Baukunst in Baden
  Königshofen
 




Ostern 1945, wenige Tage also vor der Kapitulation des 12jährigen "Tausendjährigen Reiches", kam das arme Königshofen noch unter die zermalmenden Räder des Zweiten Weltkrieges. Kein Luftschlag, wie andernorts bei solcher Zerstörungskraft zu beobachten, sondern ein heftiges Artilleriegefecht raubte der historischen Stadt nahe Tauberbischofsheim die bauliche Existenz.
     Ostern, das Fest der Auferstehung Christi, für Königshofen das Datum des Untergangs. Kaum ein Gebäude blieb verschont, und so musste Königshofen, bereits im Jahre 823 das erste Mal urkundlich gesichert und spätestens seit dem 15. Jahrhundert ob eines 1492 verliehen Marktprivilegs befestigt, regelrecht wiedergeboren werden. Was aber hier ab den frühen 1950ern neuerliche Gestalt annahm, war alles nur keine wunderbare Neugeburt, sondern  dem Baustil der modernen Zeit geschuldet  ein Bild der Gesichtslosigkeit, ja der Hässlichkeit.
     Eine Besichtigung der zwar fein im schönen Taubertal liegenden, baulich aber armen Stadt muss das interessierte Auge umgehend ermatten. Theodor Fontane hätte wohl wie folgt gesprochen: "Was auf fast eine halbe Meile hin diesen ganzen Stadtteil charakterisiert, das ist die völlige Abwesenheit alles dessen, was wohltut, was gefällt, in erschreckender Weise fehlt der Sinn für das Malerische."[1] und "Nützlichkeit und Nüchternheit herrschen souverän und nehmen der Erscheinung des Lebens allen Reiz und alle Farbe."[2].
     Gerne versteckte der Modernismus die Unzulänglichkeit seiner einseitig funktionalen Gestaltung in den Nachkriegsjahren hinter dem Verweis, dass in solchen Notzeiten Bauen unbedingt kostengünstig und deshalb mit bescheidener Gestaltung einhergehen müsse. Aber freilich kamen dann die Gebäude der 1960er-90er keineswegs charaktervoller, sondern weiterhin anonym, ohne identitätstiftende Kraft. Und so sieht es denn aus, das Königshofen des frühen 21. Jahrhunderts: ein Stadtbild bar jeden ästhetischen Charakters. Dem Baustil der Modernismus muss man darüber ganz allgemein eine historische Fehlleistung bescheinigen. Und in der Tat war es ab den 1920ern ein gewagtes Experiment, die seit Menschengedenken existierende Verknüpfung Funktionalität + Baukunst aufzulösen in die Formel: Funktionalität ohne Baukunst! Jeder, der nur halbwegs bei klarem Verstand, kann bei Vergleichung historisches Stadtbild zu modernistischem Stadtbild nur die gewagte Verfehlung, das fragwürdige Experiment des Modernismus konstatieren. Aber freilich, darüber zeigt sich der Modernismus tatsächlich zeitgemäß, wie alles Bauen der Jahrtausende vor ihm. Das heißt, er stellt ohne weiteres ein Abbild der Gesellschaft, unserer geistigen Verhältnisse, der Art wie wir denken, wie wir uns selbst sehen. Das eines der Grundzüge der Bauhistorie, die immer aufs engste mit der Gesellschaft verknüpft: man bekommt was man verdient!
     Irgendwann aber ward auch der Autor auf den Kirchplatz gespült...

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