Das große Dorf Merdingen liegt im südbadischen Breisgau, nahe Freiburg. Schon Mitte des 18. Jahrhunderts wies man auf die für ein Dorf unübliche Größe Merdingens hin, des weiteren auf dessen relativen Reichtum. Aus der Hand des Ritterordens der Johanniter war dem Ort nicht geringe Gunst erwiesen — was sich noch heute leicht nachvollziehen lässt; wie auch die Blüte insgesamt, welche wohl schon im 17. Jahrhundert anhob, im folgenden dann vollendet wurde. Und solche Veredelung, die in diesen Fällen immer eine bauliche sein musste, sie spiegelt auch die reizvolle landschaftliche Einbettung wider.
Merdingen nämlich liegt nicht irgendwo in den Weiten der Rheinebene, sondern an westlicher Steilkante des sogenannten Tuniberges. Und für diesen wird nicht weniger in Anspruch genommen, als er der kleine Bruder der nahen und weit berühmteren Erhebung des Kaiserstuhles. "Der kleine Bruder des Kaiserstuhls", das klingt trefflich wie malerisch. Die Erhebung, die sich immerhin rund 100 Meter über die flache Ebene wölbt, bietet denn vorzügliche Aussicht; zumal an klaren Tagen: nach Norden der breitgelagerte Kaiserstuhl — rechts, mächtig und dumpf leuchtend, die Höhen des Hochschwarzwalds — und links die lange dunkelgraue Silhouette der Vogesen (die nur an besten Tagen eine Mannigfaltigkeit der Berge und Täler aus dem scheibenartigen Umriss entlässt) — nach Süden, die einzige freie Aussicht und damit umso anziehender, die Weite des Rheintales.
Die historische Schönheit Merdingens blüht am schönsten in der alten Hauptstraße (Langgasse). Zwei überregional bedeutende Bauwerke bestätigen mit Leichtigkeit die einstige Bedeutung dieses Hauptortes der kleinen territorialen Besitzung des Ritterordens. Mag jener Förderung auch die Nähe einer der Hauptsitze des Ordens, namentlich des Schlosses Heitersheim (Wanderungen Band ‘1’) zugetragen haben. Und so ward denn für einen anstehenden neuen Kirchenbau ganz standesgemäß und kein geringerer als der bekannte Deutschordensbaumeister Johann Caspar Bagnato verpflichtet. Bagnato wurde am Oberrhein mehrfach tätig: in Deutschland, in der Schweiz, im Elsass — überall wies er sein Talent nach.
Und so richtete er denn 1738-41 eine Pfarrkirche auf, die zweifellos zu den schönsten barocken Dorfkirchen ganz Badens zählt. Das auch an Volumen große Gebäu findet sich in gestalterischen Qualitäten, dass andere talentierte Baumeister landauf landab wohl noch weitere gleichwertige Ergebnisse hinzusetzen konnten; es aber übertroffen zu sehen, kann durchaus nur durch subjektive Zugeständnisse gelingen.
Zur Langgasse orientiert sich das prächtige Gotteshaus interessanterweise rückwärts, will heißen mit seinem runden Chor. Der Haupteingang, der durch den schönsten Bauteil, den hoch aufstrebenden Campanile führt, findet sich demnach abgewendet, an einer allerdings auch gewichtigen Seitenstraße (Kirchgasse).
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Das auch farbenprächtige Gebäu waltet keineswegs verschwenderisch mit seinem Fassadenschmuck. Die trefflichen Effekte erzielt es vielmehr durch stark plastische Gliederungselemente wie Gurtbänder und Öffnungsrahmungen. Letztere sind gerne phantasievoll geschwungen. Der Campanile besteht aus gleich vier Teilen, tritt monumental aus der Vorderseite des einschiffigen Langhauses in die Höhe; dem Schiff durchschneidet er dabei kompromisslos den lustvoll geschweiften Giebel. Die meisten Details, wirklichen Schmuckreichtum weiht die Kirche alleine dem Hauptportal und der Turmspitze, vor allem also dem hohen Campanile. Für Portal und Spitze sind denn auch die ansonsten rahmenartigen Fassadenbänder zu Pilastern veredelt.
Das zweite bedeutende Bauwerk stellt das sogenannte "Haus Saladin", ebenfalls an der Langgasse. Es führt das schmuckvollste fränkische Fachwerk, welches 1666 erfolgreich um die Tiefen der Renaissance-Feinheiten bemüht. Nicht geringe Freude empfindet man bei Betrachtung der mannigfaltigen Zierformen, die in bedeutender Zimmermannkunst dem harten Holz abgerungen. Dem nicht genug tritt auch noch ein großer rechteckiger Erker aus der Fassade. Solcher Reichtum einer Ansicht verblieb denn im letzten, damit im höchsten Moment vor der Überfrachtung. Wenngleich natürlich das "rationale" zeitgemäße Auge von der Fülle des Zierrates überfordert sein mag; die glatten und nackten Fassaden modernistischen Bauens halten jedenfalls das Auge beständig unterfordert, wenig geübt. Und so muss es sich denn am Historischen zu seinen eigentlichen Möglichkeiten aufschwingen.
Und da kommt die zweistöckige und spitzgiebelige Vorderseite, die schönste der vier Fassaden, gerade recht. Auch für das Haus Saladin gilt unbedingt eine überregionale Geltung. Denn auf solchen Fachwerkreichtum in dörflichem Gefilde wird man ansonsten in Baden nur noch sehr selten treffen.
Noch mehrere ansehnliche Bauten stehen in direkter Nachbarschaft zu Pfarrkirche und Saladin (zumeist an der Langgasse). Man findet beispielsweise das alte Pfarrhaus, das als barocker Bau vor allem durch Gliederungselemente angenehm gezeichnet. Oder einen weiteren Fachwerkbau mit auffälligem rechteckigen Erker. Am schönsten aber, nach den beiden Hauptkunstwerken, ist eine steinern verfertigte Hofanlage gegenüber dem runden Chor der Pfarrkirche. Zumeist macht dessen Eckerker auf sich aufmerksam: er wirkt wie ein gekappter polygonaler Turm und verwendet auch noch zum sonstigen Verputz auffällig kontrastierendes Fachwerk. Die große Besonderheit des Hauptbaus gewahrt man nur aus nächster Nähe: Fensterrahmungen im Stil der Renaissance — auch das in dörflicher Welt ein sehr seltener Anblick. Als dritter markanter Teil der erbaulichen Vorderansicht führt ein fein gearbeiteter großer Rundbogen durch die absperrende Hofwand.
Die Langgasse als Hauptachse Merdingens führt bei ländlichem Maßstabe in durchaus unüblichem Überschwange die baukünstlerischen Fähigkeiten unserer Altvorderen vor Augen. Mag sie gelten als ein Vorzeigebeispiel dörflichen Bauens in der Historie Badens.
Quellen 1) die Bauwerke selbst - Stilmerkmale und Jahreszahlen; Ort und Landschaft
2) Dr. Emil Lacroix und Dr. Heinrich Niester "Kunstwanderungen in Baden", Chr. Belser Verlag Stuttgart, Ausgabe 1959
3) Homepage der Gemeinde Merdingen www.merdingen.de
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