Baukunst in Baden
  Burkheim
 

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Ein Torturm lugte aufmunternd zu mir herüber, sein asymmetrisch eingesetzter Durchgang lockte ohnehin. Nur alsbald durch, wartete dahinter doch ein historisches Stadtbild. Indessen “glitzerte” es mir auch schon entgegen; der Eindruck, der sich nämlich erzeigte, er war — auch auf die Gefahr hin zu hoch zu greifen — durchaus ein märchenhafter. Ein Stadtraum, halb Straße halb Platz, kurzum eine breite Marktstraße von gefälligster Raumproportion. Und die Säumung, die recht eigentlich den feinen Raum erst kreiert, schaffen noch durchgängig historische Bauwerke des 17. - 19. Jahrhunderts. Jene nun, überdies in erfrischender Durchmischung von verputzten Steinbauten und Fachwerkerzeugnissen, malen ein ergreifend lebendiges Bild, welchem bei nur wenig differierender Gebäudehöhe ausreichende Homogenität eingegeben um der Lebendigkeit mögliche Unruhe zu nehmen.
     Was aber den malerischen Ausdruck ins märchenhafte befördern wollte, gewann die Sonne. Als ein Anfang Februar winterlich mild leuchtendes Licht, brachte es den Stadtprospekt in sanftes Glänzen, gleichsam zu einem Schimmern wie von den sauber aneinander gereihten Häusern selbst erwirkt. Die verputzten Steinhäuser scheuen den Farbeinsatz nicht, ohne dabei zu überspannen. Und so lag die der Mittagssonne günstig nach Süden orientierte Marktstraße in einem Bilde, das schwerlich romantischer gezeichnet werden könnte. Und so gilt, freilich auch für weniger glänzende Tage, dass man die breite Marktstraße Burkheims unter die schönsten Stadträume Badens rechnen darf.
     Kurz zuvor hatte ich noch ein ganz anderes Stadtbild angestaunt. In Breisach schlug das Sankt Stephansmünster in Bann, beeindruckte die ungewöhnliche Anzahl vier erhaltener Stadttore, strotzen mir wehrhafte mittelalterliche Mauern entgegen. Freilich, das schon etwas, diese blickfesselnden Einzelbauwerke. Ansonsten aber zeigten die von Napoleon und Zweitem Weltkrieg zerschlagenen Plätze und Straßen weitgehende Tristesse. Hier in Burkheim, da lächelten mich erhaltene urbane Räume an, ja leuchtete mir die breite Marktstraße förmlich entgegen. Da mag jenes, die Sensation des Einzelbauwerkes, durchaus ergreifen, was aber recht eigentlich den Charakter von Stadt, von urbanem Raume ausmacht, das sind alleine intakte Stadtgefüge wie die Burkheims. Und intaktes Stadtgefüge bedeutet ob des zweifelhaften Erfolges von Architektur und Städtebaus des Modernismus freilich alleine: erhaltene historische Platz- und Straßenansichten.

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Burkheim, bereits seit 1330 mit begehrten Stadtrechten, kam dennoch über den Status eines veritablen Kleinststädtchens nie hinaus. Auch eine im unmittelbaren Stadtzusammenhang erbaute und entsprechend sichernde Burganlage vermochte dies nicht. Obgleich auch letztere alles andere als unattraktiv, verbrachte hier doch kein geringer als Kaiser Karl IV. 1347 gar eine weihnachtliche Nacht. Die strategische Lage jedenfalls, heute ersetzt durch die landschaftliche, verdient unbedingte Erwähnung: erhoben auf einen Westausläufer des breit gelagerten Kaiserstuhles, lugen Burg und Stadt seit jeher zum unweit vorbeifließenden Rheinstrome. Weil nun jener Westausläufer, der deutlich niedriger als der Kaiserstuhl keine bedeutenden Höhenmeter mehr gewinnt, auf der Südseite besiedelt, liegt die Burg-Stadt-Einheit im Wortsinne “in bestem Licht”.
     Als ein Kleinststädtchen mag auch ihre Wegestruktur mit wenigen Worten zu fassen sein: neben der breiten Marktstraße und notwendigen verbindenden kurzen Stücken trifft man im einst ummauerten Bereich nur auf zwei weitere Straßen, welche parallel zur erstgenannten, parallel zum Hang ein wenig höher situiert sind. Auch sie zeigen zumeist noch die historische Ansehnlichkeit, wie man hier auch auf die schöne und ortsgemäß angenehm-bescheidene Stadtkirche trifft. Vor allem deren Campanile, veredelt von Eckquaderung und Maßwerk trifft das interessierte Auge, sendet landgotisch-aufrichtige Grüße auch in größere Fernen. Das Langhaus, als ein Neubau des 19. Jahrhunderts, ordnet seine Gestaltungsmerkmale klug unter.

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Die ganze Pracht Burkheims aber wirkt die breite Marktstraße. Und in dem Torturme wird sie ja auch bestens eingeführt. Das Gebäu stammt mit seinem Korbbogen-Durchgang noch aus mittelalterlichen Tagen, wohingegen die oberen Partien, wie auch die formenfreudige Walmdeckung mit Dachreiter dem 18. Jahrhundert, barocker Stilsprache entstammen. Trefflich wie das Dach zu beiden Seiten für einen Dreicksgiebel nach oben “geknickt“.
     So man zuvor einen Gegensatz herausragendes Einzelbauwerk — intakter Stadtraum (Breisach - Burkheim) aufgezeigt hat, muss man diesen für die Marktstraße dahingehend abschwächen, als nämlich auch die letztere über hervorzuhebende Einzelbauwerke verfügt. Der schöne Torturm ward gerade genannt. Zu ergänzen ist er um das rot schimmernde Rathaus und den Fachwerkbau “Zu den fünf Türmen” (ein ehemaliges Gasthaus trug diesen so klangvollen Namen). Beide zeigen die Baukunst der in Deutschland zwischen Mittelalter und Neuzeit vermittelnden Renaissance. Das Rathaus beruft sich auf das für diese Zeit typische Spiel der Baukörper, das Treppenhaus turmartig an den dreigeschossigen Hauptteil lehnend. Aber Vorsicht! Alleine das Erdgeschoss stammt von 1604, entnimmt der Renaissance neben dem rechten Torbogen alleine das prächtige Portal in den Treppenturm. Freilich entstammt auch dessen so stiltypisches Fensterformat eines stehenden Parallelogramms jenem ausgehenden Mittelalter. Und das nimmt ja noch den Weg ins zweite Stockwerk. Und hier schloss denn einst ein Fachwerkgeschoss an. Was also heute in zweiter und dritter Etage zu sichten, rührt neben veränderten Öffnungsrahmungen im Erdgeschoss von einem Umbau des 19. Jahrhunderts. Es ist aber die markante Gestalt Hauptbau-Treppenhauskörper, die ohne weiteres den Renaissance-Eindruck als Gesamterscheinung nahelegt.

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Das Fachwerkhaus “Zu den fünf Türmen” tritt als eine schmale Parzellenbebauung dennoch alles andere als bescheiden auf. Die erstaunliche Kunstfertigkeit des fränkischen Fachwerks nämlich, die Mannigfaltigkeit und Dichte der hölzernen Zierformen, reihen die kurze Hausfront unter die Vorzeigebeispiele (nicht nur) des badischen Fachwerkbaus. Das Geschick des Baumeisters verhinderte bei allem Reichtum die naturgemäße Gefahr der Überfrachtung. Freilich walltet bei solchen Einschätzungen immer auch persönlicher Geschmack und Maßstab vor.
     Das arme Burkheim wurde von einem erschreckend standardisierten Schicksal wie nahezu alle Ansiedlungen der Rheinebene vom erbarmungslos brandschatzenden und niederbrennenden 17. Jahrhundert niedergeworfen. Und so hat man bei einem so leicht feuerfangenden Bauteil wie dem Fachwerk “Zu den fünf Türmen” eine Erbauungszeit jenseits der eigentlichen Renaissance-Tage (in Deutschland 16. und frühes 17. Jahrhundert) anzusetzen. Das wohl im 18. Jahrhundert, vielleicht noch im späten 17. Jahrhundert gezimmerte Fachwerk neigt aber ohne weiteres noch alter Renaissance-Pracht zu.
     Die Renaissance verbleibt noch für einige Zeilen aktueller Ordnungspunkt. Denn wenn das arme Burkheim auch brutal niedergebrannt, so haben die steinernen Partien der leidenden Häuser den Flammen dennoch getrotzt. Und beim erfolgten Wiederaufbau, respektive späteren Umbauten hat man auf dieselben gerne weiter vertraut. Die Marktstraße nämlich zeigt noch an mehreren Fassaden, vornehmlich an deren Erdgeschosspartien Renaissance, mitunter gar noch spätgotische Details. Weil nun weder das barocke 18. Jahrhundert noch das klassizistische, historisierende 19. Jahrhundert entschiedene Pracht in die Marktstraße trugen, verbleibt den kunstvollen Ausführungen von Renaissance und Spätgotik kein geringes gestalterisches Gewicht. So kann man sich also noch an manch Portal und Fensterrahmung und zu allermeist an einem rechteckigen Erker (ungefähr auf Höhe Platzmitte) der wirklich alten Zeit erfreuen.

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Ansonsten aber stehen die zumeist zurückhaltenden Putzfassaden des 18./19. Jahrhunderts in der Schuld einiger Fachwerkbauten, die als fein- und vielgliedriges Kontra den Hauptverdienst an der lebendigen Fassadenaneinanderreihung tragen.
     Wenn nun die breite Marktstraße das Prunkstück Burkheims ist, so konnte dieselbe ob fehlender Fernwirkung kaum zu einem eigentlichen Wahrzeichen aufsteigen. Wie ja viele an Burkheim vorüberfahren ohne diesen bedeutenden Schatz auch nur zu ahnen. Umso ungestörter also konnte eine ausgebranntes Mauerwerk, eben das schon angedeutete Schloss zum Wahrzeichen Burkheims, ja zum Wahrzeichen des ganzen westlichen Kaiserstuhls aufsteigen. Dem von Breisach Herbeisummenden nämlich steht das durch genannten Westausläufer emporgehobene wuchtige Gebäu beständig entgegen.
     Man muss dem Gebäu, respektive den gemauerten Wänden eine besondere Widerstandsfähigkeit bescheinigen. Das Schloss wurde 1672 von “vorüberreisenden” französischen Soldaten, welche die in Baden üblichen Grüße des Sonnenkönigs (Feuer und Tod) weiterleiteten, niedergebrannt. Die Verbrannte-Erde- oder Niemandslandpolitik firmierte zu diesem Zeitpunkt unter “Holländischer Krieg” (in den 1680/90ern dann unter “Pfälzischer Erbfolgekrieg“). Aber die offenkundig gut gemörtelten Steine ließen sich weder vom Feuer, noch von den niederstürzenden Deckenlagen oder dem einfallenden Dach, noch ansonsten von den Wechselfällen der Witterung der folgenden rund 330 Jahren beeindrucken. Wie auch, als eine besondere Kuriosität, der gleichfalls gemauerte breite Kaminzug noch heute aus dem nicht mehr vorhandenen Dach lugt.
     Ein solcher Zustand aber ist unbedingt erwähnenswert, weil unbedingt ungewöhnlich. So vermeint man die Entkernung der vier großen Schlosswände nur wenige Jahrzehnte, vielleicht nur Jahre zurück. Auch ich, aus Richtung Breisach kommend, staunte nicht wenig. Aus einiger Entfernung nahm sich das mir bis dato unbekannte Schloss wie ein erst kürzlich ausgebranntes großes Fabrikationsgebäude aus, und ich rätselte nicht wenig.

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Das auf einer nach Süden steil abfallenden Terrasse situierte Gebäu litt 1672 nicht zum ersten Mal. Wütende Bauern hatten hier im großen Bauernkrieg von 1525 “Hand angelegt”. Dieser Zerstörung aber trat eine der letzten großen Rittergestalten Deutschlands entgegen: Lazarus von Schwendi, Generaloberst in Diensten des deutsch-habsburgischen Kaisers, erfolgreich die weit nach Mitteleuropa vorgedrungenen osmanischen Invasoren in Ungarn bekriegend. Als eine der schillerndsten Persönlichkeiten, die je am Kaiserstuhl ihr Domizil fand, erhielt er als Pfandherr die kleine Burkheimer Herrschaft (zu welcher noch einige Nachbarorte zählten) zugesprochen. Seinerzeit und noch bis 1797 befand sich Burkheim auf vorderösterreichisch-habsburgischem Territorium. Von Schwendi traf 1560 ein und machte sich alsbald an den Wiederaufbau der seit fast 40 Jahren in Ruinen liegenden Anlage. Einem Manne seines (auch geistigen) Standes konnte nur ein respektabler Schlossbau zukommen, dem es im Stile der Renaissance an Pracht nicht fehlen durfte. Die Tage der rund 600 Jahre alten Trutzburg waren also seit dem Bauernüberfall tatsächlich gezählt. Das Neue aber, ein rechteckiger, satteldachgedeckter Schlossbau wurde dennoch, wie die heutige Ansicht nahelegt, widerstandfähig emporgebaut. 1583 beendete von Schwendi die prächtige irdische Laufbahn und rund 100 Jahre später ging auch die Pracht des Schlosses ab. Was heute vor Augen steht, die ausgehöhlten Umfassungsmauern und die spitzen Giebel, wirkt denn doch wieder nicht wenig abweisend und hat auch nicht wenige der einst edlen Öffnungsrahmungen getilgt.
     Dem Reiz der Anlage freilich tut das keinen Abbruch. Neben erhaltenen Mauerzügen beeindruckt ein gewaltiges Bollwerk in Richtung Rhein (Westseite), welches denn vor allem zur Sicherung der steil abfallenden Topographie benötigt. Endlich gefällt auch ein liebes Türmchen auf der Nordseite der Anlage, das als gut erhaltenes Gebäude vor allem durch einen barocken Eingriff (18. Jahrhundert) in die heutige Gestalt fand.
     Für ein so kleines historisches Städtchen, das selbst heute (2007) als ein Ortsteil von Vogtsburg die 1000-Einwohner-Grenze nur mühsam übersteigt, ist das hier gezeigte und vorgestellte gewiss sehr viel. Und so wird das enorme Alter der Ansiedlung, welche urkundlich gesichert schon seit 762, vor allem durch bauliche Qualitäten unterstrichen.

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Quellen
1) die Bauwerke selbst - Stilmerkmale und Jahreszahlen; Stadt, Burgruine und Landschaft
2) Dr. Emil Lacroix und Dr. Heinrich Niester  "Kunstwanderungen in Baden", Chr. Belser Verlag Stuttgart, Ausgabe 1959
3) Homepage von Burkheim  burkheim.com
4) Website  
www.kaiserstuhl.eu/Orte/Vogtsburg/Burkheim
5) Website  www.burgeninventar.de
6) Informationstafeln vor Ort

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