil fremde Steifheit und Wuchtigkeit an — Steifheit und Wuchtigkeit, wie sie gerne an das ausgehende 19. Jahrhundert, an die wilhelminische Zeit erinnern.
     Lässt man aber den Historismus als ein letztes Atmen der Baukunst gelten, erinnert sich dann auch noch an die Fertigkeiten unserer Tage; ja dann gehen die Mundwinkel wieder nach oben. Nein, eine gewisse Ansehnlichkeit darf man dem Gebäu nicht absprechen. Die Fassade wird durch einen großen Mittelrisalit und zwei schmale Seitenrisalite gekonnt strukturiert. Außerdem wurde die Schmuckanbringung keineswegs übertrieben. Steht man schließlich bei Besichtigung des Schlossparks auf der anderen Seite der Brigach und damit auch in einiger Entfernung zum Palast, dann stört man sich durchaus nur noch an den vier Geschossen, die der Gesamtproportion zuviel Höhe eingeben.
     Mit dem schon eingeläuteten Schlosspark hat man die letzte größere Partie Donaueschingens, die Annehmlichkeit verheißt. Vielleicht erfreut zuvor noch der ungemein lange Marstall, der wiederum von Hofbaumeister Salzmann in barockem Stil, diszipliniert schmuckvoll angelegt — er steht der Straßenseite des Schlosses gegenüber. Auch das eine oder andere vereinzelte Barockwerk, wie ein Palais in der Art eines Bürgerhauses nahe dem Schlosspark. Oder ein großes Fachwerkhaus mit schmuckreichem fränkischen Fachwerk, das letzte wirklich ansehnliche seiner Art in ganz Donaueschingen! Und was endlich auffällt, sind einige Bauten des Klassizismus und des Romantizismus; Bauwerke ungefähr aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, die zumeist auf Geheiß der Fürsten errichtet und so deren ungebrochenes Wirken in Donaueschingen (bis hin zum Schlossumbau) dokumentieren, als wäre die Stadt immernoch Capitale eines Fürstentums.
     Dann aber in den Schlosspark. Oder besser doch noch nicht — besser eignet sich dieser nämlich für den Schlusseindruck! Es fehlt ja noch das oben schon angekündigte “entschieden Unansehnliche”. Und solches am Ende verdirbt denn wieder, sogar noch mehr als am Anfang, den tatsächlich angenehmen Eindruck Donaueschingens. Das Bauen unserer Tage, die Stillosigkeit des Modernismus hat den historischen Stadtkern nicht nur wie allerorts gründlich umstellt, auch im Zentrum selbst hat er die hiesige, nach dem Fürstenhause benannte Brauerei ganz bedenklich anschwellen lassen. Auch das eine Kuriosität Donaueschingens, eine riesige Fabrik mitten in der Stadt! In den hoffnungslosen Peripherien unserer Städte würde man an dem Gebäu recht achtlos vorübergehen, zu allgegenwärtig nämlich diese zeitgemäße Blech-Ästhetik; hier aber, an der Haldenstraße den Drei-Staffelgiebel-Bau und die barocke Achse besichtigend, schlagen einem die riesigen nackten Volumen ganz unerwartet ins Gesicht. Eine dem Auge so seltsame als unerfreuliche Erscheinung, die denn mal wieder die funktionalistische “Wahrheit” von Konstruktion, Form und Material ins rechte Licht rückt. Der unmittelbar benachbarten Baukunst nämlich bleiben solche Lügen Lügen.

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Und dass jetzt bitte nicht wieder von Baukosten gejammert wird. Baden nämlich weiß es besser: der Wiederaufbau der am Ende des 17. Jahrhunderts in der Rheinebene wortwörtlich vernichteten Städte geschah unter großer Not und Sparzwang — das galt für Mannheim, Bruchsal, Durlach, Ettlingen, Offenburg, Lahr, Ettenheim, Emmendingen,… ja selbst für Heidelberg, welche heute zu den schönsten Städten der Welt zählt! Echte Baukunst verträgt Sparsamkeit ohne weiteres! Das galt für die wiedererrichtende Barockkunst genannter Städte und das obwohl ausgerechnet der Barock immer als verschwenderischer Stil verschriehen. Und das galt für den Klassizismus des folgenden Jahrhunderts. Friedrich Weinbrenner, einer der größten Baumeister Badens, nämlich konnte trotz der beißenden finanziellen Misere, die die napoleonischen Kriege brachten, eine spezielle Variation des Klassizismus kreieren, der die Sparsamkeit und die Baukunst zugleich höchste Tugend waren. Seine Bauwerke jedenfalls machten überall in Deutschland aufmerksam, kürten ihn hier zu einem der herausragenden Baumeister des 19. Jahrhunderts.
     Dass unsere Bauten so aussehen, liegt keineswegs daran, dass sie “nichts” kosten dürfen (was denn vor allem für Industriebauten wie die Brauerei gilt). Das Abstoßende ihres Auftretens liegt einzig an der Vorentscheidung, dem Vorurteil des frühen Modernismus, dass die seit Jahrtausenden gültigen Regeln der Baukunst zu tilgen seien. Entsprechend verschwanden sie ab den 1920ern, nachhaltig.
     Keine formalen Regeln (nichts was diese Bezeichnung im historischen Sinne verdient) also auf den unabsehbaren Flächen der riesigen Gebäudevolumen. Der Sieg der Funktionalität, ja gebaute Rationalität wurde und wird uns verkauft. Dabei wissen wir seit Immanuel Kant “Ohne die Erfahrung des Schönen bleibt die Rationalität unerfüllt”[1]. Also doch kein Sieg der Rationalität, sondern eine unerfüllte Rationalität! Und das genau ist es auch, was die unvoreingenommenen Gefühle deutlich zu erkennen geben: “Hier wurde das Schöne nicht eingelöst, die zwischen Fassade und Auge vermittelnde und versöhnende Baukunst wurde nicht eingelöst. Und das auch noch auf solch unabsehbaren Baumassen!” Nein, über die Abneigung, die sich bei solchen Ansichten in uns auftut, sollte niemand verwundert sein. Oder haben wir umsonst Kant? 
     Nach solchem Aufruhr bitte umso schneller in den aufnehmenden Schlosspark. Die Schönheit mag dem modernen Bauen ausgetrieben sein, der Natur des Gartens durfte sie verbleiben. 1820 wurde der unmittelbar an das Schloss grenzende Park über die Brigach/Donau hinaus verlängert, beträchtlich verlängert. Man kann noch heute die landschaftlich-natürlich wirkende Anlage trefflich nutzen. Entlang des Flusslaufes mag man sich nochmal am einfließenden Donauquellwasser, respektive am Tempelchen erfreuen, nochmal das Geschick des Schlossumbaus abwägen. Wie denn auch im weiteren Parkverlauf manch baulicher Einschub um Zusammenspiel mit der Natur bemüht. Drei Gebäude können erwähnt werden, allesamt in klassizistischem Stile ausgeführt. Am schönsten einst das Fürstliche Bad, ein langgestrecktes Gebäu, dem ein modernistischer Umbau jedoch die Hauptfassade verdorben hat. Ansehnlich auch ein kleiner rechteckiger Säulenpavillon und endlich das historische “Museum”, das aber schon wieder mehr am Rande des Parkes (für diese drei Gebäude siehe Beitrag unter “Im Stile Weinbrenners”, Sammlung ‘4’). 
     So hat man also mit dem Autoren den Fürstlich Fürstenbergischen Garten schon wieder verlassen, kaum dass man ihn betreten! Nehme man sich denn im wirklichen Leben bedeutend mehr Zeit für den Schlosspark, auch für die anderen ansehnlichen Stücke Donaueschingens. Die alte Residenz hat nicht wenig gelitten — und dennoch, man findet noch genug um ihr nachzuspüren.

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[1] Scruton, Roger : Kant, Herder/Spektrum, S.114 (Kritik der Urteilskraft)
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Quellen
1) die Bauwerke selbst, Stilmerkmale und Jahreszahlen
2) Kupferstich Matthäus Merians von 1650
3) Dr. Emil Lacroix und Dr. Heinrich Niester "Kunstwanderungen in Baden", Chr. Belser Verlag Stuttgart, Ausgabe 1959
4) Regine Dölling “Dome, Kirchen und Klöster in Baden”, Wolfgang Weidlich Verlag Frankfurt/Main, Ausgabe 1979
5) Homepage der Stadt Donaueschingen
6) Website  
www.haus-fuerstenberg.de

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